„Es ist ein sehr gutes Gefühl, eine Stiftung zu gründen“

Die gemeinnützige Manfred-Sauer-Stiftung will zu einem barrierefreien Miteinander von Menschen mit Querschnittlähmung und Fußgängern beitragen.

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Manfred-Sauer-Stiftung
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Die Stiftung wurde 2001 mit dem Motto „Leistungsbereitschaft Querschnittgelähmter fördern“ gegründet. Es flossen das Privatvermögen von Manfred Sauer sowie seine Gesellschafteranteile an der Manfred Sauer GmbH eing. Die Stiftung ist keine Reha-Einrichtung, sondern eine barrierefreie Begegnungsstätte unter Führung einer Betriebsgesellschaft der Stiftung mit Hotel, Restaurant, Werkstatt, Turnhalle und Außenparcours für querschnittgelähmte Rollstuhlfahrer und Fußgänger. Sie will Impulse für bewusstes Leben geben.

Manfred Sauer ist selbst querschnittgelähmt. Er brach sich 1963 als 19-jähriger Schüler während eines Ferienaufenthaltes in England durch einen Schwimmunfall die Halswirbelsäule. Es folgte nach Klinik und Reha eine kaufmännischen Ausbildung. 1974 verließ Manfred Sauer den öffentlichen Dienst, um sich mit einer Angestellten selbständig zu machen, und zwar mit dem von ihm weiterentwickelten sogenannten Kondom-Urinal bei Blaseninkontinenz. 1982 errichtete er im Gewerbegebiet von Lobbach einen Produktionsbetrieb, in dem heute alle Komponenten dieses Systems sowie Katheter hergestellt und über 300 Mitarbeiter beschäftigt werden.

Manfred Sauer

Haben Sie die Stiftung 2001 gleich mit dem Ziel gegründet, eine Betriebsgesellschaft zu installieren? Oder gab es einen Auslöser dafür?

Sauer: Wir haben nach der Gründung der Stiftung sechs Jahre benötigt, um alles zu planen und das Gebäude zu errichten, das wir zum Erfüllen des Stiftungszweckes zwingend benötigen. Als wir dann mit Hotel, Seminarräumen, Werkstatt  und Restaurant so weit waren sagte der Steuerberater, dass das alles sauber getrennt werden muss. Wir haben dann die Betriebsgesellschaft gegründet. Von der Miete, die die Gesellschaft an die Stiftung als Eigentümerin der Immobilie zahlt bestreiten wir unsere Ausgaben für die gemeinnützige Arbeit, also Seminare, Workshops, Fortbildungen und viele weitere Aktivitäten.

Funktioniert die Erfüllung des Stiftungszwecks über die Betriebsgesellschaft gut – oder wünschen Sie sich andere, leichtere Regelungen, z.B. im Steuerwesen oder bei Zuschüssen?

Die Konstruktion mit der Betriebsgesellschaft ist gut umzusetzen, da hat es weder mit der Steuerberatung beziehungsweise dem Finanzamt oder der Stiftungsaufsicht noch keine großen Probleme gegeben. Grenzfälle gibt es überall, aber das kann man mit Rückfragen gut lösen. Von daher kann man anderen Stiftern durchaus zuraten darüber nachzudenken, den Zweck über eine Betriebsgesellschaft zu erfüllen, wenn es sich anbietet.

Sie vereinnahmen auch Spenden: Betreiben Sie konkret Fundraising? Wie viel tragen Spenden zum Etat bei?

Spenden vereinnahmen wir vor allem für die Werkstatt, also Verbrauchsmaterial oder auch mal die eine oder andere Maschine, wenn es passt. Wir betreiben aber keinerlei Fundraising oder konkurrieren mit anderen Stiftungen oder sozialen Einrichtungen um Spenden. Von daher machen Barspenden bei uns vielleicht 0,01% des Etats aus.

Die Einrichtung in Lobbach wendet sich an Gelähmte und Fußgänger gleichzeitig. Bewährt sich dieser Ansatz, kommen Sie mit dem „barrierefreien miteinander“ voran?

Das bewährt sich sogar außerordentlich, und auf diesem Weg kommen wir unserem Zweck stetig näher, die Bevölkerung in Kontakt mit dem Rollstuhlfahrer zu bringen. So entsteht gegenseitiges Verständnis für die Wünsche und Bedürfnisse. Wir wollten kein Rollifahrer-Ghetto, und das gelingt uns, denn an einem normalen Tag sind bei uns mehr Fußgänger als Rollstuhlfahrer im Haus.

Arbeiten Sie auch mit Versicherungsträgern wie Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften etc. zusammen? Wie setzt sich ihre „Kundschaft“ zusammen?

Wir verfügen nicht über spezielle Angebote im Bereich der Rehabilitation, sondern bieten Fortbildungen für Rollstuhlfahrer an. Zum Beispiel zu Themen wie Ernährung und Verdauung, Kreativität, Körperbewusstsein, Entspannung sowie Mobilität und Rollstuhltraining. Wenn man so will ist dies Bildungsurlaub für Rollstuhlfahrer, da übernehmen Kostenträger nichts. Besonders stolz sind wir, dass viele Rollstuhl-Sportler unser Haus besuchen und gemeinsam trainieren. Wir haben die Nationalmannschaften im Badminton, Rugby und Tischntennis regelmäßig bei uns in Lobbach.

Wie ist die Unterstützung im näheren Umfeld und auch bundesweit: Fühlt sich die Stiftung wertgeschätzt, erhalten Sie Unterstützung über Sonntagsreden hinaus?

An der Politik laufen wir mit unserem Angebot vorbei. Wir arbeiten auch nicht mit Behörden zusammen oder beantragen Zuschüsse für die Arbeit mit Rollstuhlfahrern. Denn für 10% Zuschuss wollen Behörden immer 90% Entscheidungsgewalt. Was wir uns natürlich wünschen würden wäre eine Gesetzgebung, die die Integration von Rollstuhlfahrern in die Arbeitswelt verbessern würde. Das ist ja unser Ansatz, die Leistungsbereitschaft für Querschnittsgelähmte zu fördern. Da müsste vom Gesetzgeber wesentlich mehr unternommen werden.

Offene Frage zum Abschluss: Was wollten Sie schon immer einmal zu Ihrer Stiftung und dem Angebot in Lobbach mitteilen?

Ich appelliere an alle Unternehmerinnen und Unternehmer, wenn sie vor der Frage der Nachfolge stehen, einmal ein Stiftungskonzept durchzudenken, bevor sie das Unternehmen an Investoren geben. Investoren wollen Geld sehen, überlegen Sie bitte, ob das für Ihre Mitarbeiter gut ist. Es gibt viele Möglichkeiten, eine Stiftung auszugestalten und ich kann sagen, es ist ein sehr gutes Gefühl, eine Stiftung zu gründen.