Einfach mal die 100-Jahres-Brille aufsetzen

Nachlese zum #VTFDS2020: Die Expertenrunde zur Kapitalanlage in Post-Corona-Zeiten sah die Situation gelassen

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Nachlese zum VTFDS2020 - Träg, Degen, Gatzweiler
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Was muss sich in der Verwaltung des Stiftungsvermögens nach einer Pandemie ändern? Eigentlich nichts, was nicht schon vorher eine gute Idee gewesen wäre. Zu diesem Ergebnis kam eine Diskussionsrunde aus Dr. Christoph Degen (proFonds), Immo Gatzweiler (AXA Investment Managers) und Petra Träg (SOS Kinderdorf-Stiftung).

DIE SICHT DER STIFTUNGSMANAGERIN

Petra Träg
Geschäftsführerin der SOS-Kinderdorf Stiftung, München

Schon seit der Finanzkrise ist alles anders. Und auch die Pandemie hat gezeigt: Es muss breit gestreut werden und es muss global gestreut werden, weil die Welt global funktioniert. Es gab Gewinner und Verlierer der Krise. Wenn ich gut gestreut habe, bin ich überall mit dabei. Wenn eine Unternehmung Pleite geht, ist es egal, in welcher Anlageklasse. Entscheidend ist die Qualität. Jedes Investment muss ein gutes, tragfähiges Geschäftsmodell haben.

Auf ewig angelegte Stiftungen können die 100-Jahres-Brille aufsetzen, um zu schauen, was ihre Risiken sind. Dieser Blick ergibt, dass Stiftungen, die gut gestreut haben, selbst beim Börsencrash von 1929 nach 15 Jahren aus der Krise herausgekommen sind. Und zwar mit Kapital, mit dem sie etwas anfangen konnten. Selbst in der großen Krise von 1929 bis 1933 haben die meisten Unternehmen nur ein Jahr mit der Dividendenzahlung ausgesetzt. Jede Volkswirtschaft wird nur aus der Krise herauskommen, wenn sie irgendwas herstellt, was sie verkauft. Deswegen führt an der Aktie kein Weg vorbei.

Wir befinden uns in der Diskussion mit der Stiftungsaufsicht, was sicher und ertragreich und was langfristig heißt. Auch die Behörden sehen, wie Anleihen fällig werden und wie die Situation für die Wiederanlage ist. Sie gehen mit, dass man an der Aktie nicht vorbeikommt. Auch Aufsichten, die bislang restriktiv waren, bewegen sich.

Einige Stiftungsvorstände haben die Erfahrung gemacht, dass sie ausgerechnet jetzt in Aktien gegangen sind und dann die Kurse fielen. Wir versuchen daher auch zu vermitteln, wie Aktien funktionieren. Es empfiehlt sich, jemanden mit Anlageexpertise in das Gremium zu holen, sich aber auch selbst solche Kenntnisse anzueignen.

Laut einer Studie der Zentralbank Fed sind nach einer Epidemie die Zinsen noch 20 bis 40 Jahre später niedriger als sie es sonst gewesen wären. Es gibt daher Handlungszwang, weil nicht zu erwarten ist, dass die Zinsen für Bundesanleihen wiederkommen.

DIE EMPFEHLUNGEN DES ANLAGEEXPERTEN

Immo Gatzweiler
Director Sales Germany, AXA Investment Managers, Frankfurt (Main)

Stiftungsvorstände sind deshalb konservativ in der Anlagepolitik, damit sie sich nicht vorwerfen lassen müssen, sie hätten mit dem Geld spekuliert. Da neigt man dazu, sich auf die vermeintlich konservative Seite zu begeben. Dann kann man sagen: „Ich bin dem Stiftungsauftrag nachgekommen, weil ich sehr sicher angelegt habe.“ Brechen die Erträge weg, können Sie fundraisen, aber es gibt mit Sicherheit eine große Anzahl von Stiftungen, die diese Möglichkeit nicht haben.

Kalkulierbare Erträge wird man weiterhin mit Qualitätsaktien bekommen. Es gibt auch nicht nur die Anleihe. Die Spreizung ist fast größer als im Aktienbereich, das Spektrum reicht von Minusverzinsung bis zu zweistelligen Renditen.

Kleinen Stiftungen rate ich, zunächst zu schauen, wer ein breit gemischtes Portfolio anbietet, das meiner Renditeerwartung und Risikotragfähigkeit entspricht. Schauen Sie wie die Historie war, ziehen Sie Ratings hinzu, achten Sie neben den Ausschüttungen auch auf die Kostenstruktur. Suchen Sie ein paar Fonds raus und lassen Sie die gegeneinander laufen. Streuen Sie auch noch über zwei oder drei Verwalter. Im Millionenbereich ist dann oft ein Finanzfachmann an Bord. Dieser wählt für jedes Segment den Manager mit der größten Expertise. Man kann eben selbst nicht für alles Experte sein.

Überlegen Sie sich auch, mit wieviel Schwankungen Sie leben können. Oft ist dies ist am Ende nur die Hälfte von dem, was man sich in guten Zeiten zugesteht. Wenn jemand also 10% sagt, sollten Sie das Portfolio so strukturieren, dass es nicht über 5, maximal 7% Schwankungen kommt. Es ist auch ein guter Weg, sich stückweise in schwankungsintensive Segmente hinein zu tasten. Es hilft nichts, wenn 50% Aktien eigentlich zielführend sind, man es aber nicht aushalten kann.

DIE FORDERUNGEN DES VERBANDSMANAGERS UND FACHJURISTEN

Dr. Christoph Degen
Geschäftsführer von proFonds, Basel

In ein Stiftungsvermögen gehört das rein, was schon vor Corona dort reingehörte. Stiftungen müssen seit Jahren ihr Vermögen breit diversifiziert anlegen. Anleihen kaufen und jedes Jahr den Zins einstreichen, das geht schon seit längerer Zeit nicht mehr. Viele Stiftungsräte fürchten die Volatilität der Aktie. Mit einem langen Anlagehorizont ist Volatilität aber kein Risiko.

Wenn das Know-how in den Stiftungsgremien vorhanden ist, kann man das Vermögen ruhig selbst verwalten. Wer das Know-how nicht hat, muss sich professionell beraten lassen. Diese Fachperson müssen Sie aber auch überwachen und bei Bedarf eingreifen.

Wählen Sie eine Anlagestrategie, die man auch in Krisenzeiten durchhalten kann. In einer Krise sollte man nicht umschichten müssen, weil sonst der Wiederaufschwung verpasst wird.

Mangels gesetzlicher Regelungen können sich Stiftungen an den Prudent Investor Rules orientieren, wie sie für Vermögen aus der betrieblichen Altersvorsorge gelten. Diese erfordert Sicherheit, qualitativ einwandfreie Investments, Diversifikation, marktkonforme Rendite und angemessene Liquidität. Das heißt, ich muss in Sachwerte gehen, weil ich sonst zu wenig den Stiftungszweck erfüllen kann und damit auch liquider bin. Ich habe beobachtet, wie Stiftungen in Hochrisiko-Anlagen gehen, weil sie dort einen höheren Zins bekommen. Das verstößt aber gegen das Gebot der Sicherheit. Es wäre besser, sie gingen in erstklassige Aktien.

Wer gar nichts machen will, sollte sich überlegen, ob er die Stiftung in eine Verbrauchsstiftung umwandelt. Dann haben Sie ein 20-jähriges Feuerwerk, was ja auch ganz schön ist.

ZUSAMMENGEFASST

Diversifikation war schon vor der Corona-Krise eine gute Idee, nun ist sie wichtiger denn je. Auf Jahrzehnte betrachtet, lässt sich damit jede Krise aushalten. Wer selbst das Agieren am Kapitalmarkt scheut, sollte externe Fachleute hinzuziehen und sich langsam an eine höhere Risikotragfähigkeit herantasten.