Stiftungskommunikation und der Pritt-Faktor

Inwiefern Stiftungskommunikation von Wahlkommunikation lernen kann

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Was Stiftungskommunikation von Wahkommunikation lernen kann
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Jetzt ist er doch noch einer geworden, ein richtiger Wahlkampf. Lebendige Wahlkämpfe leben von lebendiger Kommunikation, und wenn Kommunikation verfangen soll, dann brauchen die Botschaften so etwas wie einen Pritt-Faktor: Der Wähler muss an einer Stelle an ihnen kleben bleiben, und der Pritt-Stift, der beim Klebenbleiben hilft, das sind Bilder, das sind Formulierung, das sind Vereinfachungen, das ist Frequenz. Stiftungskommunikation kann sich hier an einigen Stellen inspirieren lassen.

Es ist wieder Bundestagswahl. Immer wenn Bundestagswahl ist, ist die Republik ab einem gewissen Punkt im Wahlkampfmodus, und der ganze Trubel steigert sich bis zum Wahltermin dann noch einmal ganz erheblich. Im Vorfeld werden Bildkampagnen ausgerollt, auf Social Media wird jede Chance auf Aufmerksamkeit genutzt, in Fernsehsendungen müssen die Kandidatinnen und Kandidaten in Wahlarenen und Triellen Rede und Antwort stehen – und trotzdem verfangen bei aller Vehemenz nur ganz vereinzelte Botschaften. Der Wähler bleibt inmitten des Wahlkampfs nur an ganz wenigen zentralen Sätzen hängen, die dann ggf. auch seine Wahlentscheidung beeinflussen. Manchmal aber können Wähler gar nicht sagen, warum sie diese oder jene Partei gewählt haben, weil sie gar nicht wissen, für was die Parteien eigentlich stehen.

WÄHLER LÖSEN SICH VON IHREN BINDUNGEN

In der Wahlkommunikation ist der Wähler der Adressat, der Absender sind die Parteien. Die Parteien ihrerseits kommunizieren und setzen darauf, dass sich der Adressat der Wahlbotschaft, also der Wähler, an die Kommunikation seitens der Partei gewöhnt, die Partei ihn dort abholt, wo er abgeholt werden möchte. Heute ist es jedoch so, dass sich die Wähler einerseits in der Tat an die Kommunikation gewöhnen, sie dann aber doch ein anderes Wahlverhalten an den Tag legen, als es das Kommunikationsverhalten ursprünglich hat vermuten lassen. So lassen sich die teils großen Abweichungen der Wahlergebnisse von den Wahlumfragen erklären. Der Wähler löst immer wieder gerne mal von seinen Haltungen, von seinen Bindungen.

WO IST DER PRITT-FAKTOR?

Die Politikwissenschaft spricht, wenn sie diese Bindungen analysiert, auch von Cleavages bzw. Spaltungslinien. Entlang bestimmter Präferenzen bildeten sich politische Klientele, bei denen die jeweilige Bindung zu einer Partei sehr hoch war. Diese Bindungen waren sehr stabil, begannen sich jedoch in den 2000er Jahren zu lösen. Es wird gemutmaßt, dass aus Sicht der Wähler demzufolge auch ein Jahrzehnt der Enttäuschungen der Wähler ins Haus steht. Denn die Idee, sich von „ihrer“ Partei zu lösen, entstammt der Überlegung, dass andere Parteien ihre Interessen besser wahrnehmen können. Aber dem ist vermutlich nicht so, weshalb die Präferenzen rasch wechseln könnten. Der Pritt-Faktor ist verloren gegangen, Wähler bleiben nicht mehr haften.

STIFTUNGEN KÖNNEN BINDUNGEN AUFBAUEN

Was können Stiftungen nun in der Stiftungskommunikation tun, damit Nutzer, Adressaten, Spender und Begleiter an ihren Geschichten haften bleiben. Was können sie aus der Cleavage-Theorie lernen. Die Cleavage-Theorie könnte übertragen auf die Stiftungskommunikation bedeuten, dass Stiftungen diese Bindungen auch aufbauen können, dass sich bestimmte Zielgruppen eher an sie binden als an andere Stiftungen, dass bestimmte Themen bzw. stiftungspraktische Inhalte eher ansprechen als andere, dass „man“ sich hieran bindet. Stiftungskommunikation kann demnach also durchaus bestimmte Botschaften stärker frequentiert nach außen tragen, sie praktisch mit dem Pritt-Faktor versehen.

FREITAGSPODCAST-TIPP: Warum Stiftungen nicht nicht kommunizieren sollten, dazu haben wir mit der Kommunikationsexpertin und Stiftungsmanagerin Katrin Tönshoff im FreitagsPodcast gesprochen.

DIE FREQUENZ MACHT‘S

Warum sagen Politiker manche Sätze mehrfach, vielfach, bis sie einem zum Halse rauskommen? Damit sie verfangen, und genau das sollten sich Stiftungen auch überlegen. Einzelne Botschaften immer und immer wieder nach außen zu tragen, das nervt vielleicht aber früher oder später bringt man eine Stiftung mit einer Botschaft in Verbindung, es entsteht eine Bindung, und diese Bindung ist dann womöglich so stark, dass der Adressat der Botschaft zum dauerhaften Begleiter oder Fan der Stiftung wird. Frequenz ist also etwas, das Stiftung in ihrer Stiftungskommunikation aufbauen sollten, und hier sollten Stiftungen auch nicht immer zimperlich sein. Im Netz gibt es einen Satz, der einfach stimmt: Vieles versendet sich.

AUCH INTERNETNUTZER BRAUCHEN HALT

Das meint, das Botschaften nicht sofort verfangen, dafür sind es viel zu viele Botschaften, womit wir wieder bei den Parallelen zur Wahlkommunikation wären. Botschaften müssen oft in die Kanäle gegeben werden, Stiftungen können dies auch so halten und müssen sich nicht peinlich berührt am Schreibtisch sitzen sehen, weil sie jetzt die gleiche Botschaft zum vierten Mal an die Community gegeben haben. Das Wiederholen einer Botschaft ist einfach eine Mechanik, die es im Zeitalter der Internetkommunikation, die sich Stiftungen zu Nutze machen, braucht. Auch Internetnutzer bzw. Besucher von Websites oder Social Media-Kanälen brauchen Halt, suchen diesen Halt, so wie eine klare politische Botschaft einem auch Halt geben kann.

IHRE ZIELGRUPPEN MÜSSEN STIFTUNGEN KENNEN

Stiftungskommunikation kann von Wahlkommunikation auch lernen, dass die adressierte Zielgruppe ein ganz entscheidender Punkt ist. Wir haben an dieser Stelle schon oft geschrieben, dass Stiftungen in der Stiftungskommunikation ihre Zielgruppen kennen müssen. Wahlkommunikation ist umso erfolgreicher, je homogener die adressierte Gruppe ist. Genau dann ist die Voraussetzung günstig, kommunikativ auch wahrgenommen zu werden. Für Stiftungen gilt das auch. Wer seine Zielgruppe definiert, der sollte diese clustern und danach die Kommunikation ausrichten. Ist das Cluster homogen und wird die Kommunikation auf dieses Cluster abgestimmt, dann wird die Stiftung mit höherer Wahrscheinlichkeit ihr Ziel erreicht, dort gehört oder gesehen zu werden.

KAMPAGNE STATT EINZELBANNER

Nicht zuletzt kann sich Stiftungskommunikation von Wahlkommunikation das Campaigning ein Stück weit abschauen. Stiftungen gehen ja auch nach außen, fragen nach Banner- oder Anzeigenplätzen in Medien, rollen derlei aber nicht aus. Es wird von Fall zu Fall platziert, wodurch sich natürlich die Multiplikatoreffekte nicht einstellen können. Wahlkommunikation will ein Produkt verkaufen, und das ist der Kandidat. Entsprechend wird nicht einzelplatziert, sondern im Rahmen von Kampagnen eine Botschaft oder ein Bildmotiv ausgerollt, mit allem was der Kampagnenkasten hergibt. Stiftungskommunikation muss dies nun nicht eins zu eins übernehmen, aber in Kampagnen zu denken statt in einzelnen Insertionsaktionen, das kann schon helfen, die Botschaft deutlich breiter in die Landschaft zu tragen.

ZUSAMMENGEFASST

Stiftungskommunikation kann sich die eine oder andere Sache von Wahlkommunikation entlehnen, nicht vergessend, dass sich Stiftungskommunikation von Haus aus an einen kleineren Adressatenkreis richtet als Wahlkommunikation. Trotzdem sollte auch Stiftungskommunikation zielgruppenspezifisch sein, sie sollte frequent sein, und sie sollte es darüber schaffen, Bindungen aufzubauen, also einen Pritt-Faktor ausprägen. Denn nicht nur der Wähler braucht Halt, auch der Internetnutzer ist hierfür offen. Vielleicht ist dies auch etwas Übergeordnetes, was Stiftungskommunikation über den Pritt-Faktor erreichen kann: Halt geben, in Zeiten, in denen sich Bindungen lösen und Erwartungen im Politischen sich andernorts erfüllen sollen.