Diversifizieren ist nicht nur die Königsdisziplin im Anlegen von Stiftungsvermögen, es ist auch oberste Pflicht. Denn die Welt, und da sind sich Jacob Viyverberg und Nick Edwardson einig, ist hochkomplex, und die Antwort auf eine hochkomplexe Welt muss in der Kapitalanlage lauten, sich auf viele Beine zu stellen. Stiftungen sind fast schon aufgefordert, sich vom klassischen 70 zu 30 zu verabschieden und eher in der 20:20:20:15:15:10-Denke „unterwegs“ zu sein. Warum dies in diesen Zeiten so wichtig ist, dazu liefern Jacob Viyverberg und Nick Edwardson viel Hintergrund, vor allem aber gute Argumente.
stiftungenstärken.de: Was ist Ihr Blick auf das aktuelle Umfeld für das Anlegen auch von Stiftungskapital?
Jacob Vijverberg: Es ist sicher ein schwieriges Umfeld, aber, ich sage immer, wann war es das nicht. Wir müssen aber konstatieren, dass bezogen auf unseren Fonds die Dinge gar nicht so schlecht stehen, die einzelnen Assetklassen liefern praktisch durch die Bank. Bei den Rentenpapieren haben wir jüngst leichte Renditeabschläge gesehen[JV1] , was aber positiv ist für die Kursentwicklung von Anleihen. Das ist aber noch keine Zinswende zurück zur Zeit vor 2022, die Bewegung jetzt ist nur eine Anpassung. Die jungste Zinssenkung sind aus der Sicht der Notenbanken vielleicht auch eine Reaktion auf den höheren Stresslevel in der Welt. In den vergangenen Monaten haben wir vor diesem Hintergrund begonnen, unsere Positionen in Hochzinsanleihen herunterzufahren.
stiftungenstärken.de: Sehen Sie konjunkturelle Risiken am Horizont aufziehen?
Jacob Vijverberg: Das würde ich nicht sagen, für gewöhnlich ist diese Interpretation aber richtig. Die Sache mit dem Kreditmarkt ist so, dass wir aktuell sehr niedrige Ausfallquoten bei Unternehmensverbindlichkeiten haben, wir können uns aber vorstellen, dass es hier in den kommenden Monate Überraschungen geben wird, und genau davon möchten wir uns nicht überraschen lassen. Wir sehen ja bereits eine leichte Abkühlung des Arbeitsmarktes in den USA, das korrespondiert womöglich mit Ausfallrisiken, dem müssen wir frühzeitig begegnen.
Club der 25-Tipp: Jacob Viyverberg ist Fondsmanager des Aegon Global Diversified Income Fund, Nick Edwardson arbeitet als Produktspezialist für den Fonds. Der Aegon Global Diversified Income Funds[NE2] ist ein global diversifizierender und sehr ausschüttungsstarker Multi Asset-Fonds, der seit 5 Jahren schon Mitglied im Club der 25 ist. Jüngst haben wir den Fonds sogar zu einem der 5 Ausschüttungsaristokraten „gekürt“.
stiftungenstärken.de: Ist denn das Thema geopolitischer Stress etwas, was sie neu bewerten derzeit? Wir sprachen dazu jüngst mit einem Finanzverantwortlichen in einer Stiftung, er verglich das aktuelle Umfeld mit jenem in den 80ern.
Nick Edwardson: Für mich ist es hier die Perspektive, wo jemand seinen Sitz hat, von wo aus er auf die aktuelle Weltlage blickt. Sitzen Sie in Großbritannien oder Deutschland, dann sind Sie mental und physisch anders involviert beispielsweise in den Ukraine-Krieg als Amerikaner. Die Ukraine ist vor Ihrer Haustür, das macht etwas mit Ihnen. Wir haben aber gesehen, dass die Welt in den vergangenen zwei Jahren große Schritte unternommen hat, um energieresilienter zu werden, und das ist vermutlich einer der größten Einflüsse, den der Ukraine-Krieg bisher hatte. Auf den Ölpreis wiederum wird der Konflikt im Nahen Osten einen Einfluss haben, er wird ihn steigen (wie wir durch die jüngsten Ereignisse in der Region gesehen haben; Anm.d.Red.), aber übergeordnet befindet sich der Ölpreis eher auf dem Rückzug, weil die wirtschaftliche Prosperität in der Welt derzeit etwas leidet. Um China wiederum ist es auch leiser geworden, so möchte ich es einmal sagen. Die Wahrnehmung des Konflikts mit Taiwan hat abgenommen, das Ganze dort mag zurückkehren als Thema der Weltpolitik, sobald die Wahlen in den USA hinter uns liegen, derzeit bestimmt das Südchinesische Meer, so wichtig das Geschehen dort künftig werden wird, eher weniger den Stresslevel in der Welt. Für uns als Fondsmanager ist es bei alldem wichtiger, welche Geschichte uns der Arbeitsmarkt in den USA erzählt, wie die US-Notenbank FED darauf reagiert.
stiftungenstärken.de: Und die US-Wahl?
Nick Edwardson: Klar, diese wirft ihre Schatten voraus, für mich persönlich kann das dort noch in alle Richtungen gehen.
Jacob Vijverberg: Geopolitik hat manchmal enormen Einfluss auf die Asset Allocation und die Märkte, und manchmal eben nicht. Es ist für uns sehr schwierig, Geopolitik zu beurteilen, und nochmal, sie ist langfristig auch nicht der entscheidende Faktor, warum die Aufteilung im Fonds „funktioniert“, so möchte ich mal nennen.
stiftungenstärken.de: Wir durften Ende April dieses Jahres zu Gast sein auf der Asset Management for foundations conference in Toronto. Dort wurde davon gesprochen, dass die Asset Alloction in den nächsten Jahren eher breiter gefasst sein müsse, um widerstandsfähiger gegenüber Schocks zu sein, ohne diese Schocks näher zu definieren. Wie stehen Sie zu einer breiteren Asset Allokation im Stiftungsvermögen?
Jacob Vijverberg: Grundsätzlich würde ich dem zustimmen, es gilt aber, sich mit der Asset Allocation noch einmal dezidierter auseinanderzusetzen. In unseren Augen ist es tatsächlich problematisch, wenn man zu einer Anlageklasse überaffin ist. In Deutschland ist das ja, wie man hört, vor allem die Anleihe. Anleihen bieten im aktuellen Umfeld schon eine gute Chance für gute Wertbeiträge, was wir sehen ist, dass Anleger entweder hier oder eben bei den Top-7-Aktien des S&P 500 große Bindungen eingehen. Aus der Erfahrung heraus würde ich sagen, dass so etwas problematisch werden kann. Wir würden uns von den Apples dieser Welt nicht verabschieden, aber wir würden sie im Auge behalten. Die Frage ist hier, ob der Markt diese Werte für zu teuer erachtet oder nicht, nach wie vor können hier große Opportunitäten enthalten sein, sofern das Wachstum anhält, oder sich gar noch beschleunigt. Das Thema Artificial Intelligence (AI) treibt momentan die Phantasie der Anleger, aber AI tritt in eine neue Ära ein. AI hält Einzug in Infrastruktur und Produktion, der Einsatz dieser Techniken ist aber auch sehr kapitalintensiv. Genau aus diesem Grund muss AI nicht überall zu einem höheren Gewinnwachstum führen, aber das werden wir eben erst in den kommenden Jahren sehen. Das Wachstum ist da, ja, aber den Hype müssen Anleger im Auge behalten. Technologieaktien sind keine Einbahnstraße.
stiftungenstärken.de: Würden Sie also sagen, dass die Welt insgesamt eine unsicherere ist, und wenn wir zu diesem Schluss kommen, wie sähe die Reaktion darauf aus?
Nick Edwardson: Naja, wir leben immer in einer Welt der Unsicherheit, oder nicht? Es ist schwierig in die Köpfe der Entscheider in den Notenbanken oder den Parlamenten zu schauen, somit haben wir immer Unsicherheit, mit der wir umzugehen haben. Als Multi Asset-Investoren ist Diversifikation die Antwort darauf, und ich bin davon überzeugt, dass es übergeordnet die Antwort ist, nicht nur auf eine Anlageklasse zu setzen. Komplexe Unsicherheiten mit einer oder zwei Anlageklassen zu beantworten, da bin ich speziell aus der Perspektive eines langfristigen Investors wie einer Stiftung skeptisch. Der Fakt ist aber auch, dass Stiftungen Erträge aus verschiedenen Formen von Diversifikation ziehen können. Derzeit sehen wir verschiedene Opportunitäten in der entwickelten Welt, aber eben auch in der sich entwickelnden Welt, davon verschenkt man zu viel, schaut man nur auf beispielsweise AAA-Anleihen. Unser Fonds hat jetzt im September die 100te Ausschüttung en suite gezeigt, seit 100 Monaten schütten wir also konsequent aus, durch sämtliche Zyklen hindurch. Und die Quelle dessen ist die breite Diversifikation im Fonds, an der wir aber permanent arbeiten müssen, weil die Welt nun mal so ist wie sie ist. Diversifikation hilft, die Risiken „da draußen“ sind, zu managen, in den Griff zu bekommen bzw. in Erträge ummünzen zu können.
stiftungenstärken.de: Das ist eine gute Blaupause für langfristiges Investieren. Sollen wir noch etwas konkreter über das jüngste Doing im aktuellen Investment-Universum sprechen?
Jacob Vijverberg: Wenn wir uns mal freimachen von Geopolitik & Co., dann wird die Elektrifizierung der Welt ein großes Thema bleiben. Smarte Netzwerke, die lastorientiert Strom verteilen oder eben Infrastrukturen für das Aufladen von Automobilen jedweder Art, das werden Themen sein, die uns künftig befassen und in die wir investieren werden. Der Inflation Reduction Act in den USA ist hier sicherlich ein großer Treiber. Wind und Solarenergie werden wichtiger werden im Energiemix, und was wir hier in Nordamerika sehen sind Investitionen, die einfach stattfinden werden und die Investoren Möglichkeiten bieten. Ein anderer Sektor ist der Chipsektor. Hier finden sich vielfältige Möglichkeiten, die Welt braucht Chips, und das sind nicht nur AI-Chips, sondern beispielsweise auch Stromsparchips. Hier ergeben sich dann Opportunitäten, auch in den Emerging Markets, die dürfen Anleger nicht ignorieren.
Was uns in Emerging Markets immer wieder begegnet sind nicht ausgereifte Rechtsrahmen die Aktionärsrechte betreffend, und das mag ein Grund für die Underperformance dort sein. Manche Unternehmen nehmen die Interessen der Aktionäre aber ernst, und das sind dann Gelegenheiten, die wir uns auch anschauen.
stiftungenstärken.de: Was ist Ihre Meinung bzw. Haltung zu Alternativen Anlagen? Im Jahr 1985 begann David Swensen ja, das Yale-Stiftungsvermögen auch in Alternative Anlagen zu investieren, erntete damit große Erfolge die Erträge betreffend, vor allem, weil er durchhielt.
Jacob Vijverberg: Alternatives haben in den vergangenen drei Jahren nicht übermäßig gut performt, aber börsengelistete Infrastruktur beispielsweise hat gute Ergebnisse gezeigt. Wir schauen uns jetzt um, ganz klar, sehen Möglichkeiten etwa bei Immobilien mit logistischem Hintergrund, wichtig ist, dass die Anbieter Alternativer Anlagen heute gut gemangt sind und nicht mit zu hohem Fremdkapitalanteil agieren. In den Infrastruktursektor wird viel Geld investiert werden, Straßen, Schienen und Stromnetze werden neu gebaut werden. Dort, wo sich Chancen für Anleger bieten, muss das regulatorische Rahmenwerk mitspielen, und hier ist man dann gut beraten, dabei zu sein. Entscheidend ist aber der Zeithorizont.
stiftungenstärken.de: Wenn wir noch einmal auf mögliche Portfoliogefahren zu sprechen kommen, kann es sein, dass die größte Gefahr ist, nicht breit genug diversifiziert zu sein?
Nick Edwardson: Naja, es gab immer und es wird sie immer geben, Zeiten in denen Anlageklassen gut performen, und solche, in denen sie eben genau das nicht tun. Jacob sprach ja beispielsweise von börsennotierter Infrastruktur, die wir mit 9% im Fonds gewichten, die wir aber um die Hälfte reduziert haben im Zuge der Zinswende. Es war dies die richtige Entscheidung, im Kontext dessen, was sich zugetragen hat. In den vergangenen beiden Jahren hat sich der Anleihemarkt signifikant verändert, es war richtig, hier ein größeres Gewicht im Portfolio aufzubauen. Bei den Private Markets ist es eine Frage des Zugangs, aber eben auch eine Frage der Rahmenbedingungen, die sich wiederum in der Zeit verändern. Was ich sagen will, ja, es war in den vergangenen Jahren richtig, breit aufgestellt zu sein. Das Management des Fonds hat immer wieder an den Quoten der Assetklassen gearbeitet, sie gemäß dem Ziel angepasst, auf 5% Ausschüttung pro Jahr zu kommen, verteilt auf 12 Auskehrungen im Jahr. Ich denke, dass ist das Wichtigste, dass Anleger ihr Ziel [NE3] nie aus dem Auge verlieren, und ja, für mich ist die Antwort auf die Frage, wie ich künftig eher auf 5% ordentlichen Ertrag komme, die eher breitere Streuung.
stiftungenstärken.de: Der „track record“ ist mit Ihnen. Zum Ende kommende interessiert uns noch Ihre Meinung zur Präsidentschaftswahl in den USA. Was sagt Ihnen Ihr Bauch?
Jacob Vijverberg: Politische Events haben großen Einfluss auf die Kapitalmärkte, speziell wenn es um die USA geht, aber es ist auch extrem schwer, hier etwas vorauszusagen. Kamala Harris als Präsidentin würde kein großer Gamechanger sein, ausgehend von dem, was die Agenda in der Welt momentan auf dem Schirm hat. Wenn wir aber von Unsicherheit sprechen, dann müssen wir über Trump sprechen. Würde er zum zweiten Mal US-Präsident werden, würden wir sicher noch einmal eine Zunahme von Unsicherheiten sehen, die Welt würde nochmal eine weniger berechenbare werden. Für europäische Exporteure würde es schwieriger werden, Produkte in den USA zu verkaufen, das würde man in Europa spüren. Vorauszusagen ist es jedoch kaum.
Nick Edwardson: Was mich in Bezug auf den Ukraine-Krieg umtreibt ist, dass wir Europäer Putin unterschätzen, in seinem Willen, diesen Krieg zu führen. Es kann sein, dass der Krieg für Putin unter einer Präsidentschaft Harris sehr teuer wird, vielleicht zu teuer, aber was er für eine Alternative ausgehend von der Situation, in die er sich hineinmanövriert hat? Russische Machthaber haben schon in der Vergangenheit Kosten für Kriege nicht gesehen, insbesondere war es ihnen egal, wie hoch der Einsatz unter anderem auch an Menschenleben war. Westliche Demokratien würden den Krieg sofort beenden, Putin rechnet anders. Einen letzten Gedanken möchte ich noch einwerfen. Die USA werden immer kritisch gesehen, die Börsen dort seien teuer. Das mag sein, aber die Märkte dort haben alle anderen Märkte in den vergangenen Dekaden deutlich outperformt. Wir sollten die die Fähigkeit der amerikanischen Wirtschaft nicht unterschätzen, mit Risiken umzugehen und daraus bzw. auch damit Erträge zu generieren. Da sind uns die Amerikaner voraus.
stiftungenstärken.de: In der Tat, über den großen Teich zu schauen, kann manchmal (nicht immer) augenöffnend sein. Wir danken Ihnen für Ihre Zeit und die tiefen Einblicke, wie Sie die Welt derzeit sehen und was dies für die Asset Allocation auch für Stiftungen bedeutet. Danke dafür.
Das Interview führte Tobias Karow für www.stiftungenstärken.de.
Jacob Vijverberg ist CO-Fondsmanager des Aegon Global Diversified Income, Nick Edwardson arbeitet bei Aegon Asset Management als Produktspezialist für das Global Diversified-Team.