Da ein Ende der Niedrigzinsphasen nach fast einem Jahrzehnt immer noch nicht absehbar ist, verlangt auch die Stiftungsaufsicht von ihren Klienten eine ordnungsgemäße Vermögensanlage. Die Empfehlungen von Hans-Dieter Meisberger (DZ Privatbank) lauten daher: Anlagerichtlinien erstellen, Rücklagen bilden, Kapitalerhaltungskonzept planen und eventuell auch fundraisen.
Stiftungen, die in der Geldanlage immer noch untätig sind, laufen inzwischen Gefahr, von der Stiftungsaufsicht die rote Karte gezeigt zu bekommen. Dies berichtete Hans-Dieter Meisberger, Leiter Stiftungen, Kommunen und NPO´s für die Region Süd der DZ Privatbank beim Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen am 24. Juni 2020. Während sich die Behörden lange bei nichtjuristischen Fragestellungen zurückhielten, erreichten ihn inzwischen die Hilferufe mehrerer Stiftungen, die von den Aufsichten angemahnt wurden, weil ihre Stiftungsverwaltung kaum noch Erträge aufwies. Nach Meisbergers Erfahrung verlangen die Behörden inzwischen durchaus die Bemühung um eine ordnungsgemäße Vermögensverwaltung. Ja es habe schon Fälle gegeben, in denen die Abberufung des Vorstands zur Debatte stand, wenn sich die Stiftung hier beratungsresistent zeigte. Ebenso existierten mittlerweile Gerichtsurteile, die verfügten, dass ein professioneller Vermögensverwalter herangezogen werden müsse.
Fragen Stiftungen dann jedoch, welche Anlageprodukte oder -strategien konkret infrage kommen, verweise die Stiftungsaufsicht darauf, dass sie als bloße Rechtsaufsicht keine Anlageempfehlungen aussprechen könne, so die Beobachtungen des Referenten. Dies mag unbefriedigend erscheinen, gibt Stiftungen aber auch einen großen Entscheidungsspielraum. „Eine auf unbestimmte Zeit errichtete Stiftung ist zum Substanzerhalt verpflichtet, aber in keinem der 16 Landesstiftungsgesetze zu realen Kapitalerhalt“, betonte Meisberger. Vielmehr entscheide der Stifterwille darüber, was gewollt ist. „In den Köpfen ist auch immer noch die Vorstellung, dass eine Anlage mündelsicher sein muss“, berichtete der Referent. „Dies ist aber nirgendwo vorgeschrieben.“
ANLAGERICHTLINIEN SIND UNERLÄSSLICH
Meisberger sieht daher Stiftungsvorstände selbst in der Pflicht, sich über flexible und zeitgemäße Anlagerichtlinien Gedanken zu machen. Hier gibt es offenbar noch Nachholbedarf. So zitierte der Referent eine Studie des Bundesverbands Deutscher Stiftungen aus dem Jahr 2014, laut der mehr als 50% aller rechtsfähigen Stiftungen über keine Anlagerichtlinie verfügten. Die mangelnde Bereitschaft, überlegt am Kapitalmarkt zu agieren, hielt er für fatal. „100% Sicherheit heißt heute Minuszins.“
Für Meisberger sollte eine Anlagerichtlinie Aussagen zur Zielrendite enthalten, die gewünschte Bonität der Emittenten festlegen und bestimmen, ob Fremdwährungen zulässig sind. Weiter könne sie die zulässigen Anlageklassen auflisten und auch entscheiden, welche Vermögenswerte nicht veräußert werden dürfen – wie z.B. die vom Stifter eingebrachte Immobilie oder dessen Anteile an einem Unternehmen. Ebenso diene die Anlagerichtlinie als ein Instrument, um einzelne Verantwortlichkeiten zu regeln. „Es ist auch möglich, festzulegen, dass sich der Vorstand um ein Beratungsmandat bemühen muss“, sagte der Referent im Gespräch mit Moderator Tobias Karow.
HINWEIS: Hier geht’s zum Video mit dem Gespräch mit Hans-Dieter Meisberger von der DZ Privatbank.
Einmal verfasst und abgestimmt, helfen die Anlagerichtlinien vielen Beteiligten. „Sie dienen der internen Nutzung gegenüber Gremien und der externen Nutzung gegenüber der Aufsicht“, erklärte Meisberger.
RÜCKLAGEN STABILISIEREN DAS VERMÖGEN ZUSÄTZLICH
Ergänzend zur Vermögensverwaltung mit differenzierten Anlagerichtlinien haben Stiftungen auch die Möglichkeit, den Kapitalerhalt durch die Bildung von Rücklagen sicherzustellen. Die Abgabenordnung gewährt hier mehrere Optionen. Zum einen ist es möglich, eine freie Rücklage von einem Drittel der Erträge aus der Vermögensverwaltung zu bilden, die bei Bedarf aufgelöst werden kann. Sowie 10% von Gewinnen aus Zweckbetrieben und wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben. Gelingt es den Anlageverantwortlichen, Erlöse aus der Umschichtung des Vermögens zu erzielen – z. B. durch einen Aktienverkauf in einer günstigen Marktphase -, können auch diese einer sogenannten Umschichtungsrücklage zugeführt werden. Sowohl Anlagerichtlinien wie auch Rücklagenbildung würden von der Stiftungsaufsicht positiv aufgenommen, so die Einschätzung des Referenten. Denn beides zeige, dass sich die Organisation über ihre Vermögensverwaltung Gedanken mache. Ebenso ist dies auch die Basis für eine Kapitalerhaltungsrechnung. Hierüber können die Stiftungsgremien eine Planung erkennen lassen, wie sie das Ziel der Kapitalerhaltung (nominal oder real) innerhalb ihrer festgelegten Anlagestrategie erreichen will.
Darüber hinaus wies Meisberger darauf hin, dass sich Einnahmen nicht nur über die Vermögensverwaltung, sondern auch mittels Fundraising erzielen lassen. In diesem Zusammenhang kann eine aussagekräftige Anlagerichtlinie ebenfalls von Vorteil sein. Denn diese lasse sich auch als „Fundraisinginstrument für Stiftungen“ einsetzen.
ZUSAMMENGEFASST
Mit einer differenzierten Vermögensanlage und bei Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Rücklagenbildung lässt sich auch im Niedrigzinsumfeld der Kapitalerhalt sicherstellen. Das übelste Foul gegenüber dem Stiftungsvermögen ist nicht das Eingehen von Risiken, sondern die Untätigkeit. Entsprechend bekommen Stiftungen hierfür inzwischen auch von der Aufsicht die rote Karte gezeigt.