Die Corona-Pandemie hat die Kapitalmärkte ordentlich durcheinandergeschüttelt, und das Anlegen cum Corona wird in manchen Facetten neuen Parametern folgen. Hinzu kommt der Themenkomplex ESG, der Kapitalströme nachhaltig verändern wird. Was das für Portfolien und Investoren bedeuten kann und welche Anlagethemen 2021 noch auf der Agenda stehen, diskutierte Universal-Investment mit Michael Lienhard und Luca Orlando (Cape Capital), Paul Althans (CHOM Capital) und Nicolas Schmidlin (ProfitlichSchmidlin).
Durch das Gespräch führten Frank Schnattinger (IPE Institutional Investment) und Tobias Karow (stiftungsmarktplatz.eu).
Wie würden Sie das aktuelle Marktumfeld bewerten?
Lienhard: Wir kommen aus einer akuten Pandemie-Phase die immer noch andauert, finanzmarkttechnisch aber vor allem 2020 war, mit allen Rettungspaketen und Zentralbanken-Interventionen. Heute sehen wir eher die Folge davon. Was wir gesehen haben, ist, dass die Zentralbanken die Märkte wieder funktionstüchtig gemacht haben, um Zeit zu gewinnen, damit die Regierungen entsprechend dann auf der Fiskalseite auch antworten können. Es wurde Geld ins System reingepumpt. Die Funktionsfähigkeit der Märkte war die Aufgabe der Zentralbanken. Schadensbegrenzung beim Bruttosozialprodukt war Sache der Fiskalpolitik.
Es ist heute deutlich mehr Cash im System und gleichzeitig wurde das Halten von Cash deutlich weniger attraktiv. Es kostet mittlerweile sogar Geld. Das Verhältnis von einer Einheit Geld versus einer Einheit liquiden Finanzmarkt Assets hat sich verschoben, weil ein Großteil der Net Supplies von den Zentralbanken entsprechend absorbiert wurde. Sie traten als sehr starke Käufer am Kapitalmarkt auf. Dies führt natürlich zu einer nachhaltigen Verschiebung des Gleichgewichtes am Finanzmarkt. Aus unserer Sicht muss der Markt aufgrund der Anleihekäufe der Zentralbank teuer sein. Was wir im Januar gesehen haben, wird sich ohne größere Regulierung immer wieder ergeben. Wir sehen zwei Gleichgewichte aufkommen. Einmal das Gleichgewicht, in dem alles sehr positiv ausschaut, das QE Äquilibrium.
Je länger sich das hinzieht, desto mehr kann sich dieses Äquilibrium vom fundamentalen Äquilibrium entfernen. Der Gap ist aus unserer Sicht mittlerweile relativ groß. Wir sind der Meinung, dass der Markt weiterhin durchaus positiv sein kann. Wir gehen von einem gesunden 2021 aus in Sachen Performance kommend von den Risky Assets, obwohl der Markt im Prinzip gar nicht so gesund ausschaut.
Auf der fundamentalen Seite, und das ist das andere Äquilibrium, da haben wir große Vorbehalte. Wenn man auf die Leverage Ratios mal schaut, nicht zwingend auf Government-, auch auf Corporate-Ebene, das sieht für uns nicht so wahnsinnig gesund aus. Solange der Markt sich auf die Liquiditätszufuhr seitens der Zentralbanken konzentriert und auch auf die starken Liquidity Ratios innerhalb der Unternehmen, die ja an das unmittelbare Überleben dieser Firmen gekoppelt ist. Solange sich der Markt auf die Liquiditätssituation fokussiert, wird der Markt sehr freundlich bleiben. Der Markt ist noch nicht bereit, groß auf die Fundamentals zu schauen. Beide Äquilibrien üben natürlich eine sehr hohe Anziehungskraft aus, weshalb wir schon auch glauben, dass der Markt immer mal wieder das fundamentale Gleichgewicht aufsuchen wird. Deshalb werden wir auch 2021 immer mal wieder diese Wochen haben, wo wir auf der Aktienseite schnell mal 5-7% korrigieren, Kredit auch, nur um in den folgenden zwei, drei Wochen wieder zurückzugehen ins technische Äquilibrium, sprich wir gehen davon aus, dass die Total Returns positiv bleiben werden in 2021, aber die Sharpe Ratios nicht besonders gut ausschauen, weil die Volatilität hoch bleiben wird. Das ist unsere Großwetterlage, wie wir sie bei Cape sehen.
Althans: Ich würde bei der Einordnung des Marktes an drei Ebenen ansetzen wollen. Die erste Ebene betrifft den Liquiditätsbegriff, die EZB und den monetären Wirkungskanal des Anleiheankaufs. Im Sine des seit 2012 gültigen „whatever ist takes“ twitterte die EZB in einem denkwürdigen Post zum Valentinstag, dass man „so lange wie Rosen rot bleiben“ die aktuelle Policy fortführen wolle. Also so lange bis sich diese tatsächlich auf die Kreditvergabe und den Kreditimpuls in die Wirtschaft hinein auswirken. Dieser direkte Liquiditätseffekt auf die Realwirtschaft findet aber bisher nicht statt, dafür nachgelagert im Rahmen des Finanzmarkts. Die Policy Maker werden daher wahrscheinlich nicht von ihrer Linie abweichen. Die Ebene Zwei betrifft die auch aus eigener Kraft überraschend starke Aktienmarkt-Performance seit der Covid Krise. Die hohe Volatilität in beiden Extremen spricht dafür, dass viele Marktteilnehmer zu pessimistisch waren und wir nach einem Jahr Pandemie vor enormen Lerneffekten stehen, sodass in einigen Industriebereichen die Produktion jetzt schon über Prä-Covid Dimensionen liegt.
Genau das wird in der Berichterstattung aber im Moment nicht gesehen, oder?
Althans: Zunehmend adaptiert der Markt dies schon. Allerdings muss man auch zwischen Dienstleistungsgewerbe und der Industrieproduktion differenzieren. Wenn die Industrieproduktion ein Vorbote dafür ist, wo die Dienstleistungsnachfrage nach der Pandemie rauskommt, dann werden die Fundamentaldaten schneller aufholen als wir das zunächst gedacht haben. Und die dritte Ebene ist zugleich die Schwierigste: Langfristig wird der Preis von Risiko manipuliert. Das heißt, durch die permanente Repression geht die wichtige Signalfunktion des Zinses für den Kapitalmarkt verloren. Das führt dann dazu, dass wir auf einer systemischen Ebene eine Misallokation von Kapital sehen und damit eine Allokation, für die das Risiko bestehen bleibt. Ein Beispiel wie durch diese Manipulation falsche Kapitalpreise realökonomische Beziehungen aus dem Gleichgewicht gebracht haben, ist der Boom in Schieferöl- und -gas in den USA. Der leichte Kapitalzugang hat hier zu einem massiven Überangebot geführt mit der Folge, dass kurzzeitig die Preise für Erdöl sogar negativ notierten. Die Effekte verstärken sich natürlich, je länger eine derartige Politik beibehalten wird und das ist für das langfristige systemische Gleichgewicht höchst ungesund.
„Der Preis von Risiko manipuliert.“
(Paul Althans, CHOM Capital)
Schmidlin: Ich denke, wenn man zuerst auf die Anleiheseite schaut, ist es klar, dass der große Ausbau der staatlichen Verschuldung und teilweise auch der Verschuldung auf der Unternehmensebene durch die Covid-Krise dazu führen wird, dass die Zinsen grundsätzlich länger tiefer bleiben werden als man das schon davor gedacht hat. Die Auswirkungen auf den Anleihemarkt hat man hier schon gesehen. Dazu kam, dass sich die Credit Spreads im Anleihemarkt extrem eingeengt haben, im Grunde in jedem Segment. Damit ist der grundsätzliche Ausblick im Anleihenmarkt wahrscheinlich für das Jahr 2021 eher verhalten im Sinne von: Können sich die Credit Spreads einengen für das Jahr? Ja, aber wahrscheinlich nicht besonders stark. Das bedeutet nicht zwingend, dass es ein schlechtes Jahr am Anleihemarkt werden wird, aber sicher ein verhalteneres als man 2020 abgeschlossen hat. Die niedrigen Zinsen, vor allem die länger niedrigeren Zinsen haben auch einen Einfluss auf den Aktienmarkt, wobei ich hier sagen muss, dass eine pauschale Aussage über den Aktienmarkt sehr schwierig ist. Weil wir uns mit Covid-19 nicht in einer gewöhnlichen Rezession befinden, sondern es tut sich gewissermaßen eine Schere auf von manchen Unternehmen, die extrem unter der Krise leiden, aber auch von manchen Unternehmen, die extrem von der Krise profitieren. Deshalb ist es essentiell, in der Anlagestrategie darauf zu achten, ob man sich auf nachhaltige Krisengewinner fokussiert, oder den Fokus auf Unternehmen legt, den besonders stark von einer Wiedereröffnung der Wirtschaft profitieren.
Ist es eine ‚lesson learned‘ aus Covid und Post-Covid, dass man sagt: Die Bewertungsschere wird immer weiter auseinander gehen und spricht das nicht gegen Indexinvestments?
Schmidlin: Unser Anlageansatz ist komplett bottom-up strukturiert, sowohl im Aktien- als auch im Anleihebereich. Hierdurch orientieren wir uns sowieso nicht an einer Benchmark oder einem Index. Auf der Anleiheseite muss man aus unserer Sicht sowieso aufpassen, was passive Investments angeht. Oft besteht ein gewisser Liquiditäts-Mismatch zwischen beispielsweise einem Anleihen-ETF und den zugrundeliegenden Anleihen. Man hat auch im März und April 2020 sehr gut gesehen, als im Grunde fundamentale Marktmechanismen im Anleihemarkt nicht mehr funktioniert haben: In diesem Zeitraum ist alles gefallen, von Nachrang-Anleihen bis hoch zu den Staatsanleihen.
(Nicolas Schmidlin, ProfittlichSchmidlin)
„Wir befinden uns mit Covid-19 nicht in einer gewöhnlichen Rezession, sondern es tut sich eine Schere auf.“
Althans: Die Bewertungsdiskrepanz sehen wir als fundamentale Bottom-up Stockpicker als klare Chance und insbesondere Themen wie den „Green Deal“ als entscheidenden Treiber. Dabei ist die Fortsetzung der Bewertungsschere nicht zwingend, denn auch Teile der Old Economy profitieren vom Trend zu Nachhaltigkeit. Allerdings sehen wir mit Sorge, dass die zunehmende Dominanz passiver Produkte zu einer abnehmenden Orderbuch-Liquidität in Einzeltiteln führt. Es entstehen daher neue, nicht zu unterschätzende Risiken, wenn zunehmend größere passive Flows auf immer weniger aktive Marktteilnehmer treffen. Zum Teil ergeben sich daraus signifikante Preisdifferenzen zum inneren Wert dieser Vehikel in Stressphasen, und wir haben eigentlich noch keinen echten Abfluss aus passiven Produkten erlebt. Allein aus dieser Risikobetrachtung heraus sehen wir eine deutliche Rechtfertigung dafür, wie wichtig und richtig ein aktiver Ansatz in diesem Marktumfeld ist.
Luca Orlando: Wenn ich da kurz einhaken darf aus einer Risikoperspektive. Wenn man sich die ETFs auf der Kreditseite mal genauer anschaut, dann sehen wir aufgrund des Niedrigzinsumfelds einen Mismatch zwischen Spreads, zwischen Kompensation, Carry und der Duration. Das ist eine riesige Herausforderung, das hat auch die Pandemie relativ eindrücklich gezeigt. Andererseits geht es um Disruption und um Zyklus. Und wir sehen es halt so, dass der Zyklus nach wie vor ein horizontaler Risikofaktor ist, also der Impact wird viel mehr die schwächeren Firmen horizontal durch verschiedene Firmen und Disruption, das ist halt ein vertikaler Risikofaktor. Der frisst sich im Prinzip durch eine ganze Branche, wo man jetzt ein starker Player oder nicht ist in einer Pandemie, ist auch die stärkste Kreuzfahrtgesellschaft massiv in Mitleidenschaft gezogen. Ich bin einig mit dem bottom-up Approach, der ist aus meiner Sicht absolut richtig. Man muss die Firmen kennen, anschauen. Aber es braucht auch eine top-down Steuerung. Nur die top-down Steuerung hat sich mit dieser Pandemie massiv verändert. Und dem tragen wir Rechnung.
(Luca Orlando, CapeCapital)
„Disruption ist ein vertikaler Faktor, der frisst sich durch ganze Branchen.“
Wie beurteilen Sie überhaupt das Jahr 2020. Ist es eine Zäsur wie 2000 oder 2008?
Schmidlin: Aus unserer Sicht sicher eine Zäsur in dem Sinne als dass die Covid Krise zum einen die langfristige Zinserwartung nach unten getrieben hat, und zum anderen darin, dass sich der Ausblick von verschiedenen Unternehmen, von verschiedenen Branchen nochmal deutlich verändert hat. Es ist nicht übertrieben, wie man in manchen Branchen sieht, dass der digitale Wandel, den man graduell über viele Jahre erwartet hätte, binnen weniger Monate vollzogen wurde. Auf der anderen Seite sind Unternehmen, die schon geschwächt durch zu viel Verschuldung in die Krise hineingegangen sind, nochmal sehr viel stärker unter Druck gekommen sind und damit dann auch aus dem Markt ausscheiden oder Marktanteile verlieren. Aus dieser Sicht würde ich sagen, es ist kein Event, was man so einfach abtun kann, nur weil sich die Kurse erholt haben, es wird langfristige fundamentale Auswirkungen haben.
Adrian: Ich bin einig mit den Kollegen, dass der Markt auch hausgemachte Probleme hat. Da ging es auch um Liquidität, nicht unbedingt um Fundamentals, das sind strukturelle Schwächen. Der Fixed Income Markt ist viel zu fragmentiert, das heißt Nachfrage und Käufer scheinen sich weniger schnell zu finden als sie das tun sollten in einer Krise. Zudem ist auch die Puffermöglichkeit seitens der Investmentbanken nicht mehr gegeben. Die Asset Manager verhalten sich zudem viel homogener und erhöhen damit auch die Preisausschläge. Wir glauben auch, dass selbst wenn sich die Asset Preise da erholt haben, wenigstens im Kreditmarkt und im Aktienmarkt, mittlerweile auch im Commodity Markt, klar wird, dass die Nachwehen dieses Crashes 2020 noch sehr lange am Markt sichtbar werden. Die ganze Situation hat auch unfallähnliche Züge – plötzlich eingetreten, die Volatilität ist hochgeschossen et cetera.
Lienhard: Es ist die Rede vom new normal, wir sehen mehr vom gestrigen normal, die Policy Makers haben in der Summe nichts anderes gemacht als die alten policy tools noch mehr zu forcieren. Klar sind die Strukturreformen ein bisschen anzugreifen, aber im Verhältnis zur monetären Seite aus unserer Sicht viel zu klein. Ich glaube auch, dass der marginale Impact über die Zeiten entsprechend schwinden wird. Die Policy Makers werden neue Tools bringen müssen. Es geht nicht nur um unmittelbare Schadensbegrenzung. Es geht darum, dass man das Problem der endlosen Liquiditätszufuhr und den marginalen Benefit, der immer kleiner wird, überwinden kann. Entsprechend gehe ich davon aus, dass wir hier noch nicht am Ende der Fahnenstange sind, aber wir haben uns angenähert.
PODCAST
„Der Preis von Risiko
wird manipuliert“
Mit Michael Lienhard von CapeCapital sprachen wir im Podcast noch einmal gesondert zum großen Bild an den Märkten und wie er im Portfoliomanagement damit umgeht.
Und für Sie, Herr Althans, war 2020 eine Episode oder eine Zäsur?
Althans: Realökonomisch war es eine Zäsur, seit der Depression 1929 gab es keine Phase, in der sich so viele Länder gleichzeitig in einer Rezession befanden. Zugleich hatten wir auch den schnellsten und tiefsten Wachstumsrevisionsschritt der Nachkriegszeit. In den Rahmenbedingungen gibt es aber Anzeichen für einen Paradigmenwechsel. Geldpolitisch scheinen die Zentralbankinstrumente ihr Limit erreicht zu haben. Das wird auch deutlich in den Aussagen führender Zentralbanker, die die Finanzministerien immer vehementer drängen, sich mehr auf fiskalischer Seite zu engagieren. Und das passiert auch gerade: So wurde in Europa erstmals ein aggressiver EU-Haushalt mit fiskalischer Umverteilung beschlossen und auch in USA stehen die Zeichen nach dem „Blue Sweep“ und der damit einhergehenden dünnen Mehrheit im Senat auf anhaltend stärkerer fiskalischer Unterstützung der Wirtschaft.
Sehen Sie Indizien im Markt, die für eine Inflation sprechen?
Schmidlin: Wir haben keine dezidierte Meinung, was eine mögliche Inflation angeht, da wir rein auf Einzeltitelebene die Auswahl treffen. Wir überlegen uns aber natürlich dahingehend, wie die Positionen auf der Aktien- und Anleiheseite von einem möglichen Zinsanstieg und einer möglichen Inflation betroffen sein können. Ein Hedge kann also auch sein auf Unternehmen zu setzen, die von einem inflationären Umfeld profitieren können. Selbst ohne irgendwelchen speziellen Insight zu haben, kann man natürlich ableiten, dass so viel Gelddrucken über die letzten Jahre ein erhebliches Inflationsrisiko über die nächsten Jahre erzeugt. Es ist auch sicherlich für den ein oder anderen verwunderlich warum es bisher noch nicht eingetreten ist. Wir müssen auf unserer Seite einfach bottom-up schauen, welche Unternehmen können auf unserer Seite so ein inflationäres Szenario am besten für sich nutzen, am besten überstehen?
Althans: Die Ereignisse seit März 2020 haben mit dem weiteren massiven Aufbau von Verschuldung die Toleranzschwelle des Systems für höhere Zinsen dramatisch gesenkt. In gewisser Weise begrüßen also die Lenker der Geldpolitik eine gewisse Inflation und es ist fraglich, ob sie erste Inflationstendenzen schnell einfangen wollen. Unterstützt wird diese Haltung durch den Ende August letzten Jahres kommunizierte Policy Review der FED. Kernbotschaft ist, dass man eine zeitweise höhere Inflation toleriert und zu einem Durchschnitts-Inflations-Targeting übergeht. Allerdings lässt das auch viel Spielraum offen: Unklar ist der Zeitraum des Durchschnitts und ab wann sieht man sich zu weit von dem 2%-Durchschnittsziel entfernt? Kurzfristig ist die Situation etwas unübersichtlich, da wir in der Realwirtschaft nach wie vor massive Verzerrungseffekte sehen, z.B. in Deutschland wo wir zuletzt die Diskussion über Chips in der Automobilproduktion hatten. Viele Lieferkette erleben eine gefühlte Inflation nachdem zum Liquiditätsschutz die Lagerbestände während der Lockdown-Phase 1 heruntergefahren wurden und nun synchron den Aufbau der Lagerhaltung in Reopening Phase 2. Was als „Elefant im Raum“ verbleibt ist die etwas gefährlichere Vertrauensfrage, ob die Geldpolitiker überhaupt noch steuerungsfähig sind, nachdem man in über zehn Jahren QE nicht die versprochene Inflation erzeugen konnte. Sind Zentralbanken wirklich am Ruder?
PODCAST
„Der Preis von Risiko
wird manipuliert“
Auch mit Paul Althans von CHOM Capital sprachen wir darüber, wie er die aktuelle Krise sieht und welche Schlüsse er daraus zieht.
Orlando: Also von unserer Seite, wir sehen das schon auch so, wenn wir uns die Supply-Seite und die Rohstoffe et cetera ansehen, dann spricht das schon für einen Anstieg von einer wenigstens kurzfristigen Inflation. Die mittelfristigen und langfristigen Perspektiven der Inflation werden bei uns allerdings sehr kontrovers diskutiert. Wir sehen schon sehr starke disinflationäre und deflationäre Tendenzen im mittelfristigen und langfristigen Bereich, kommend von der höheren Skalierbarkeit, Technologie et cetera. Aber im Moment sehen wir schon, dass der Weg des geringsten Widerstands höhere Preise sind.
Althans: Es gibt auch längerfristige Argumente für eine höhere Inflation über die COVID Pandemie hinaus. Wenn ich bei meinem Eingangsbeispiel aus dem größten Rohstoffmarkt der Welt bleibe, dann sehen wir, dass bei den Ölproduzenten zurzeit die dritte Welle an massiven Kapitalinvestitionskürzungen stattfindet aufgrund der langen Misallokation von Kapital. Hierin besteht auch ein Risiko in ein Szenario zu geraten, einen inflationären Schock aus der organischen Volkswirtschaft heraus auszulösen. Das ist aber losgelöst von den kurzfristigen exogenen COVID-Verzerrungen die wir erleben.