Da haben sich die Stiftungen selbst gegeißelt

Unsere 3 Lehren vom Österreichischen Stiftungsfrühling 2023

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Unsere 3 Lehren vom Österreichischen Stiftungsfrühling 2023
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Es gibt Situationen, in denen sich Stiftungen selbst geißeln. Genau unter anderem zu diesem spannenden Punkt diskutierten die Teilnehmer des Österreichischen Stiftungsfrühlings 2023 am 8. und 9. Mai im schönen Seewalchen am Attersee. Die Anreise mit den Öffentlichen über Salzburg und Vöcklabruck zieht sich zwar, aber im feinen Kreis einmal ohne Scheuklappen über Phänomene wie die versteinerte Stiftung zu sprechen, das ist jede Minute Anreise wert gewesen. Unsere drei Lehren vom #ÖSF23.

Mit dem mittlerweile 2ten Österreichischen Stiftungsfrühling ist Initiator Manfred Wieland dabei, einen traditionellen Termin im Eventkalender für Stiftungsverantwortliche und Stiftungsinteressierte zu etablieren. Der Gründer der Stiftung NextGen ist seit Jahren schon im Stiftungswesen Österreich unterwegs, um Impulse für das Professionalisieren der täglichen Stiftungspraxis aber auch den professionelleren Dialog rund um Stiftungsbelange voranzubringen. Der Erfolg gibt ihm Recht. Der Österreichische Stiftungsfrühling ist nicht als Messe oder Konferenz konzipiert, sondern als kleine aber feine Austauschplattform für Stiftungsprofis und -verantwortliche. Dabei zieht Manfred Wieland immer auch spannende externe Referenten mit an Bord, um der Inspiration rund um den Themenkreis Stiftung ausgiebig Raum zu geben.

Lehre Nummer 1: Das Thema Mündelsicherheit beschäftigt österreichische Stiftungen immer noch

So war es für mich spannend zu hören, dass Mündelsicherheit in vielen Stiftungen immer noch gelebte Praxis ist, was Probleme mit sich bringt. Für diesen Themenkreis, der auch in Deutschland immer noch Gehör findet, gab Prof. Dr. Johannes Zollner von der Universität Graz tiefere Einblicke. Für ihn steht außer Frage, dass sich Stifter selbst gegeißelt haben, so sie für ihre Stiftung das mündelsichere Veranlagen als Rahmen gesetzt haben. Selbstgeißelung, ein spannendes Wort, denn es bringt das Problem auf den Punkt (und hier findet sich auch eine Brücke nach Deutschland). Das flexible Anlegen des Stiftungsvermögen ist durch das Mündelsichergebot nicht möglich. Oder durch ein anderes, zu starres Konzept, unter das auch ertragreich und sicher fallen könnte.

Initiierte den Österreichischen Stiftungsfrühling, und freut sich bereits auf den #ÖSF24: Manfred Wieland, Stiftung NextGen
Initiierte den Österreichischen Stiftungsfrühling, und freut sich bereits auf den #ÖSF24: Manfred Wieland, Stiftung NextGen

Zollner regte an sich an dieser darüber nachzudenken, ob derlei noch in die Zeit passe. Denn das Verwalten des Stiftungsvermögens müsse mit der Zeit gehen, und die Zeiten heute sind nun mal andere als vor 20 oder 30 Jahren, als eben die Stiftung errichtet wurde. Die Frage die sich stellt, und diesen Impuls nehmen wir uns für die Diskussion mit deutschen Stiftungen mit, war jene, ob die nachfolgende Gremiengeneration mit den einst getroffenen Regelungen in Satzung und Anlagerichtlinie noch arbeiten könne. Dieser Blick ist für Zollner ein sehr wichtiger, der aber bei der Stiftungsgründung noch immer zu wenig oft eingenommen würde. Wir stimmen zu und lernen, dass intergenrationelles Denken nicht bei der Stiftungsgründung aufhört.

Lehre Nummer 2: Stiftungen dürfen nicht versteinern!

Spannend war im Rahmen des Österreichischen Stiftungsfrühling auch der Diskurs, inwiefern die Stiftungsgremien für eine Stiftung gar gefährdend sein können. Im Kern sprachen wir am Attersee viel über das Erstarren von Stiftungsaktivität, es fiel das Wort von Versteinerung. In Deutschland würden wir es notleidend nennen, aber versteinern, das hatte etwas Bildliches. Was wir lernen ist, dass Stiftungen nicht versteinern dürfen, und hierfür tragen die Stiftungsgremien die große Verantwortung. Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob ein Mitglied in den Stiftungsgremien oder die Stiftungsgremien an sich ein Fremdkörper in der Stiftung sein können? Der Psychologie in der Stiftung auf den Grund zu gehen, kann ein Ansatz sein, der vor Verkrustungen schützen oder der diese aufbrechen kann. Auch die Frage, ob dem Vorstand ein beratendes Gremium zur Seite steht, dürfte ein sein, die künftig gewichtiger wird. Denn: Ohne gutes Korrektiv keine gute Stiftungsarbeit, so der Tenor, den wir zwischen den Zeilen der Vorträge beim diesjährigen Österreichischen Stiftungsfrühling lasen.

Wir waren mit einem Vortrag zum Stifterland Deutschland beim Österreichischen Stiftungsfrühling mit dabei und haben einmal tiefere Einblicke in die deutsche Stiftungslandschaft geliefert.
Wir waren mit einem Vortrag zum Stifterland Deutschland beim Österreichischen Stiftungsfrühling mit dabei und haben einmal tiefere Einblicke in die deutsche Stiftungslandschaft geliefert.

Lehre Nummer 3: Stiftungshandeln braucht den Europa-Bias

In einem fast schon mitreißenden Vortrag stellte Feri Thierry die Stiftung hinter dem Forum Alpbach vor. Der Generalsekretär des Europäischen Forums Alpbach nahm die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine kleine Retrospektive auf das Handeln der Stiftung. Es war spannend zu hören, dass bereits im August 1945 das Erst Forum Alpbach stattfand, praktisch wenige Wochen nach dem 8. Mai 1945 bzw. der Kapitulation Deutschland, die das faktische Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete. Aber praktisch damit begann eine neue Zeitrechnung, und die Rolle Europas musste hier diskutiert werden. Heute ist das in den Berg gebaute, auf 1.000 Meter Meereshöhe geschaffene Kongresszentrum ein Begegnungsort, der im letzten Jahr mehr als 3.000 Gäste während der Veranstaltung beherbergte.

Feri Thierry erzählte dies nicht ohne Stolz, verwies dabei darauf, dass jungen Menschen beim Forum Alpbach die Möglichkeit gegeben wird, an Fragen europäischer Relevanz mit Entscheidern aus der Politik zu arbeiten. Eine Wanderung mit einen Konzern-CEO, ein Bier am Abend mit dem Außenminister, das ist beim Forum Alpbach möglich. Was wir spannend fanden war der Bezug zu Stiftungen. Denn auch diese sind eingeladen, um an den drängenden Problemen Europas zu arbeiten. Denn Europa braucht entschlossenes Handeln, so der Tenor aus dem weltweiten Netzwerk des Forums Alpbach, und die Akteure der Zivilgesellschaft spielen hierbei eine sehr wichtige Rolle – die sie aber ausfüllen müssen. Das Jahresthema des Forums Alpbach für 2023 lautet Bold Europe, die vier Herausforderungen, die herausdestilliert wurden, sind der Klimawandel, die Demokratie, die Sicherheit sowie das souveräne Wirtschaften. Wir sagen es mal so: Hier können Stiftungen viele Beiträge leisten.

vtfds2023 Save the Date

Zusammengefasst

Der Österreichische Stiftungsfrühling diskutierte in diesem Jahr die richtigen Themen, die Referenten sprachen von Verkrustungen in Stiftungen, von Stiftungsgremien, die mit der Zeit gehen müssen und von einer neuen europäischen Agenda, an der Stiftungen mitarbeiten sollten – oder besser müssen. Wir merken, dass die Themen trotz österreichsicher Konnotation nicht weit weg von den Themen sind, die wir in Deutschland diskutieren. Und doch ist der Blick aus Österreich auf die aktuellen stifterischen Herausforderungen ein etwas weniger verstellter. Für mein Gefühl wurden die Probleme offen benannt, es wurde mehr Tacheles geredet. Der kleinere Kreis machte den Austausch zudem eine Spur vertraulicher. Umso mehr freuen wir uns auf den Österreichischen Stiftungsfrühling 2024, oder wie wir bei Twitter sagen würden: den #ÖSF24.