„Das Primat der Ethik ist ein zeitloser Rahmen“

Auf einen Kreuzgang-Spaziergang mit David Reusch, Geschäftsführer der Missionszentrale der Franziskaner e.V.

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David Reusch
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Es gibt noch einige wenige gemeinnützige Organisationen, die mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel haben. Die Missionszentrale der Franziskaner kann auf eine Historie von mehr als 800 Jahren zurückblicken und hat in diesen Jahren kapitalanlageseitig alles erlebt. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer der in Bonn ansässigen Missionszentrale der Franziskaner, David Reusch, über die Lehren aus diesen 800 Jahren für das Hier und Jetzt und auch dazu, wie Stiftungen einen bzw. „ihren“ Weg ins nachhaltige Anlegen finden. Einen Weg zwischen Rigorismus und Laxismus.

FondsFibel: 800 Jahre Historie bedeuten auch 800 Jahre Kapitalanlage.
Welche Grundfeste kennen Sie hierbei?

David Reusch: Die Franziskaner haben sich von Beginn an stark mit der Kapitalanlage befasst. Franziskus hatte ja mit seinem Reichtum abgeschworen, weil er nicht der Sklave des Geldes sein wollte. Im frühen 13. Jahrhundert wandelte sich die Gesellschaft sehr stark, und die Menschen, die kein Geld hatten, sind teilweise sehr schlecht mit den Menschen umgegangen, die Geld hatten. Hier das Gegenteil zu machen, sich nicht ausschließlich am Geld auszurichten, das war die Motivation von Franziskus. Er wollte den Menschen wieder ins Zentrum des Geschehens rücken. Sein radikaler Schritt war jener in die Armut, weg von seinem zugegebenermaßen sehr wohlhabenden Zuhause. Das Aufbrechen von Regeln, auch die Geldanlage betreffend, damit hat sich dann der Franziskaner-Orden immer wieder beschäftigt. Im späten 15. Jahrhundert war zum Beispiel der Wucherzins ein großes soziales Problem. Zunächst haben sie dagegen gepredigt, aber schnell war klar, dass Worte nicht reichen. Also gründeten sie die ersten Pfandleihhäuser, die so genannten montes pietatis, in denen sich die Menschen zu einem fairen, kostendeckenden Zins Geld leihen konnten. Letzten Endes war das der Vorläufer der kommunalen Sparkassen.

FondsFibel: Eine Geschichte, die in Assisi begann.

David Reusch: Das stimmt. Für eben jene montes pietatis sind die Franziskaner sehr bekannt geworden, aber es war auch ein Franziskaner, der das erste Buch über die doppelte Buchführung verfasste. Insgesamt haben die Franziskaner mehr als 250 Werke über die Kapitalanlage und hieran anhängende grundsätzliche Fragen geschrieben. Sie haben sich also schon sehr früh damit befasst, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit Geld aussehen kann.

FondsFibel: Was natürlich einmal unendlich viel Erfahrung im Umgang mit Geld bedeutet, aber eben auch, dass die Franziskaner eine klare Haltung zu Geld haben. Können Sie diese etwas beschreiben?

David Reusch: Was wir immer versuchen umzusetzen, auch in der von uns initiierten terrasis-Fondsfamilie, ist das Primat der Ethik. Wenn wir etwas investieren, denn muss die Frage, ob bspw. ein Unternehmen kulturverträglich, umweltverträglich und sozialverträglich wirtschaftet, ob es eben ein nachhaltiges Unternehmen ist, beantwortet werden. Bestimmte kontroverse Geschäftsfelder meiden wir zudem. Erst danach schauen wir uns an, wie erfolgsversprechend ein Unternehmen ist, wir drehen, wenn Sie so wollen, den klassischen Prozess der Unternehmensanalyse um. Vielen ist aber mittlerweile die Erkenntnis gekommen, dass nachhaltige Parameter Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens haben.

David Reusch

FondsFibel: Gott sei Dank, möchte man meinen. Wie sieht es mit dem
Umgang mit Brüchen aus?
800 Jahre Erfahrung im Umgang mit Geld, da gab es zahlreiche Brüche.

David Reusch: Also mit den Brüchen ist es immer so eine Sache. Natürlich gab es diese reichlich in diesen Jahrhunderten, aber haben sich dadurch die grundsätzlichen Prämissen in der Kapitalanlage geändert? Eher nein. Das Primat der Ethik ist ein Stück weit ein zeitloser Rahmen. Natürlich ändern sich Aspekte, natürlich bekommt man sehr viel mehr Informationen als noch vor 20 Jahren, und das verändert hier und da schon unser Tun in einzelnen Punkten. Aber umso mehr Label auf einem Fonds kleben, heißt das nicht, dass
der Fonds umso besser ist. Auch von solchen Begriffen wir Impact machen wir uns ein Stück weit frei, denn mir wird zu viel unter dem Impact-Label verkauft.

FondsFibel: Das ist interessant. Ist also Impact nicht die höchste Stufe?

David Reusch: Also zunächst einmal soll unsere Geldanlage niemandem schaden. Im zweiten Punkt versuchen wir, eine Wirkung zu entfalten. Es sollen Unternehmen belohnt werden, die sich besonders im verantwortungsbewussten Tun hervorarbeiten. Die anderen nehmen sich dann vielleicht ein Beispiel, auch verantwortungsbewusster zu wirtschaften, und daraus entsteht eine Dynamik. So die Idee, der wir nachhängen. Auf der anderen Seite ist Wirkungsmessung extrem schwierig, die Diskussion hier ist mannigfaltig. Wenn durch einen Anteil an der Verwaltungsvergütung 500 Menschen in Afrika wieder sauberes Wasser
haben, weil mit diesem Anteil ein Brunnen für Frischwasser gebohrt werden konnte, dann ist das ein Impact, der aber in Kennzahlen nicht abgebildet werden kann.

FondsFibel: Wohl aber in Existenzen, eben jenen der 500 Menschen, denen es besser geht durch den neuen Brunnen. Trinkwasser für alle, das ist ja auch eines der Entwicklungsziele der Agenda 2030.

David Reusch: Das stimmt freilich, und ist sehr klar sichtbar, aber in den Labeln, die wir für den Fonds „kaufen“ könnten, wird genau derlei nicht erfasst. Unser Ansatz ist einfach, dass wir Geld statt in Engagement in konkrete Hilfsprojekte investieren. Engagement zum Beispiel können Sie richtig nur machen, wenn Sie große Ressourcen einsetzen, wenn Sie Zugänge haben. Schaut man dann auf die Ergebnisse dessen, dann ist Manches bei Engagement der Serienbrief mit einem Hinweis auf diesen oder jenen Missstand, das würde mir als Anleger nicht reichen. Die Frage ist ja auch, ob sich ein Unternehmen beeinflussen lässt von jemandem, der 100 Aktien hält.

FondsFibel: Inwiefern spielt für Sie die Frage der Resilienz in der Anlage von Stiftungsvermögen eine Rolle?

David Reusch: Resilienz bedeutet ja zweierlei. Einmal eine Krise überhaupt zu überstehen, daneben aber eben auch, eine Krise als Chance begreifen und nutzen zu können. Da könnten Stiftungen in meinen Augen gerade aktuell noch mehr umdenken, denn Stiftungsvermögen kann mehr, und mit Stiftungsvermögen kann auch mehr Gutes gemacht werden. Die Stiftungsgremien befassen sich viel mit dem, was man auf der Ausgabenseite optimalerweise machen kann. Mit der Einnahmeseite aber wird sich nur wenig beschäftigt. Die Vermögensmasse einer Stiftung kann mehr als einfach nur ordentliche Erträge zu produzieren. Deswegen ist man hier noch nicht beim Mission Related Investing, aber eine gemeinnützige Stiftung hat einfach eine gewisse Verantwortung, auch als Investor. Der Stiftungssektor als Ganzes hat nämlich schon ganz ordentlich Schwungmasse.

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FondsFibel: Wird denn die Resilienz von Stiftungsvermögen künftig dergestalt vorankommen, je mehr nachhaltiges Investieren als Risikomanagement gesehen wird?

David Reusch: Also den Risiko-Aspekt nachhaltigen Investieren sehe ich auf jeden Fall. Beispiele aus der Vergangenheit zeigen ja, dass Unternehmen, die nicht verantwortungsvoll gewirtschaftet haben, dann auch negative Performancebeiträge geliefert haben. Legt eine Stiftung Wert auch nachhaltiges Anlegen, dann wird sie Risiken aus den Portfolien eliminieren, was zwei Folgen hat. Einmal wird die Wahrscheinlichkeit, einen potentiellen Schlecht-Performer im Portfolio zu haben, reduziert. Zum anderen, und das halte ich für fast noch schlagender, reduziert eine Stiftung darüber mögliche Reputationsrisiken. Vor ein paar Jahren kam heraus, dass die größte niederländische Krebsstiftung ausweislich ihres Jahresberichts über Fonds in Tabakaktien investiert ist. Reputativ hat das der Organisation enorm geschadet, die Auswirkungen auf das Spendenverhalten waren sehr negativ.

FondsFibel: Ein eindrückliches Beispiel. Wenn Sie ein zwei grundsätzliche Regeln für das Hineintasten ins nachhaltige Anlegen für Stiftungen formulieren müssten, welche wären das?

David Reusch: Von was sich Stiftungsgremien frei machen sollten wäre das Diskutieren über Einzelwerte. Natürlich hat jedes Gremienmitglied zu einer Aktie eine Meinung, aber in solchen Diskussionen gibt es eigentlich keinen Gewinner. Also, derlei sollten Stiftungsgremien vermeiden. Auch sollten sie sich fragen, was will ich als Stiftung nicht. Das kann eine sehr gute Richtschnur sein, in Kombination mit der Frage, was ich eigentlich möchte, was mir wichtig ist, was ich über meine Anlagen vielleicht auch befördern möchte. Diese beiden einfachen Fragen sortieren in einem ersten Schritt schon recht viel. Nachhaltigkeit ist eben ein Prozess, eine Stiftung fängt irgendwann für sich an, begibt sich auf den manchmal schmalen Grat zwischen Rigorismus und Laxismus.

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FondsFibel: Aber Wege, auch wenn es schmale sind, entstehen nun einmal dadurch, dass man sie geht. Wir danken Ihnen für Ihre Gedanken und Anregungen.