Valerie Holsboer studierte Jura in München. Sie begann ihre Karriere in der Rechtsabteilung im Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland und wurde dort stellvertretende Geschäftsführerin. 2007 trat sie die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Systemgastronomie an und baute diesen als Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband für die Branche auf. 2012 übernahm sie zusätzlich die Hauptgeschäftsführung der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss, dem sozialpolitischen Spitzenverband der Ernährungsindustrie. Von 2017 bis September 2019 war sie Mitglied des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit, zuständig für Personal und Organisationsentwicklung sowie Finanzen und Controlling.
2016 wurde sie von der Zeitschrift Capital zu den „Top 40 unter 40“ im Bereich Staat und Gesellschaft gewählt. Valerie Holsboer war und ist in zahlreichen Ehrenämtern engagiert, von 2014 bis 2017 als Mitglied der damals geschaffenen Mindestlohnkommission, als ehrenamtliche Richterin am Bundesarbeitsgericht, als alternierende Vorsitzende der Bundesvertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung, im Aufsichtsrat des Leibniz-Institut für Resilienzforschung und im Hochschulrat der EBS Universität für Wirtschaft und Recht. Valerie Holsboer ist außerdem Mitglied des Stiftungsrats der McDonald‘s Kinderhilfe Stiftung. Sie zählt mit ihrer Erfahrung zweifelsohne zu einer der einflussreichsten Managerinnen Deutschlands und steht für die zukunftsorientierte Gestaltung von Veränderungsprozessen.
Bettina Model: Als Vorstand der Bundesagentur für Arbeit mit Schwerpunkt Finanzen, verantwortet man ein Finanzvolumen von 100 Mrd. Euro Eine schier unglaubliche Summe.
Sind Anlagestrategien in dieser Ebene strikt vorgegeben, oder sind im Gremium noch kreative Ansätze möglich?
Valerie Holsboer: Die Summe gliedert sich in die Bereiche Versicherung, also die Beitragsgelder der Arbeitslosenversicherung, die dann als Leistung ausgezahlt werden, in den steuerfinanzierten Bereich der Grundsicherung, was im Volksmund als Hartz IV-Leistungen bezeichnet wird und in das Kindergeld, das über die BA abgewickelt wird. Da dies regelmäßige Leistungen sind, geht es in erster Linie um ein gutes Liquiditätsmanagement und heutzutage auch um die Vermeidung von Negativzinsen in der kurzfristigen Anlage. Das für Versorgungsansprüche gebildete Vermögen wird nach den Richtlinien des Bundes über die Bundesbank verwaltet. Diese Richtlinien geben z.B. die erlaubte Aktienquote vor. Insofern ist „Kreativität“ sicherlich ein zu wilder Begriff für diese Finanzverwaltung. Das macht aber Sinn macht, da mit öffentlichem Fremdgeld nicht gezockt werden darf und Sicherheit Vorrang haben muss.
Neben der Ressortverantwortung, sollte man auch unzählige Strukturen, Organisationsabläufe und nicht zuletzt viele Menschen verstehen und unterstützen. Ist das überwiegend eine mentale oder organisatorischen Meisterleistung?
Ob im öffentlichen Sektor, in Stiftungen oder in Unternehmen – es gilt immer der Grundsatz, dass je größer, desto Komplexer. Ob das jetzt eine mentale oder organisatorische Leistung ist, wie Sie fragen weiß ich nicht, aber die Kunst ist es meines Erachtens, einerseits das große Ganze zu sehen und weiterzuentwickeln und dabei aber nie den Blick auf die tatsächliche Durchführung vor Ort zu verlieren. Große Ideen zu entwickeln und Visionen zu haben ist einfach. Die Kunst ist es, das Ganze auch umsetzbar zu machen und mit den vorhandenen Ressourcen – und dazu zähle ich stark den Faktor Mensch – in Einklang zu bringen. Die blumigsten Strategien bringen nichts, wenn z.B. die Organisations- oder Unternehmenskultur nicht passt, wenn die Menschen, die es umsetzen sollen nicht mitgenommen werden. Mitnehmen bedeutet nicht nur das emotionale Einstimmen und erklären, sondern auch die fachliche Befähigung. Idealerweise werden die Umsetzer von Beginn an eingebunden, so dass Strategien in einem ständigen Realitätsabgleich entstehen. Es ist unglaublich risikobehaftet, wenn im Elfenbeinturm entwickelt und das dann direktiv angeordnet wird. Unternehmen und Organisationen, die eher autoritär geführt werden, tun sich mit dieser Sichtweise schwer, da dann meistens auch die gesamten Führungs- und Kommunikationsprozesse auf Ansage und Umsetzung ausgerichtet sind und Mitwirkung oder gar Widerspruch nicht vorgesehen sind. Das kann dazu führen das ganze Parallelwelten entstehen – die von und nach oben rapportierte Hochglanzwelt und das reale Vor-Ort-Geschehen. Bestimmt hat jeder in seinem Umfeld schon einmal Sätze gehört, die zum Thema Arbeit die entnervte Formulierung „…die da Oben…“ beinhalten. Dass der Realitätsabgleich nicht fehlender Führungswille ist, sondern eine Notwendigkeit bis hin zum Risikomanagement, gerät erfreulicherweise immer mehr ins Bewusstsein. Wenn ich jetzt Ihre Frage bezüglich mental oder organisatorisch nochmal überlege, dann ist vielleicht die mentale Herausforderung noch größer. Es ist deutlich anstrengender zusammen mit Menschen unterschiedlicher Sichtweisen etwas von Grund auf zu entwickeln, immer wieder zu verproben und zu hinterfragen als eine Order herauszugeben. Der anstrengende Weg führt aber zu einem stabilen Fundament oder wie man heute sagt, zu Nachhaltigen Prozessen und Strukturen. Der andere weg ist schneller, sieht vielleicht auch machermäßiger aus, aber es fliegt einem irgendwann um die Ohren – oder einem Nachfolger. Das ist übrigens aus meiner Sicht das fatale an zeitbefristeten Managerverträgen, die Druck erzeugen den „quick win“ abräumen und kurzfristige Ziele zu bedienen. In Familienunternehmen, die generationsübergreifend denken, sehe ich das selten. Da wünsche ich mir, dass „die Großen“ mehr vom Mittelstand lernen.
Was halten Sie für die wichtigste Eigenschaft bei der Leitung großer Organisationen, speziell in Zusammenarbeit mit vielen Menschen?
Groß bedeutet immer, dass viel Umsetzungs- und Kommunikationsverantwortung auf weitere Ebenen – räumlich und hierarchisch – abgegeben werden muss. Entscheidend ist also, dass die Leitungsspitze mit denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die als Führungskräfte näher am Geschehen, also an der Umsetzung, an Kundinnen und Kunden und der weiteren Belegschaft sind, in einem ständigen offenen Austausch ist. Und mit Austausch meine ich wirklich vertrauensvoll beide Richtungen. In der arbeitsrechtlichen Verbandstätigkeit habe ich nicht selten von Führungskräften mit Augenzwinkern den Satz gehört „mir ist egal, wer unter mir Vorstand ist“. Das klingt entspannt, lässig und beschwingt. Der Befund einer solchen Führungskultur ist jedoch traurig und gefährlich, weil sich die Ebenen entkoppelt haben.
Wer ist an einer solchen Entkoppelung schuld? Die Unternehmensspitze oder die Führungskräfte darunter?
Das ist meistens ein Prozess der sich über Jahre zieht und ohne Schuldzuweisung als Befund angepackt werden muss bzw. idealerweise gar nicht erst entsteht. Die meisten Menschen starten doch eine neue Tätigkeit voller Motivation und mit Begeisterung an der gemeinsamen Sache, egal auf welcher Ebene. Intransparente Entscheidungsprozesse, nicht überzeugende Narrative, vielleicht auch inkonsequente Verhaltensmuster (also das Gegenteil von „Walkt the Talk“), internes Wettbewerbsdenken, Konkurrenzen, starre Zielvorgaben, Besitzstandsmentalität, Machtkämpfe etc. führen dann mehr oder weniger schnell weg vom Miteinander. Es geht das gemeinsame Ziel in einer Gemengelage aus Neid, Sorgen, Ängsten, Druck, Kränkungen und Misstrauen unter.
Wenn wir jetzt von großen, globalen Unternehmens- und Organisationsstrukturen in die Welt der Stiftungen gehen, sind Sie ja auch seit Jahren als Stiftungsrätin engagiert und können vergleichen. Welche Unterschiede sehen sie zwischen dem Management in der Wirtschaft und dem von Stiftungen, insbesondere im Bereich Finanzmanagement?
Was mir an der Arbeit im Stiftungsrat so gefällt ist, dass das oben beschriebene gemeinsame Ziel zu jeder Zeit präsent ist und damit bei uns ein Garant für kooperatives, faires Zusammenarbeiten ist. Unser Hauptamtlicher Vorstand brennt zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genauso für die Sache wie jedes Mitglied im Stiftungsrat oder im Kuratorium. Die vielen ehrenamtlich engagierten Menschen bestätigen mit ihrem Beitrag den Wert, den die Sache hat. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen sehr beseelt, weil es natürlich auch bei uns um harte Fakten, Management und Finanzen geht. Das – neudeutsch – starke Commitment bewirkt aber tatsächlich eine besonders produktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Gremien. Unser Vorstand, Adrian Köstler, der hauptamtliche Manager der Stiftung, hat das volle Vertrauen der Gremien und kann deshalb komplett offen und ehrlich über die zu Beginn unseres Gesprächs genannten Realitätsabgleiche sprechen. Wenn er berichtet, dass xy vor Ort nicht funktioniert, dann gibt es keine „geht nicht gibt’s nicht Ansagen“, sondern es werden Alternativen besprochen. So haben wir durch ihn auch in Finanzangelegenheiten totale Transparenz über monatliches Reporting und die Entwicklung der verschiedenen Einnahmen und Ausgaben im Abgleich mit der Prognose. Besonderes Glück haben wir natürlich dadurch, dass er ein „Finanzler“ ist, der klischeehaft atypisch für diese Berufsgruppe, gleichzeitig das Herz und die Managementfähigkeit für diesen speziellen Job mitbringt.
Im Gegensatz zu der vorhin beschriebenen Schnelllebigkeit in manchen Unternehmen ist unsere Finanzplanung mit sieben Jahren langfristig ausgerichtet und unsere Anlagerichtlinie sieht ein solides, konservatives Finanzmanagement vor. Das müssen wir schon deshalb, weil das Betreiben unserer Häuser auf gut 30 Jahre ausgerichtet ist. Corona konnten wir gut überstehen, weil wir in den vergangenen Jahren gut gehaushaltet haben. Damit meine ich, dass positive Sondereffekte bei den Einnahmen uns nicht dazu verführt haben, gewaltsam irgendwelche zusätzlichen Förderprojekte aufzulegen oder den Stiftungszweck zu weiten. Deshalb waren wir auch bei Einnahmerückgängen in Corona in der Lage, die aufgesetzten Bauprogramme und den Instandhaltungsplan fortzuführen.
Sie wirtschaften also nicht nach dem Prinzip, dass Sie Projekte suchen, wenn einmal mehr Geld da ist?
Nein, gar nicht. Wir halten uns an den Grundsatz „Schuster bleib bei deinen Leisten“ und wollen das was wir gut können gut machen und uns nicht verzetteln. Sie hatten vorhin nach organisatorischen und mentalen Herausforderungen gefragt. Es kostet tatsächlich auch bei der Stiftungsarbeit manchmal Kraft, nicht über jedes Stöckchen zu springen, das der Zeitgeist gerade proklamiert. Natürlich gibt es unzählig viele gute Ideen und Projekte, für die man sich einsetzten kann und Nein-Sagen ist da manchmal schwer. Wir sind jedoch dank der klaren Fokussierung auf unseren Stiftungszweck einfach besser in dem was wir tun und das ist jährlich gut 6000 Familien ein zu Hause auf Zeit zu geben sie so zu unterstützen mit der schweren Situation eines kranken Kindes umzugehen. In diesem Zusammenhang hat es uns gefreut, dass die Krankenhäuser, mit denen wir arbeiten uns in den Corona-Zeiten ganz klar als systemrelevant gesehen haben und wir nochmal gespiegelt bekommen haben, wie wichtig unsere Arbeit ist. Sie sehen, ich komme immer wieder zu Aspekt „Sinn der Arbeit“, dem verbindenden Warum. Bei uns in der Stiftung führt das kraftvoll zu einem rundum guten Arbeitsklima, hoher Leistungsfähigkeit bis hin zu einem erfolgreichen Finanzmanagement.
Stiftungen die Projekte über Spenden finanzieren, sollten in den nächsten Jahren besonders kreativ im Fundraising sein. Meine Vision ist, dass es in einigen Jahren kein Unternehmen mehr ohne soziales Engagement mehr geben wird. Teilen Sie meine „Vision“?
Die Vision an sich teile ich. Ich weiß nicht, ob wir bei der Umsetzung das gleiche Bild im Kopf haben. Soziales Engagement von Unterhemen ist ein fantastischer Weg, die Identifikation und Motivation der Belegschaft zu steigern, das Unternehmen kann damit seine Marke, sein Image ausbauen, es können Projekte gefördert werden, die in bestimmter Weise sogar das Unternehmen mit Kenntnisgewinn verbessern, beispielsweise wissenschaftliche Studien. Also spricht alles dafür. Was ich persönlich mir dabei wünsche, wenn ich das hier darf, ist, dass dieses soziale Engagement weder blutleere Feigenblätter noch herzlose Eitelkeit-Bedien-Veranstaltungen werden. Die genannten positiven Effekte stellen sich nämlich nur dann nachhaltig ein, wenn es ernst gemeint von der Sache her denkend aufgesetzt wird. Will hier nur jemand seinen (Firmen-)Namen verewigen oder einen Haken an das CSR-Kästchen im Unternehmensbericht setzen, kann es sogar gegenteilige Effekte haben und unglaubwürdig wirken. Und wenn sich diese positiven Effekte nicht einstellen, kann es in einigen Jahren zu einer krassen Gegenbewegung kommen, in der die Unternehmen bzw. die Teilhaber wieder alles streichen. Das wäre ein „zurück auf die Startlinie“ für diesen guten und richtigen Ansatz.
Sorge habe ich auch vor zu viel Kleinteiligkeit und Überschneidung. Wie in dem Spruch von zu viel Köchen am Topf ist es auch mit Engagement. Wenn am Ende keiner mehr weiß, wer eigentlich was macht raubt das Schnittstellenmanagement oder gar Konkurrenz wertvolle Kraft und Energie. Mein Ansatz wäre daher immer der, erst zu sehen, was es schon gibt und wo man sich einbringen und mitmachen kann, als überall neu zu gründen. Das verlangt natürlich von bestehenden Systemen die Bereitschaft und Größe sich zu öffnen und Macht zu teilen. Eine Horrorvorstellung ist jedenfalls eine Stiftungswelt, die weniger durch soziales Engagement und inhaltliche Erfolge als mehr durch konkurrierende Machtkämpfe und Eitelkeiten auffällt. Das ist nicht die eigentliche Idee.
Sollte die Welt sozialer oder besser organisiert werden?
Das ist jetzt eine sehr große Frage bezogen auf die ganze Welt. Besser geht natürlich immer. Bevor wir zu philosophisch werden würde ich es einmal so versuchen: Wenn wir es alle schaffen würden beim Entscheiden und bei unserem Tun, den Blickwinkel räumlich und zeitlich zu erweitern, z.B. zu verdoppeln, dann wären wir automatisch noch besser und damit sozialer aufgestellt. Ob im Berufsleben oder privat – denke ich nur ein, zwei Schritte voraus, dann kann ich nie das ganze Bild überblicken und komme in eine Reaktionsfalle als kurzfristiges Ping-Pong von Aktion und Reaktion. So viele unserer heutigen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft sind eigentlich völlig logische und vorhersehbare Auswirkungen früherer (politischer) Entscheidungen. Dann beginnen hektische und aktionistische Korrekturversuche und wir drehen uns in Bürokratien, Denkblockaden und Ideologien heiß. Ein deutlich sinnvollerer Energieeinsatz wäre es, wenn in allen Lebensbereichen zuerst eine unhysterische, sachliche und ehrliche Befassung mit einem Befund stattfinden könnte, aus dem sich ein Bild und ggf. eine Prognose ergeben. Meinungen, Wertungen und Wünsche können dann in den Schlussfolgerungen und möglichen Maßnahmen immer noch genügend eingebracht werden. Unehrlichkeit, vorenthaltene (Meinungs-)Bildungschancen und angstgeprägte Denk- und Handlungsmuster sind letztlich nie sozial oder gut.
Wie sieht Ihre Vision einer funktionierenden und sozialen Organisation aus?
Bei einer Organisation oder einem Unternehmen würde ich „sozial“ damit übersetzen, dass das Miteinander innerhalb der Belegschaft, mit den Kunden und in der Zusammenarbeit mit Zulieferern und Dienstleistern in einem ausgewogenen Interessenausgleich, quasi fair, gestaltet ist. Diese drei genannten Gruppen sind wie die drei Beine eines Hockers, damit er stabil und belastbar steht. Wenn Unternehmen oder Organisationen in diesen Beziehungen stabil im Sinne von sozial aufgestellt sind, dann können sie als vierte Gruppe Menschen und Belange im Sinne des klassischen sozialen Engagements in ihren Denk- und Handlungsraum aufnehmen. Ich habe es absichtlich so abgeschichtet dargestellt um klar zu machen, dass ein paar Spenden oder eine eigene Stiftung aus einem Unternehmen noch lange keine soziale Organisation machen. Es verlangt meines Erachtens rundum Glaubwürdiges handeln damit es funktioniert. Mit glaubwürdig meine ich natürlich nicht, dass Belegschaft, Kunden und Vertragspartner sich den ganzen Tag singend, harmonisch, friedvoll lächelnd in den Armen liegen müssen. Aber auch härteste Entscheidungen, Verhandlungen und Prozesse können eben so oder so getroffen, abgewickelt und kommuniziert werden. Darin liegt die Glaubwürdigkeit.
Kann man in sehr hohen Positionen mehr oder weniger bewegen als man sich als Normalbürger vorstellt?
Es ist wahrscheinlich am Ende deutlich weniger, als sich der von Ihnen genannte Normalbürger vorstellt. Letztlich sind hohe Positionen immer auch Schleudersitze und Bewegung löst schnell auch mal die Schleuderfunktion aus. Es bestehen auch in hohen Positionen Abhängigkeiten in alle Richtungen und es gibt Einschränkungen durch gesetzliche Vorgaben, Mitbestimmungs- und Aufsichtsgremien, limitierte Ressourcen etc. Aber die Möglichkeiten etwas zu bewegen ist natürlich immer noch sehr viel größer, als für einen einzelnen, nicht sichtbaren und nicht mit formalen Machthebeln ausgestatteten Menschen. Besonders viel Bewegung ist natürlich dann möglich, wenn das Unternehmen oder die Organisation sich klar zu einem Wandel oder einer Fortentwicklung positioniert hat und dies quasi der Auftrag ist.
Was glaube ich oft von Menschen auf, wie Sie sagen „hohen Positionen“ unterschätzt wird, ist wie stark im Umfeld beobachtet, interpretiert und nachgeahmt wird. Sagt z.B. ein Chef am Sitzungsende, er müsse jetzt schnell zur Schulaufführung seines Kindes, signalisiert das, dass Familie auch bei den Kolleginnen und Kollegen stattfinden darf und nicht als unprofessionell gewertet wird. Wird ein Chef schnell gereizt, aggressiv und laut, verroht das den ganzen Umgang quer durch die Hierarchien. Das ist dann ein unbewusstes Bewegen und Gestalten, das enorme Wirkung entfalten kann.
Diesen letzten Gedanken nehmen wir zum Anlass, optimistisch in die Zukunft des Dritten Sektors zu blicken, haben Sie vielen Dank für Ihre vielfältigen Anregungen und das Gespräch, hat Spaß gemacht.
Sehr gerne.