Viele Informationen und das no-show-Problem

Ein persönliches Resümee zum Stiftungstag in Berlin.

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Stiftungstag 2023 - Fazit
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Hildegard Knef sang einst von ihrem Koffer in Berlin, die Besucher des Deutschen Stiftungstages hingegen nahmen einen Koffer randvoll mit Informationen aus Berlin mit nach Hause. Durch zahlreiche dezentrale Veranstaltungen war es unumgänglich, sich auf die interessantesten Angebote des eigenen Interessenkosmos – hier die Vermögensanlage von Stiftungen – zu konzentrieren. Das schmälerte den Erkenntnisgewinn keineswegs, denn noch mehr Informationen in gegebener Zeit aufzunehmen dürfte nur schwerlich möglich sein.

Überaus interessantes und relevantes Programm

Zu den besten Eigenschaften des Stiftungstages zählt die hohe Praxisrelevanz, die während der Vorträge oder spätestens in den Diskussionen zutage tritt. Ein gutes Beispiel dazu gab die Veranstaltung am Mittwoch in der Repräsentanz (und dieses Wort hat eingedenk der großzügigen Räumlichkeiten jede Berechtigung) der Robert-Bosch-Stiftung in der nicht minder repräsentativen Französischen Straße in Berlin ab. Es ging um die Reform des Stiftungsrechts. Was haben wir mitgenommen? Zunächst, dass die Novellierung der entsprechenden Paragraphen im BGB bei weitem nicht für eindeutige Klarheit sorgen, sondern die Gerichte in vielen Fragen mit ihrer Auslegung erst die Antworten definieren werden. Während mehrerer Diskussionsbeiträge wurde zudem deutlich, dass die Stiftungsrechtsreform zwar wichtig und in zahlreichen Teilen auch richtig umgesetzt wird, aber nicht nur Prof. Sebastian Unger (Ruhr Universität Bochum) bemängelte das Fehlen eines erheblichen Quäntchens Ambition beim Gesetzgeber.

Prof. Gregor Roth (Universität Leipzig) machte deutlich, dass sich Stiftungen sehr genau klar werden müssen, welche Vermögenspositionen welchen Vermögensarten zugeordnet werden müssen, etwa, wie Zustiftungen oder Umwidmungen sonstigen Vermögens gehandhabt werden sollten. Wichtig für Stiftungsverantwortliche: Die gesetzliche Formulierung, das Grundstockvermögen „ungeschmälert“ zu erhalten, bedinge ein Vermögensverwaltungs- und ein Vermögenserhaltungskonzept. Die genaue Ausgestaltung des Erhalts wird vom Gesetz nicht vorgegeben: „real, nominal, gegenständlich – das werde wohl je nach Stiftung individuell auszulegen sein, so Roth. Es liegt also einiges an Arbeit vor den Gremien, zumal Dr. Katharina Gollan (Poellath) ausführte, dass vor dem Hintergrund von Governance- und Haftungsanforderungen klare und eindeutige Regelungen in den Satzungen der Stiftungen unabdingbar seien. Die Einführung einer Business Judgement Rule sei positiv zu werten, niemand möge aber die Anforderungen an Informationstiefe und Dokumentation unterschätzen.

Finale Auslegung erst vor Gericht zu erwarten

Die Fragerunde legte offen, dass viele Details wohl tatsächlich erst vor Gericht klargestellt werden können. Die konkrete Frage von Frank Wettlaufer zur praktischen Umsetzung, wie ein Kursgewinn eines thesaurierenden Fonds als Umschichtungserlös gehoben werden kann, wurde von den Referenten nicht abschließend beantwortet, da sich auch die notwendigen bilanziellen Begleitbuchungen erst noch klar herausbilden müssen. Auf allgemeines Unverständnis stieß die Tatsache, dass jedes Bundesland tatsächlich ein eigenes Landesstiftungsgesetz formuliert, teils als Fortschreibung, teil als Neuentwurf. Und auch die Gefahr, dass die Aufsicht sich mehr und mehr zurückzieht, gemutmaßt wurde (auch) wegen Personalmangels, und damit unter anderem in der positiven Rolle als Anlaufstelle auszufallen droht, fand keine Zustimmung. Schlussendlich gebe es Überlegungen des Gesetzgebers, die Abgabenordnung zu überarbeiten, was die Rahmenbedingungen bei der Gemeinnützigkeit ändern könnte.

Wie viel Risikoaversion können sich Stiftungen leisten

Bei der Veranstaltung der Allianz Pension Consult in der Dependance am Pariser Platz ging es um das Level der Risikoaversion, die Stiftungen sich heutzutage noch leisten sollen oder leisten können. Dr. Reinhardt Berndt (BDO) stellte in seiner Rolle als Wirtschaftsprüfer grundsätzlich klar: „Risiko ist immer vorhanden.“ Stiftungen können so gesehen Risiken gar nicht vermeiden, „aber sie müssen sich mit ihnen befassen, erkennen und adressieren.“ Risiken lauern dabei nicht nur in der Vermögensanlage, sondern auch in den Bereichen Steuer und Personal sowie in umfassenden Kostenrisiken sowie operativen Herausforderungen. Wir erinnern uns an die vorherige Veranstaltung mit der Forderung nach einem Vermögensverwaltungs- und einem Erhaltungskonzept. Berndt forderte ein Risikomanagementkonzept für Stiftungen. Spätestens an diesem Punkt war klar: Es gibt richtig viel zu tun für die Verantwortlichen.

Alternative Anlagen rücken in den Blick

Beim Thema Risiko komme es stark auf die Dosierung an, befand Dr. Markus Faulhaber (Allianz Pension Consult): „Wer zu wenig Risiko eingeht fliegt aus dem Markt, wer zu viel Risiko nimmt geht Pleite“ lautete seine Einschätzung. Übersetzt in den Stiftungsbereich: Zu wenig Risiko bedeutet Einstellung des Stiftungszweckes, zu viel den Verlust des Stiftungskapitals. Den versammelten Stiftungsvertretern machte er ganz klar deutlich: „Alte Regeln gelten nicht mehr.“ Jeder habe sehen können, dass selbst Bonds nicht mehr sicher sind. Faulhaber warb für einen neuen mind-set: „Transformation, das heißt für uns vor allem Investitionsmöglichkeiten.“

Und die seien keineswegs auf Aktien und Anleihen beschränkt, sondern sollten, und hier betonte Faulhaber ausdrücklich die Eignung für Stiftungen, auch Alternatives. Denn das Zauberwort lautet Diversifikation. Infrastructure Debt, Private Debt, Renewables, Infrastructure Equity, Private Equity oder auch der Dachfondds African Growth umfasste seine lange Vorschlagsliste. Man konnte fast sehen wie die Stiftungsvertreter die Ohren spitzten, als Faulhaber referierte, mit diesem Mix selbst im schwierigen Jahr 2022 ein klares Plus eingefahren zu haben. Das liegt an der Illiquiditäts- sowie der Komplexitätsprämie, die Experten wie Allianz Pension Consult vereinnahmen – denn als Direktinvestment werden zumeist umfängliche Tickets nicht selten im dreistelligen Millionenbereich aufgerufen. Für Stiftungen sind diese Assetklassen dennoch gut zu investieren, da mittlerweile eine ganze Reihe Fonds mit akzeptablen Mindestinvests verfügbar sind.

Nachhaltigkeit: Metzler zeigt die Fallstricke auf

Neben der absolut unstrittigen, dringlichen Empfehlung zur Diversifikation in der Grundstockanlage gilt die Berücksichtigung von ESG-Kriterien als weiterer Grundpfeiler in der Vermögensverwaltung von Stiftungen. Dabei gilt es jedoch eine Reihe von Fallstricken zu beachten, erläuterten Daniel Sailer, Head of Sustainable Investment Office, und Philip Schätzle, Geschäftsführer, während eines Business Lunches. Denn: Bis sich ein Windrad dreht sind viele Transportwege zurückzulegen, das Endprodukt besteht zu 75% aus Zement und zu 23% aus Stahl und Aluminium. Und ganz grundsätzlich bedürfe die Energiewende, Stichwort Elektromobilität, Photovoltaik, Speichertechnologien, zahlreicher Metalle und weitere zum Teil knappe Rohstoffe. Bedeutet: Ohne Bergbauunternehmen kommt die Wende kaum voran. Aber wie soll eine Stiftung darauf reagieren? Sailer und Schätzle stellten verschiedene Taxonomien vor, mit der Gesamtportfolios hinsichtlich der ESG-Qualität bewertet werden können, zum Beispiel die sogenannte Portfolio-Temperatur oder der CO2-Ausstoß pro Umsatzeinheit.

Die Metzler-Experten mahnten, das „S“ und das „G“ in ESG nicht zu vernachlässigen und legten dazu interessante Statistiken aus dem US-Bankenbereich vor. Dort seien die Anforderungen an die Qualifikation der Executives spürbar geringer, was zu einer hohen Zahl an Aufsichtsverfahren trotz geringerer Regulatorik und Einsprüchen bei Hauptversammlungen führt. Als weiteres Beispiel wurden Photovoltaikunternehmen aus China als objektiv nicht investierbar benannt, da sie unter anderem von Zwangsarbeit profitieren. Insgesamt, so die Metzler-Stiftungsexperten, bedürfe die Integration von Nachhaltigkeit in ein Stiftungsportfolio hoher Transparenz der Zielkonflikte. Dies bedingt eine Priorisierung der Nachhaltigkeitsziele. Insgesamt sieht Metzler zunehmende Bedeutung der 1,5 Grad-Konformität in einem Gesamtportfolio, also Fortschritte auf dem Weg sogenannter paris-aligned Kapitalanlagen.

Das leidige no-show-Problem

Die hier genannten Veranstaltungen waren allesamt frühzeitig ausgebucht, was auf der Kongressseite des Stiftungstages entsprechend vermerkt worden war. Bei Ankunft etwa in der Robert-Bosch-Stiftung war die Aufregung groß: „Leider dürfen Sie nicht in den Saal, wir führen hier eine Warteliste für die Stehplätze“ hieß es von den Damen am Empfang. Nun ja, der Saal war am Ende gut besucht, aber noch eine deutlich zweistellige Anzahl Sitzplätze verfügbar. Auch bei der Allianz hieß es früh „ausgebucht“, es wurde enger bestuhlt, um die Kapazität des Raumes im Staffelgeschoss zu erhöhen (es liefen noch weitere Veranstaltungen im Haus) – letztlich blieben aber viele Plätze frei. Ähnlich verhielt es sich bei Metzler. Das ist ausgesprochen ärgerlich, vor allem da viele, die sich gerne hätten anmelden wollen, so nicht zum Zuge kamen. Das Verhalten passt so gar nicht zum Stiftungswesen, dem Werte wie Zuverlässigkeit und Wertschätzung nicht fremd sind.

vtfds2023 Save the Date

Zusammengefasst

Es gab wieder sehr lehrreiche Veranstaltungen mit umfangreichem Erkenntnisgewinn. Zahlreiche Fragen der Stiftungsvertreter zeigten, dass in vielen Gremien offenbar intensiv über die qualitative Verbesserung der Vermögensanlage diskutiert wird. Bleibt die Hoffnung und Erwartung, dass sich das Anlagethema auch im kommenden Jahr beim Stiftungstag in Hannover prominent im Veranstaltungsprogramm wiederfindet.