Die Corona-Krise bzw. der Corona-Crash an den Kapitalmärkten haben Stiftungen wieder einmal vor Augen geführt, wie wichtig es ist, das Stiftungsvermögen auf mehr als die Säulen Anleihen und Aktien zu stützen. Die ganz alten Stiftungen unter ihnen wissen das. Umso spannender ist es, sich jetzt mit Immobilienexperten zu unterhalten und ihnen Aussagen dahingehend zu entlocken, welche Immobilie es denn nun zuerst ins Stiftungsdepot schaffen sollte. Mit Silke Harms von Patrizia GrundInvest konnten wir exakt zu diesen Punkten sprechen.
PODCAST
„Gewohnt werden muss immer“
Beim Immobilieninvestment einer Stiftung gibt es sicherlich mehrere Hürden zu überwinden. Einmal kann nicht jede Stiftung jede Form des Immobilieninvestments wählen, denn für kleinere und mittelgroße Stiftungen bieten sich Immobilienfonds eher an als Club-Deals oder ganze Liegenschaften, diese dürften den ganz großen Stiftungen vorbehalten sein. Nähere ich mich also meinem Immobilieninvestment, kommt mir dann auch die Asset Allocation „in die Quere“, denn ein Immobilieninvestment muss dort eingepasst werden. Studien zeigen, dass Stiftungen mit Immobilienquoten zwischen 15 und 30% gut bis sehr gut gefahren sind, entsprechend wurde dort weniger in Anleihen und Aktien investiert. Die klassische Regel, nach der jeweils zu einem Drittel in Aktien, Anleihen und Immobilien investiert werden sollte, lässt sich bei vielen älteren Stiftungen finden. Ist die Quote festgelegt, braucht es eine entsprechende Berücksichtigung in der Anlagerichtlinie, und dann auch ein Kriterienraster, nach dem ich mein Immobilieninvestment aussuche. Für Stiftungen kann es hier sinnvoll sein zu überlegen, welche Immobilien am resilientesten gegenüber Krisen wie der Corona-Krise sind, und zu diesen Immobilien dann die geeignetsten Vehikel, sprich: Fonds, aussuchen.
Immer noch dürfte für eine Mehrzahl der deutschen Stiftungen die Übersetzung einer Immobilienquote über Fonds am besten funktionieren. Die früheren offenen Immobilienfonds heißen heute Spezial-AIF, sind eigentlich auch etwas ganz anderes, ermöglichen es aber, niedrigschwellig, das heißt mit kleineren Beträgen, in Immobilien zu investieren. Haben Stiftungen diesen Parcours hinter sich gebracht, steht dem Aufbau einer Immobilienquote im Stiftungsvermögen eigentlich nichts im Wege. Mit Silke Harms, Ansprechpartnerin für Stiftungen und andere gemeinnützige Anleger bei Patrizia GrundInvest, haben wir zu diesen Punkten noch einmal vertiefend gesprochen.
DER BLICK IN DIE HISTORIE
Zur Frage, ob Immobilien grundsätzlich ins Stiftungsvermögen gehören, weiß Silke Harms die Historie zu bemühen: „Immobilien waren und sind seit Jahrhunderten eine bevorzugte Form des Stiftungsvermögens und passen alleine auf Grund des langfristigen Anlagehorizonts gut zusammen. Historisch war Grund und Boden die sicherste und vor allem generationenübergreifende Vermögensform schlechthin. Nicht zuletzt wurde hier praktisch nie konfiskatorisch durch den Staat zugegriffen. Während nach Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918 zahlreiche Stiftungen daran zugrunde gingen, dass ihre Wertpapiere wertlos wurden (Stiftungen wurden gezwungen, zur Finanzierung des Krieges Kriegsanleihen zu zeichnen, deren Zahlungsversprechen sich nach dem Krieg als wertlos herausstellten; Anm.d.Red.), waren Immobilien wertbeständig und sicherten ihren Eigentümern das Überleben.“
IM PORTFOFLIO LIEGT VIEL WAHRHEIT
Zum Punkt der Asset Allocation ergänzt Silke Harms: „Grundsätzlich helfen unterschiedliche Anlageklassen ein Portfolio bezüglich eines bestmöglichen Risiko-Rendite-Profils zu optimieren und so sollten allein aus diesem Grund Immobilienanlagen mit in ein Stiftungsportfolio gehören. Zudem punkten langfristig orientierte Immobilienanlagen insbesondere mit ihren klassischen Eigenschaften wie Einkommensstabilität und Werthaltigkeit. Ein weiterer positiver Effekt, der sich gerade auch aktuell zeigt, ist die Korrelation. Hierbei muss man berücksichtigen, dass es Anlageklassen gibt, die miteinander korrelieren, das heißt, es existieren Anlageklassen, welche die gleichen Reaktionen auf ein bestimmtes Ereignis zeigen. Darüber hinaus gibt es aber auch Anlageklassen, die bei dem gleichen Ereignis völlig anders, oder gar nicht reagieren.“
KORRELATION SPIELT STIFTUNGEN UND IHRER ANLAGE-DNA IN DIE KARTEN
Dass die Korrelation zwischen Aktien und Immobilien Stiftungen in die Karten spielt, speziell so sie ihren Langfrist-Anlagehorizont in die Waagschale werfen, das ist für Silke Harms ein starkes Argument pro Immobilie: „Die Korrelation für den S&P 500-Index – mit den wertvollsten amerikanischen Unternehmen – und dem MSCI Europa, der sich aus den bedeutendsten europäischen Unternehmen zusammensetzt, ist mit 0,81 zum Beispiel sehr hoch. Somit ist die Chance sehr groß, dass sich bei einer positiven Entwicklung des US-Aktienmarktes auch die europäischen Aktienmärkte positiv entwickeln werden und umgekehrt, wie aktuell. Die Korrelation von diesen beiden Aktienindizes und Immobilien ist mit je 0,11 dagegen kaum vorhanden, dies bedeutet eine weitestgehend unabhängige Wertentwicklung voneinander. Hochzins-Anleihen und Immobilien haben beispielsweise eine Korrelation von -0,79, d.h. die Entwicklung ist eher gegenläufig, steigt die eine Anlageklasse so fällt die andere und umgekehrt. Somit eignen sich Immobilieninvestitionen ideal als Ergänzung zu anderen Anlageklassen, sie verstetigen die Erträge und vermindern das Risiko in einem Portfolio.“
DIE WOHNIMMOBILIE ALS ERSTE ALTERNATIVE AUS STIFTUNGSSICHT
Zur Art der Immobilie, die zuallererst in ein Stiftungsvermögen gehören dürfte, sagt Silke Harms einen Satz, der sitzt: „Gewohnt werden muss immer. “ Und führt dazu aus: „Der Wohnimmobilienmarkt zeichnet sich durch eine Vielzahl von Mietern und entsprechend kleinteiligen diversifizierten Einnahmen aus, was zu einer entsprechenden Risikostreuung und entsprechender Einkommensstabilität führt. Zudem ist die Nachfrage nach Wohnraum in den Städten nach wie vor hoch und die Bautätigkeit zur Abdeckung nicht ausreichend. Aus diesem Grund ist m.E. auch nicht mit einem Rückgang des Mietniveaus zu rechnen, welchen es übrigens auch in der vergangenen Wirtschaftskrise nicht gegeben hat, lediglich das Mietsteigerungspotential dürfte sich temporär verringern. Aktuell sind Wohnimmobilien von der Krise nur in geringem Maße in Form von avisierten oder tatsächlichen kurzfristigen Mietstundungen betroffen.
ZWEI STUDIEN ZUR WOHNIMMOBILIE VOR DEM HINTERGRUND DER CORONA-KRISE
Silke Harms schenkt zudem zwei aktuellen Studien ihre Aufmerksamkeit, und liest hier zweierlei heraus: „Das Institut der Deutschen Wirtschaft erwartet in einem Gutachten vom 19.04.2020 „… dass der Wohnimmobilienmarkt relativ gut durch die aktuelle Krise kommt. Zwar steigt die Unsicherheit an, was den Markt ebenso belastet wie ausbleibende Mietsteigerungen, aber weiter fallende langfristige Zinsen können den Markt stabilisiere…“. Laut DAVE (Deutscher Anlage-Immobilien Verbund) werden Immobilien mittel- bis langfristig aufgrund der Corona-Krise punkten. Der Sachverständigenrat hat in einem Sondergutachten als realistisches Szenario angenommen, das bereits im dritten Quartal dieses Jahres wieder ein Wachstum erwartet wird und im kommenden Jahr sogar ein sehr ausgeprägtes, dabei sehen sie „Wohnen“ als Krisengewinner.”
LAST BUT NOT LEAST EINE WORST CASE EINSCHÄTZUNG ZU DEN CORONA-EFFEKTEN
Schließlich lässt sich auf Basis dessen, was wir bisher zur Krise wissen, auch bereits etwas für die Zukunft ableiten. Für Silke Harms stellt sich das Bild worst case post-Corona derzeit wie folgt dar: „Sollte sich der Lockdown über einen längeren Zeitraum als erwartet erstrecken, könnten die zukünftigen Mietpreiserwartungen länger vermindert werden, da ausgehend von möglichen Insolvenzen und vermehrter Arbeitslosigkeit den Haushalten insgesamt weniger Einkommen zur Verfügung stünden. Dies könnte sich dann tendenziell auch auf die Kaufpreise auswirken und je nachdem wie lange die Krise mit den Einschränkungen und den daraus resultierenden Auswirkungen bestehen bleiben, zu einem temporären Rückgang bei den Wohnungspreisen führen.“
ZUSAMMENGEFASST
Es bleibt festzuhalten, dass das, was vor der Corona-Krise für das Stiftungsvermögen galt, nach der Corona-Krise nicht weniger Gültigkeit hat, insbesondere das Stiftungsvermögen betreffend. Da Stiftungen zudem dem Diversifikationsgebot Genüge tun müssen, gilt es heute erst recht, das Stiftungsvermögen auch in Richtung der Immobilie zu diversifizieren. Nicht umsonst gibt es auch einen Arbeitskreis Immobilien beim Bundesverband Deutscher Stiftungen. Dass die Wohnimmobilie sich womöglich als die langfristig resilienteste Immobilienform herausstellt und sie Vorzüge gegenüber den anderen Nutzungsarten hat, dafür gibt es gerade jetzt erste Anzeichen. Verdichten sich diese, gibt es noch einen Grund mehr für Stiftungen, über Immobilien als fixen Bestandteil des Stiftungsvermögens nachzudenken.
HINWEIS
In der 2020er FondsFibel für Stiftungen & NPOs wurde eine Fondslösung der Patrizia GrundInvest in der Rubrik „NEU AM MARKT“ vorgestellt, weitere Hintergrundinformationen sind für Stiftungen hier hinterlegt: www.patrizia-immobilienfonds.de