Immer am 1. Oktober ist Tag der Stiftungen in Europa, und immer am 1. Oktober findet in Österreich die Jahreskonferenz des Verbands für gemeinnütziges Stiften in Österreich statt. Wir haben uns wieder auf den Weg gemacht, mit Zug, nach Wien, es ward wieder ein sehr angenehmer wie intensiver Tag im neuen Quartier nahe des piekfeinen Wiener Hauptbahnhofs. Der Tag war aber auch insofern ein besonderer, als dass wir Stifter Martin Essl etwas näher kennenlernen konnten. Ein kleiner Reisebericht.
Irgendwann vor 5 Uhr:
Unsere Fahrt beginnt in Frankfurt, am dortigen Hauptbahnhof, wir lesen uns mal rein in den Jahresreport von Gemeinnützig stiften, lesen dort spannende Zahlen über den Stiftungssektor Österreichs. Mehr als 1.000 gemeinnützige Stiftungen sind in Österreich aktiv, sie schütten mehr als 120 Mio. EUR für gemeinnützige Zwecke aus. In Österreich werden in diesem Jahr die ersten Gemeinschaftsstiftung errichtet, diese gleichen von der Idee her den hiesigen Bürgerstiftung – quasi Österreich goes Bürgerstiftung. An der Generalversammlung des Verbands nahmen im Juni 50 Mitglieder teil, zudem sind von den 3.700 Stiftungen Österreichs 68% privatnützig und nur 28% gemeinnützig. Gut 4% werden als gemischtnützig kategorisiert, man liest zweimal bei diesem Wort. Nicht zuletzt gibt es deren 58 kirchliche Stiftungen in Österreich, auch ein spannender Fakt.
10:30 Uhr:
Unser Zug ist dann irgendwann auch mal in Wien Hbf angekommen, bei den Durchsagen „Wir entschuldigen uns für alle Unannehmlichkeiten…“ hört man irgendwann nicht mehr, was sich rächt, wenn man im Bistro auf verschlossene Türen trifft. Ein kurzer Fußweg führt dann zu Verwaltungsgebäude von BDO Österreich, der neue Quartierskomplex könnte auch in jeder anderen europäischen Großstadt stehen. Modern, aufgeräumt, manchmal etwas nackt, aber trotzdem eine perfekte Umgebung für die Jahrestagung, denn dieser Ort steht dafür, dass sich etwas tut in Österreich.
11:15 Uhr:
Wir sehen eine Menschentraube um Andreas Schiemenz herum, dem Chef von den Sinngebern, die das Geben in neue oder zielgerichtetere Bahnen lenken möchten. Es war zu merken, dass Form und Art des Gebens auch in Österreich diskutiert wird, dass Stiften allein nicht mehr die alleinige Form der Weitergabe von Vermögen für das Gemeinwohl ist – zumindest nicht in den Augen vieler potentieller Stifter. Gut an der Diskussion ist, dass sie das Geben hinterfragt, aber mit einem positiven Bias, schlecht an der Diskussion ist, dass an mancher Stelle das Modell Stiftung direkt und sofort hinterfragt und in Frage gestellt wird.
Kurz nach 15 Uhr:
Martin und Gerda Essl, die Stifter hinter der Essl Foundation, der größten Stiftung Österreichs, werden mit dem Stifterpreis 2025 ausgezeichnet. Einer warmherzigen Laudatio folgen Worte Martin Essls, die einmal mehr zeigen, was eine Stifterpersönlichkeit ist, die das Stiften von innen heraus verstanden hat.
15:20 Uhr:
Martin Essl tritt ans Mikrofon. Ihn trieb bei der Stiftungserrichtung um, dass viele Menschen nur das Defizit sehen, dabei gilt es Chancen und Möglichkeiten zu sehen. Stiften heißt nicht Geld geben, sondern Chancen sehen, Möglichkeiten zu eröffnen – und Verantwortung zu übernehmen. (Jeder neue Stifter sollte sich diesen Satz fett in seine Satzung schreiben.) Stifter sollten nicht nur ans Ich denken, sondern vor allem ans Wir und ans Du.
Martin Essl erntet dicken Beifall, aber er hat noch nicht fertig. „Stiften funktioniert dann, wenn sich die richtigen Menschen zur richtigen Zeit finden, um das Richtige richtig zu machen. Dann sagte er noch einen Satz, den wir in Deutschland öfters hören möchten: „Stifter sein heißt auch neugierig sein, auf Innovationen. Mit Innovationen sich vertraut zu machen bedeutet, die Welt verändern zu können.“ Bähmm, das saß, und noch einmal brandete richtig Beifall auf. Wir lernen: Ein Stifter ist nicht automatisch eine Stifterpersönlichkeit, Martin Essl jedoch ist beides – und hat den Stifterpreis vollkommen zurecht bekommen.
16:10 Uhr:
Apropos Innovationen. Mario Simandl vom Softwarehaus profound hatte im Anschluss noch 30 Minuten Zeit, um Stiftungen das Thema KI näher zu bringen. Seine Ausführungen waren einmal geprägt von einer Definition, was KI eigentlich im Kern ist, und dann auch davon zu zeigen, wie Stiftungen KI in ihre tägliche Stiftungspraxis einfließen lassen können. Wir nehmen mit, dass Mario Simandl und sein Team hier sehr weit sind, im Vermitteln von KI-generierten Mehrwerten für Stiftungen, dass es auf Stiftungsseite aber eben auch noch weit mehr Offenheit braucht, die sich bietenden Chancen zu erkennen und zu nutzen. Einige Stiftungsverantwortliche verließen den Raum vorzeitig, nicht weil sie es nicht interessierte, sondern weil sie (wie wir sie tuscheln hörten) noch zu einem Termin müssten. Wir beobachteten aber auch: Martin Essl blieb sitzen.
17:15 Uhr:
Ein kurzer Plausch noch mit Günther Lutschinger, dem Chef von Gemeinnützig stiften, und Reinhard Heiserer von Jugend eine Welt, der jüngst mit dem „Fundraiser of the year“-Award ausgezeichnet wurde. Wir gratulieren beiden Herren herzlichst, Günther Lutschinger hat wieder einen tollen wie lebendigen Tag auf die Beine gestellt, Reinhard Heiserer ist einfach eine wucht Heiserer ist einfach eine Wucht, was er mit seiner Organisation bewegt. War toll, mit Euch am Tag des Cafés noch einen Cappuccino zu trinken, bevor es wieder zum Zug ging.
Zusammengefasst
Wieder mal eine sehr lohnende Reise, die wir da gemacht haben nach Wien. Die Jahrestagung von Gemeinnützig stiften gehört für uns zum Pflichtrepertoire, wir sind immer wieder gerne vor Ort und danken dem Team von Gemeinnützig stiften für den inspirierenden Tag. Besonders die Worte von Martin Essl hallen sicher noch nach. Wir kommen natürlich wieder, der 1. Oktober ist nächstes Jahr ein Donnerstag, das werden wir schaffen.











