Ob die Business Jugdement Rule ins Stiftungsrecht gehört oder nicht, darüber hatte ich offen gesprochen noch nie nachgedacht. Mein Denken an dieser Stelle war entsprechend unfertig, nehme ich den Vortrag von Prof. Karlheinz Muscheler beim diesjährigen Stiftungsrechtstag in Bochum an der dortigen Ruhr-Universität zum Maßstab. Der Stiftungsrechtsexperte vertrat hier eine klare Auffassung, selbstredend mit guten Argumenten. Unser Rückblick auf den Stiftungsrechtstag in Bochum.
Bochum präsentierte sich am Morgen des 14.2.2025 in winterlichem Grauweiß. Vom Hauptbahnhof in Bochum sind es gut 10 Minuten mit der U35, Ausstieg ist direkt die Haltestelle Ruhr Universität. Deren Gebäude sollen Kreuzfahrtschiffe symbolisieren, die angedockt haben, damit Studenten diese entern und die Ozeane des Wissens damit erobern. Es sind Gebäude, die erst einmal dunkel und grau daherkommen, im Morgengrauen n bisschen wie die Kulisse aus dem Filmklassiker Aliens – Die Rückkehr. Der Fußweg, vorbei unter anderem am Audimax, führt zum modernen Veranstaltungszentrum im hinteren Bereich des Komplexes, wo ein kleines Schild bescheiden auf eine Veranstaltung hinweist, die es fachlich einmal mehr in sich hatte: den Bochumer Stiftungsrechtstag. Auch in diesem Jahr habe ich wieder ein paar Anstöße mitgenommen für das eigene Denken rund um stiftungsrechtliche Zusammenhänge und Grundlagen. Ich kann entsprechend nur ein dickes DANKESCHÖN an Prof. Katharina Uffmann und ihr Team vom Lehrstuhl für Bürgerliches Recht richten.
Der Stiftungsrechtstag in Bochum 2025 hielt abermals ein dichtes Programm bereit
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Die Österreichische Privatstiftung mit interessanten Funktionen
Bochumer Stiftungsrechtstag heißt stets, dass Fachvorträge zum festen Bestandteil des Programms gehören – und das ist auch gut so. Zunächst referierte Prof. Dr. Susanne Kalss von der Wirtschaftsuniversität Wien zum Themenkomplex Privatstiftung und hatte herzu einige wertvolle Denkanstöße im Gepäck. In ihren Ausführungen wies Prof. Kalss darauf hin, dass die Österreichische Privatstiftung ein eigenes System der Unternehmensnachfolge bietet, in dem Vermögensrechte und Herrschaftsrechte getrennt weitergegeben werden können. Dabei übe die Österreichische Privatstiftung unter anderem eine Haltefunktion aus, für Kapitalstrukturen, die ein Unternehmen prägen, quasi als starre Klammer um ein Unternehmen und Familienbeteiligungen.
Wer kennt den familiären Kontext rund um ein Familienunternehmen am besten?
Die Idee ist einleuchtend: Die Unternehmen sollen darüber in ihrem Gesamtbestand erhalten werden. Die Privatstiftung übt damit zudem eine Übergabefunktion aus, indem sie quasi als Mediator für innerfamiliäre Angelegenheiten fungiert. Denn sie kennt die Strukturen in Familien am besten, kann verschiedenartige Interessen ggf. einordnen und sortieren. Was ich wichtig fand war der Gedanke, dass wenn wir alle in marktwirtschaftlichen Kontexten denken und handeln, dass dann Instrumente mit Ausstattungsmerkmalen wie die Privatstiftung eine wichtige Rolle spielen – im Erhalt des Kapitalstocks eines Landes. Der Antrieb hier ist, wie es Prof. Kalss schildert, der Erhalt des Unternehmens als Einheit, die durch Teilung (was auch immer zu dieser Teilung führt) in jedem Fall schwächer sind als wenn dies nicht geschehe.
Im Veranstaltungszentrum der Ruhr Universität in Bochum findet der Stiftungsrechts Bochum immer im Februar eines Jahres statt.
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Stiftungspraxis wider der Versteinerung
Was ich zudem spannend fand war, dass es in Österreich den Begriff der Versteinerung gibt, dass es in einer Privatstiftung Mechanismen geben muss, dieser vorzubeugen. Der Anstoß von Prof. Kalss hier: Macht Euch Gedanken, ob jede Struktur immer so bleiben muss, ob immer die gleichen Menschen in Funktionen bleiben müssen. Denn versteinerte Institutionen verwirken ihre Relevanz in Wirtschaft und Gesellschaft, verlieren darüber dann auch schleichend ihre wirtschaftliche Kraft. Stiftungen nur zum Schutz von Kapitalstöcken zu errichten, das greife zu kurz, es müssten auch Mechanismen geschaffen werden, den Kapitalstock kontinuierlich zu entwickeln. Es war ein Appell an alle Besitzstandswahrer, auch in hiesigen Stiftungsgremien darüber nachzudenken, ob Burgen bauen noch in die Zeit passt.
Gehört die Business Judgement Rule ins Stiftungsrecht?
Eine andere Frage brachte dann im Anschluss Prof. Karlheinz Muscheler auf. Die (ich nenne ihn jetzt mal so) Stiftungsrechtsikone warf in seinem Vortrag über die Haftung von Stiftungsorganen die Frage auf, ob die Business Judgement Rule ins Stiftungsrecht gehöre. Er hatte die Antwort auch gleich parat: Nein, gehört sie nicht. Die Business Judgement Rule sei ein Konzept aus dem Aktienrecht, entwickelt für Unternehmen mit Strukturen, in denen haftungssicheres Handeln und Entscheiden notwendig seien für das unternehmerische Fortkommen.
In Stiftungen, wo zu drei Vierteln Ehrenamtliche sitze und Entscheidungen treffen, kann zum Wohle der Stiftung (abgeleitet vom Wohle des Unternehmens) kein anwendungsgerechter Maßstab sein. Es passe nicht, kleinen Einheiten, die von Menschen aus freien Stücken herausgeführt und mit Leben gefüllt werden, einen unternehmerischen Haftungsmaßstab „aufzudrücken“. Zu entscheiden wie ein ordentlicher Geschäftsführer, das sei von Ehrenamtlichen schlicht nicht zu verlangen. Das saß, muss ich sagen, denn ich war bislang ein Verfechter der Business Judgement Rule, die – liest man das Gesetz nach der Stiftungsrechtsreform genau – nur ganz wenige Bereiche tangieren dürfte. So nannte Prof. Muscheler den Bereich des Stiftungsvermögens, der benannt wurde mit Bezug zur Anwendung der Business Judgement Rule.
Lesetipp:
Unsere Umfrage zum Thema Compliance in Stiftungen, lesen Sie, was 6 Stiftungsrechtsexperten hierzu zu Papier gebracht haben.
Business Judgement Rule in der Stiftungspraxis
Nun, ich bin kein Jurist und immer dankbar für deren Einschätzung stiftungsrechtlicher Zusammenhänge. Für mich war die Business Judgement Rule eine richtige und wichtige Anpassung täglicher Stiftungspraxis an den neuen zeitlichen Rahmenbedingungen – und wird es auch bleiben. Mir ist die Argumentation von Prof. Muscheler eingehend, jedoch bin ich davon überzeugt, dass sie für das Managen des Stiftungsvermögens unabdingbar ist. Denn zu oft werden zu schlechte Entscheidungen für das Stiftungsvermögen getroffen, zu selten haben sich Stiftungen ein Anlagekonzept „verpasst“, mit dem sie den Raum der Möglichkeiten für das Verwirklichen des Stiftungszwecks maximieren können. Andere Anleger mit Verantwortung (etwa Pensionskassen, Versorgungswerke) würden nie so anlegen wie es immer noch viele Stiftungen tun.
Zum Wohle der Stiftung ist ein Maßstab, der funktionieren kann
Zu entscheiden unter völliger Unsicherheit, zu entscheiden aus Unwissenheit heraus, zu entscheiden auf Basis etwa der verhaltens-theoretischen/-ökonomischen „Overconfidence“ (es also besser zu wissen als andere und daraus vermeintlich sichere Entscheidungen abzuleiten) hat genau dazu geführt, dass in vielen Stiftungen nicht ein Gramm Speck am Knochen ist, dass also die Stiftungs-immanente Finanzkraft darin besteht, froh zu sein, dass es wieder Zinsen gibt. Das kann und ist nicht zum Wohle der Stiftung, und vor allem ist es nicht zum Wohle des Stiftungszweck, um dessen Verwirklichung herum die Stiftung ja einst errichtet worden war. Für mich ist die Business Judgement Rule ein Konzept, das Stiftungsvermögen entwickelt, professionalisiert und resilienter macht. Aber Prof. Muscheler hat natürlich einen Punkt mit Bezug auf die Struktur der deutschen Stiftungslandschaft, wobei die Strukturverschiebung weg von der Kleinststiftung hin zu mehr richtig handlungsfähigen Einheiten ja auch bereits begonnen hat.
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Zusammengefasst
Der Stiftungsrechtstag in Bochum bot wieder das, was ich mir erwartet hatte. Vorträge und inhaltliche Impulse auf hohem Niveau und auf der Höhe der Zeit, Prof. Katharina Uffmann und ihr Team haben hier wieder sehr viel Energie reingesteckt, ein starkes Programm zusammenzustellen. Und, das ist ihnen auch gelungen. Speziell die Ausführungen von Prof. Muscheler nehme ich als Denkanstoß mit, hier den Austausch mit Juristen zu suchen, wie sie das sehen, wie sie es beurteilen, ob die Business Judgement Rule ihren Plätz in der täglichen Stiftungspraxis haben sollte oder nicht. Persönlich bin ich vom Nutzen dieser Praxis überzeugt, ich glaube, dass die Business Judgement Rule jede Stiftung im Management des Stiftungsvermögens besser machen kann bzw. jene, die sie anwenden, besser machen wird. Darüber beim Stiftungsrechtstag in Bochum anno 2026 zu diskutieren – es wird mir eine Freude sein.