Während des Deutschen Stiftungstages in Wiesbaden wurde eines besonders deutlich: Stiftungen müssen sich auf eine zunehmend politische Börse einstellen. Grund – natürlich – : Agent Orange im Oval Office.
Agent Orange hieß das Entlaubungsgift, dass die Amerikaner im Vietnam-Krieg einsetzten. An vielen Stellen des Stiftungstages wurde deutlich: Das Gift, dass der Agent Orange im Oval Office in Gestalt von Zöllen, Kulturkampf und Attacken gegen Institutionen versprüht, dürfte viel weitreichendere Konsequenzen haben. Für Stiftungen bedeutet das, sich auf unruhige Zeiten am Kapitalmarkt einzustellen und das Portfolio so wetterfest wie möglich aufzustellen.
Wunderbar klare Worte des Bundespräsidenten a.D.
Reden von ehemaligen Politikern sind in den allermeisten Fällen erhellender als jene von amtierenden, da die Redner nicht mehr den Zwängen ihres Amtes unterliegen. Das war beim Auftritt Joachim Gaucks klar zu erkennen. Wunderbar klar brachte er die aktuelle Lage auf den Punkt: „Was sich vielerorts vollzieht, geht über gewöhnliche politische Auseinandersetzungen hinaus. Wir sind Zeugen systematischer Angriffe auf das Fundament demokratischer Ordnung – auf Gewaltenteilung, freie Medien, unabhängige Justiz, auf faire Verfahren und den Schutz von Minderheiten. Diese Angriffe kommen nicht nur im Namen großer Ideologien. Sie kommen im Gewand neoimperialen und revisionistischen Denkens wie in Putins Fall, oder in moderner Gestalt wie im Fall von Trump: im Namen vermeintlicher Effizienz, unter dem Banner nationaler Größe, flankiert von einem technokratischen Denken, das Demokratie nicht mehr als mühsam, sondern als überholt erscheinen lässt. Und sie kommen mit atemberaubender Geschwindigkeit“ sagte der Bundespräsident a.D. unter dem Applaus der Besucher des Stiftungstages.
Trump laut Gauck mit Strategien autoritärer Systeme
Man erlebe seit einigen Monaten, wie in den Vereinigten Staaten – dem Mutterland westlicher Verfassungsdemokratie – ein Präsident ins Amt zurückgekehrt ist, nicht um Institutionen zu schützen, sondern um sie sich dienstbar zu machen, so Gauck: „Donald Trump zeigt seine Loyalität nicht gegenüber der amerikanischen Verfassung, sondern er fordert Loyalität zu seiner Person. Und er schreckt dabei nicht zurück vor Methoden, die Politikwissenschaftler als klassische Strategien autoritärer Regime bezeichnen: die Bedrängung unabhängiger Justiz, die politische Säuberung von Behörden, die Missachtung gerichtlicher Urteile, die gezielte Einschüchterung kritischer Medien und die Umgehung parlamentarischer Kontrolle.“
Chefvolkswirte einig: US-Haushalt schwierig
Natürlich stand die Politik der USA im Zentrum der Erörterungen der Runde der Chefvolkswirte. Dr. Holger Schmieding, Berenberg, verwies auf „langfristige Sorgen im Markt wegen des US-Staatshaushalts.“ Er berichtete aber zur Stimmung vor Ort, dass die Amerikaner einstweilen minderbesorgt sind und in Gesprächen sagten: Lasst ihn (Trump) doch erst einmal machen. Dr. Robin Winkler, Deutsche Bank, sieht bereits Umschichtungen von Marktteilnehmern, und zwar raus aus dem US-Doller, raus aus US-Staatsanleihen. Stattdessen fließt das Geld andernorts hin: „Wir sehen das stark in Asien, aber auch hohe Allokationen in Europa“. Carsten Klude, M.M. Warburg, warnte allerdings davor, die USA abzuschreiben: „Dort könnte das Wachstum höher ausfallen als in Europa.“
Wie ist es nun genau mit den Zöllen – und gegen wen?
Diese Gretchenfrage lässt sich nicht beantworten, weil Trump das mutmaßlich ja selber nicht so genau weiß. Schmieding geht davon aus, dass „der ganz große Zollstreit nicht eintreten wird.“ Dem stimmt Winkler zu: „Trump hat nicht den Mut, seinen Wählern wirklich etwas zuzumuten“. Das lässt sich unschwer aus dem Hin und Her der Zollankündigungen, -aussetzungen und Neuverhandlungen entnehmen. Wenn aber Steuern gesenkt, Ausgaben ausgeweitet und keine Kompensation durch Zolleinnahmen – die in diesem Kontext nichts anderes sind als verkappte Steuererhöhungen über Inflation – dann laufe die USA beschleunigt auf eine Schuldenkrise zu.
Die Gerüchteküche brodelt: Schuldenschnitt?
Wie nervös die Märkte sind zeigten Insights vom Michael Dittrich, Deutsche Bundesstiftung Umwelt. Es würden Warnungen von ebenso seriösen wie gewöhnlich gut unterrichteten Stellen ausgegeben, demnach es in der US-Administration erste Gedankenspiele zur Konsolidierung des US-Haushalts auf Kosten internationaler Investoren gebe – etwa durch die Halbierung der Zinsen auf 10- oder 30-jährige Treasuries. „Wir von der Bundesstiftung jedenfalls haben kaum noch US-Treasuries im Portfolio“, so Dittrich. Winkler berichtete von Marktgeflüster, demnach bereits US-Unterhändler mit asiatischen Regierungen verhandelten, den US-Dollar zu stützen. Ein Unterfangen, dass Klude für wenig aussichtsreich hält: „Asiatische Länder sind entweder von China oder den USA abhängig.“ Dittrich berichtete von einer kürzlichen Asienreise, während der er in Singapur hochkapitalisierte Familiy Offices gefragt habe, ob sie in den USA verstärkt investieren. Das sei wohl weniger der Fall, „denn das Geld dort ist von den USA sehr enttäuscht, weil sie wollen ja Distanz zu China.
Alle Szenarien schwierig
Wie man das große Bild auch zeichnet, alles Schattierungen blieben schwierig, so die Chefvolkswirte. Wenn die US-Administration die Zölle in spürbarer Höhe durchzieht, dürfte die Weltwirtschaft in erhebliche Schwierigkeiten abstürzen. Wenn Trump aber zurückzuckt, wenn die Inflation anspringt, sieht es düster aus für den US-Haushalt, zumal wenn der „big, beautiful bill“ mit neuen Schulden beschlossen wird.
Zeit, noch breiter zu diversifizieren
Wie soll sich das alles ins Stiftungsportfolio übersetzen? Dazu gibt es Input und Ideen während der Lunch Meetings, die von ersten Adressen für Stiftungen wie EB SIM oder Metzler AM angeboten wurden. Sebastian Kösters, Chief Investment Officer beim Investment-Arm der Evangelischen Bank, hob insbesondere auf eine breite Basis für hohe Stabilität ab. Ja, das Team wisse, dass Stiftungen zur Verwirklichung der Zwecke Rendite für Ausschüttungen benötige, dass darüber aber die Resilienz des Portfolios nicht leiden dürfe: „Es ist derzeit die perfekte Welt für Multi Asset Lösungen.“ US-Staatsanleihen sind bei EBSIM ohnehin auf der Ausschlussliste, weil in den USA die Todesstrafe verhängt und exekutiert werde – was mit den hohen ESG-Standards nicht vereinbar sei – wichtiger sei aber die Diversifikation in Bereiche wie Private Equity, Private Debt, CAT-Bonds, Gold oder auch andere Rohstoffe. Das alles verbunden mit dynamischer Bewirtschaftung sei das Gebot der Stunde.
Aktien performen bei höherer Inflation relativ gut
Patrick Schätzle, Geschäftsführer, und Edgar Walk, Chefvolkswirt von Metzler AM, verwiesen während des ausgebuchten Meetings auf die Tendenzen der Trumpschen Politik: Strafzölle gegen alle, schwacher US-Dollar, neue Einwanderungspolitik und Steuersenkungen seien allesamt inflationär. Langfrist-Untersuchungen zeigten, dass Aktien in mittel bis stark inflationären Zeiten überdurchschnittlich gut performen. Voraussetzungen dies zu nutzen sei breite Diversifizierung sowie ein langer Anlagenhorizont. Generell sieht Metzler die Überschuldung als Risiko für die (US-)Preisstabilität und somit einen Konflikt zwischen Gelddrucken und Sparen. „Damit sind hohe Anlagerisiken bei (US-) Staatsanleihen und beim US-Dollar-Wechselkurs verbunden“ so Schätzle. Sachwerte wie Aktien, Immobilien und Infrastruktur werden in diesem Umfeld attraktiver, interessanterweise bedeute eine Blockbildung in der Weltwirtschaft bessere Diversifikationseigenschaften in globalen Portfolios. Ganz generell sieht auch Metzler derzeit eine besonders attraktive Zeit für Multi-Asset-Strategien.
Ruhe an der Gesetzfront
Bei alledem gibt es wenigstens an der gesetzlichen Front relative Ruhe. Die in Wiesbaden erneut extrem gut besuchte Veranstaltung der Arbeitskreise Stiftungsprivatrecht und Stiftungssteuerrecht zeigte auf, dass sich die Business Judgement Rule im Bereich der Vermögensanlage bewährt und die belastenden, weil unbestimmten Rechtsräume, eher im Bereich der zweckgerichteten Stiftungstätigkeit liegen. Katharina Copony, Justiziarin und Compliance-Beauftragte der Joachim Herz Stiftung, nannte als Beispiel die Wissenschaftsförderung: „Wann wird die Grenze zur Wirtschaftsförderung überschritten?“ Sie rechnet allerdings zeitnah nicht mit durchgreifenden Verbesserungen, sondern ein Zerreden im Klein-Klein der regulatorischen Auseinandersetzungen.

Zusammengefasst
Stiftungen müssen ihre Vermögensanlage mehr denn je mit größter Akribie angehen. Eine durchdachte, langfristige Anlagestrategie, basierend auf einer strategischen Asset Allocation, ist unverzichtbar. Innerhalb der langfristigen Linien lassen sich aber bestimmt noch Diversifikationsvorteile heben, die die aufgezeigten Risiken aufgreifen. „Aktuell zum Beispiel verdienen Europa und Deutschland angesichts der extremen Unsicherheit am US-Markt sowie bei Big Tech eine neue Bewertung. Wer breit aufgestellt ist, kann Schocks besser abfedern“ sagen dazu die Experten von Lupus alpha. Wer seiner breit diversifizierten Asset Allocation vertraut, müsse Volatilität nicht fürchten – selbst wenn diese extrem ist. Wer allerdings ein bestimmtes Maß an Volatilität vor sich selbst, seinen Gremien und seinen Anlegern nicht mehr verantworten kann, für den sind Absicherungsstrategien kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.