#vtfds2021 – die Nachlese: Die Leistungskraft des Stiftungsvermögens leitet sich daraus ab, welche ordentlichen Erträge für die Zweckverwirklichung zur Verfügung stehen und wie zukünftig die notwendigen Zuflüsse erzielt werden können. Mit Dr. Christoph Mecking und Dr. Stefan Fritz, zwei ausgewiesenen Stiftungsexperten, sprachen wir beim zweiten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen über den Begriff an sich, aber auch über Mittel und Wege, wie die Leistungskraft des Stiftungsvermögens zu stärken ist.
Leistungskraft ist ein zentraler Begriff rund um das Stiftungsvermögen. Ein Stiftungsvermögen ist genau dann leistungsfähig, wenn ausreichende Erträge fließen, um den Stiftungszweck dauernd und nachhaltig erfüllen zu können. Nebenbedingung ist, dass das Grundstockvermögen bzw. der Kapitalstock einer Stiftung nicht ausgezehrt wird. Dr. Christoph Mecking führte Stiftungsverantwortliche in seinem einführenden Impuls genau auf die Notwendigkeit zurück, Stiftungsvermögen zu bewirtschaften. „Jede Kapitalstiftung braucht Mittel, um überhaupt tätig zu sein“, ordnete der Stiftungsexperte den Sachverhalt einmal ganz grundsätzlich ein, um zu ergänzen: „Die Stiftung ist ein organisiertes Zweckvermögen, und das Vermögen ist die Grundlage für dessen Leistungskraft.“
LEISTUNGSKRAFT STÄRKEN, DARUM GEHT ES HEUTE IN VIELEN STIFTUNGSVERMÖGEN
Es geht also darum, die Leistungskraft zu stärken, und für Dr. Christoph Mecking ist dabei völlig klar, dass dies nur durch einen zeitgemäßen Einsatz des Stiftungsvermögens zu schaffen ist. Die mündelsichere Anlage hat sich in heutigen Zeiten überlebt, dafür sollte die Aktie stärkere Berücksichtigung finden, die in vielen Stiftungsvermögen immer noch nur in homöopathischen Dosen enthalten ist. Dr. Christoph Mecking analysierte: „Praktisch alle Untersuchungen zeigen, dass nur durch die Aktienanlage auf lange Sicht das Stiftungsvermögen in seinem realen Wert erhalten oder sogar vermehrt werden kann. Und aus der Aktienanlage sind auch ordentliche Erträge zu erwirtschaften als Dividende, die heute in vielen Fällen deutlich höher ausfällt als der Zinsertrag aus einer Anleihe.“
VIDEOTIPP: Den kompletten Stream des zweiten Virtuellen Tags für das Stiftungsvermögen im RE-LIVE sowie die Mediathek zum #vtfds2021 finden Sie auf www.vtfds.de.
DER STIFTUNGSVORSTAND ENTSCHEIDET, NICHT DIE STIFTUNGSAUFSICHT
Für Dr. Mecking ist die Berücksichtigung der Aktien aber nur der Anfang bzw. ein Baustein einer zeitgemäßen Vermögensanlage einer Stiftung. Stiftungen müssten vielmehr breit diversifizieren, ihr Stiftungsvermögen auf mehrere Füße stellen, und sollten hierbei nicht auf konstruktive Hinweise seitens der Stiftungsaufsichtsbehörden warten. Diese gebe es zwar mitunter, aber letzten Endes sei es der Stiftungsvorstand, der verantwortlich ist und „machen muss“: „Der Stiftungsvorstand entscheidet, nicht die Stiftungsaufsicht. Und weil dem so ist, sollte der Stiftungsvorstand genau das auch tun – auf Basis gut fundierter und sachgerechter Informationen.“
NICHTSTUN KANN EINEN HAFTUNGSTATBESTAND BEGRÜNDEN
Manche Stiftungsvorstände haben aber Ängste, die notwendigen, vielleicht auch mit einem gewissen Risiko verbundenen Entscheidungen zu treffen, führte Dr. Mecking zudem aus, und weist auf ein Problem hin: „Wer nicht entscheidet, nichts tut und meint, damit sei man auf der sicheren Seite, der irrt. Die, die nichts tun, könnten womöglich eines Tages ihre Quittung bekommen.“ Lösungen drängen sich indes nicht auf. “ Was hier drinsteckt, ist eine gewisse Handlungsempfehlung für Stiftungsverantwortliche, sich mit dem Thema Vermögen auseinanderzusetzen – aber nicht in dem Sinne, jetzt zum Vermögensprofi zu werden, sondern sich Profis für das Vermögensthema zu suchen. Denn: „Nichtstun kann einen Haftungstatbestand begründen“, brachte Dr. Christoph Mecking das Problem noch einmal auf den Punkt.
DER KAPITALERHALT WIRD VERABSOLUTIERT
Dr. Stefan Fritz, Geschäftsführer der Bischof Arbeo Stiftung, brachte noch einen anderen für Stiftungsverantwortliche wichtigen Aspekt in die Diskussion ein. Für ihn stellt sich die Situation in vielen Stiftungen wie folgt dar: „In meinen Augen hat die Betonung des Kapitalerhalts in der juristischen Diskussion und auch in der Praxis vieler Stiftungen ein Übergewicht eingenommen. Oft ist es so, dass der Kapitalerhalt verabsolutiert wird und die anderen Ziele der Kapitalanlage, etwa das des ordentlichen Ertrags oder der Nachhaltigkeit, dem nachgeordnet werden. Das aber darf nicht sein.“ Für Dr. Stefan Fritz ist zudem klar, dass „wenn Stiftungen langfristig denken, eben Ziele wie das Ertragsziel nicht automatisch ins Hintertreffen gelangen dürfen“.
DR. STEFAN FRITZ REGT AN, IN SZENARIEN ZU DENKEN
Der Langfristaspekt ist zudem einer, dem wir beim zweiten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen mit dem Begriff „Stiftungsvermögen 2030“ Ausdruck verliehen haben, und für Dr. Fritz passt dies für viele Stiftungen sehr gut. „Bei Stiftungen geht es nicht um die Vermögensoptimierung, sondern um die Verwirklichung des Stiftungszwecks.“ In der täglichen Praxis kann das für Stiftungen auch bedeuten, sich von den gängigen Risikokennziffern zu lösen. „Die Aussagekraft von Risikokennziffern nimmt ja immer mehr ab, je länger eine Stiftung den Anlagehorizont fasst. Stiftungen sollten eher in Szenarien denken, sich zum Beispiel ein Basis-Szenario und ein Worst-Case-Szenario zurechtlegen, zwischen denen sie sich dann etwa in der strategischen Asset Allocation bewegen.“
STIFTUNGEN SIND DIE ANLEGERGRUPPE, DIE AM WENIGSTEN REGULIERT IST
Was Stiftungen in den Augen von Dr. Stefan Fritz ebenfalls überwinden müssen, sei das mantrahafte Schauen auf den kurzfristigen Verlust. „Wenn Stiftungen den Zeitraum 2030 im Auge haben, dann wird schnell klar, wie wenig relevant selbst so ein Ereignis wie der Corona-Crash im März 2020 für die langfristige Anlage von Stiftungsvermögen ist“, sortierte Dr. Fritz das jüngste Geschehen ein, und ergänzt: „Wir sind als Stiftung die Anlegergruppe, die am allerwenigsten reguliert ist – im Vergleich etwa zu Versicherungen oder anderen; wir können also relativ frei über unsere Anlagepolitik entscheiden. Viele Stiftungen binden sich hier zu sehr durch überkommene Anlagetraditionen. Es gibt für Stiftungen so gut wie keine gesetzlichen Restriktionen für das Stiftungsvermögen.“
ZUSAMMENGEFASST
Es liegt an den Stiftungen und ihren Verantwortlichen, die richtigen Entscheidungen für das Stiftungsvermögen zu treffen. Dr. Christoph Mecking und Dr. Stefan Fritz hoben auf die Leistungskraft des Stiftungsvermögens ab und wie diese zu stärken ist, und zudem auch auf die praktisch nicht vorhandenen rechtlichen Restriktionen bei Investitionsentscheidungen. Stiftungen sind hohe Freiheitsgrade in der Anlage des Stiftungsvermögens eingeräumt. Sie können Anlagehorizonte weiten, sich auch mit alternativen Szenarien befassen und müssen nicht in festgefahrenen Marktbildern haften bleiben. Insofern gibt es im Kontext von Stiftungsvermögen 2030 jede Menge zu tun, aber eben auch jede Menge Spielräume zur verantwortlichen Gestaltung.