Weichen stellen im Stiftungsvermögen heißt jetzt

Eine Retrospektive auf den Themenstrang ‚Stiftungsvermögen2030‘ beim 3. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen

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#vtfds2022 - Rückblick Weichen stellen
Lesezeit: 5 Minuten

Weichen stellen im Stiftungsvermögen heißt jetzt die Weichen zu stellen, und zwar die richtigen. In diese Richtung lässt sich der Themenstrang ‚Stiftungsvermögen2030‘ beim 3. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen zusammenlassen. Denn das Umfeld ist eines, in dem Entscheidungen von Stiftungsverantwortlichen unter einem Höchstmaß an Unsicherheit getroffen werden. Allerdings müssen die Entscheidungen eben getroffen werden. Wir blicken noch einmal auf die #vtfds-Highlights im Themenstrang ‚Stiftungsvermögen2030‘.

Wer heute den Fernseher oder der Radio anschaltet, der hört und sieht sofort, in welcher Verfasstheit sich die Welt befindet. Sie ist außer Rand und Band. In Europa tobt ein Krieg, in Lateinamerika brennt der Amazonas lichterloh, in Afrika herrscht Dürre wie noch nie, die Welt bekämpft das Corona-Virus und arrangiert sich mit dem Ausnahmezustand.

In diesem Umfeld müssen von Stiftungsverantwortlichen für das Stiftungsvermögen Entscheidungen getroffen werden. Es sind Entscheidungen unter höchster Unsicherheit, aber sie müssen trotzdem sachgerecht im Sinne eines ordentlichen Geschäftsführers getroffen werden. Die Parameter dafür bildet ein Dreieck aus Diversifikation, Nachhaltigkeit und Anlagehorizont, unter der Nebenbedingung, dass eine Anlagerichtlinie nun wirklich zum Handwerkszeug einer jeden Stiftung gehören sollte.

#vtfds2022 Hans-Dieter Meisberger
Hans-Dieter Meisberger, DZ Privatbank: „Die Zukunft gehört denen, die an die Zukunft denken! Mit Blick auf 2030 braucht Stiftungsvermögen allerdings im Heute die zugehörigen Weichenstellungen.“

Die (Kapital)anlagewelt arrangiert sich mit dem Ausnahmezustand

Die Weichen im Stiftungsvermögen heute für morgen richtig zu stellen, das ist schon eine Mammutaufgabe. Zu dieser diskutierten wir beim 3. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen unter anderem mit den Stiftungsexperten Immo Gatzweiler von AXA Investment Managers und Hans-Dieter Meisberger von der DZ Privatbank.

Für Hans-Dieter Meisberger, den Stiftungen und ihre Herausforderungen im Täglichen praktisch schon sein ganzes Leben begleiten, bedeutet Weichen stellen vor allem zunächst einmal das Erstellen einer Anlagerichtlinie unter der Prämisse einer exakten Bestandsanalyse. „Die Anlagerichtlinie hat es mit der Stiftungsrechtsreform ins BGB geschafft“, ist ein Satz für den er steht, und aus dem er Pflichten für Stiftungslenkerinnen und -lenker ableitet.

TV-TIPP I:
Die komplette Mediathek zum 3. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen mit allen Slot thematisch sortiert finden Sie auf www.vtfds.de.

Eine Triple-AAA-Strategie für Stiftungen muss es schon sein

„Stiftungsvorstände müssen sich klar darüber werden, dass der Werkzeugkasten für das Stiftungsvermögen künftig ein größerer sein muss. Diversifikation muss breiter gefasst werden, neben Anleihen und Aktien gehören eben auch Alternativen ins Stiftungsdepot.“ Wenn man so will wird es künftig eine Triple-AAA-Strategie sein, die Stiftungen anwenden müssen. Stiftungsvermögen braucht diesen breiteren Ansatz, weil das alleinige Fokussieren auf Anleihen nicht mehr ertragsstark genug ist – und verletzlich macht für säkuläre Entwicklungen, wie ein länger anhaltender Zinsanstieg aufgrund hoher Teuerungsraten eine sein könnte. Für Hans-Dieter Meisberger muss genau an diesem Punkt der Rahmen stimmen, und genau dieser Rahmen ist die Anlagerichtlinie.

#vtfds2022 - Immo Gatzweiler
Immo Gatzweiler, AXA Investment Managers: „Diversifikation im Stiftungsvermögen ist das Gebot der Stunde, aber sie muss auch durchgehalten werden. Und die Anleihe hat hier nach wie vor ihren Platz.“

Diversifikation muss sein, braucht aber Hausaufgaben

Zum Punkt der Diversifikation hatte Immo Gatzweiler einen Satz parat, der beim 3. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen Eindruck hinterließ: „Diversifizieren auf Teufel komm‘ raus, das ist nix.“ Bedeutet für Stiftungen und deren Stiftungskapital, so der Stiftungsexperte von AXA Investment Managers, sich vor allem vor der konkreten Alloaktion Gedanken zu machen über die stiftungsindividuellen Ziele.

Er brachte das Beispiel einer Musikstiftung mit, die 7 Stipendien vergab. Aufgrund sinkender Erträge wäre eigentlich nur Geld für 5 Stipendien vorhanden gewesen, weshalb die Stifterin vorgab, jetzt müsse am Ertrag geschraubt werden. Wurde es auch, allerdings mit dem Ergebnis, dass das Stiftungsvermögen sich fortan etwas stärker volatiler zeigte. Das wiederum wollte aber die Stifterin nicht, woraus ein klassischer Konflikt der stiftungsindividuellen Ziele entstand.

#vtfds2022 - Dr. Katja Bär
Dr. Katja Bär, Hans und Ilse Breuer-Stiftung: „Die Reform des Stiftungsrechts wird den Umgang mit dem Stiftungsvermögen nachhaltig verändern und ist ein echter Game-Changer. Umso wichtiger, dass Stiftungsorgane die Vermögensverwaltung auch künftig mit Mut angehen und die vielfältigen Chancen erkennen, sich für die gegenwärtigen Probleme der Gesellschaft zu engagieren.“

Kennt eine Stiftung ihr Ertragsziel?

„Möchte ich mehr Ertrag, wird das Portfolio mehr schwanken. Darüber muss ich mir klar werden, wenn ich die Schwankung nicht abkann, dann ist der gewählte Ansatz keiner für mich, und ich muss mir einen anderen suchen.“ So fasste es Immo Gatzweiler zusammen. Wir ziehen für uns eine Lehre daraus: Stiftungsvermögen muss zwar, und da waren sich die Stiftungsexperten einig, breiter gestreut werden, aber es müssen vor dem konkreten Doing eben auch ein paar Hausaufgaben gemacht werden. Diese beginnen bei Fragen wie „Wieviel Schwankung halte ich aus?“, „Welche Assetklassen passen zu meiner Asset Allocation?“, Welches Ertragsziel habe ich und soll es auch durch Umschichtungserlöse gespeist werden?“.

TV-TIPP II:
Wir haben mit Stiftungsvorstand Karsten Behr und Stiftungsexperte Hans-Dieter Meisberger in Folge 1 von #fondsfibel AKTUELL, dem TV-Talk rund um Stiftungsfonds & Co., über zeitgemäßes Allokieren von Stiftungsvermögen gesprochen – und dazu, was alles in die Anlagerichtlinie „reingehört“.

Struktur im Stiftungsvermögen heißt auch Denken in Alternativen

Diese Fragen müssen sich Stiftungsverantwortliche beantworten, die Struktur für das Stiftungsvermögen muss einfach stiftungsindividuell erarbeitet werden, darauf wiesen auch Dr. Katja Bär von der Hans und Ilse-Breuer-Stiftung, Dr. Klaus Schuback von der Athenstaedt-Stiftung und Matthias Schmolz vom Deutschen Stiftungszentrum in ihren Einschaltungen beim #vtfds2022 hin.

Bei Matthias Schmolz blieb speziell der Satz „Denken Sie in Alternativen“ hängen, ein Satz der in jedes Pflichtenheft zur Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens gehört. Eine Sache kommt jedoch noch hinzu. Es muss von Stiftungsverantwortlichen auch eine Haltung zum Themenkomplex Nachhaltigkeit herausgebildet werden.

Nachhaltigkeit beinhaltet für Stiftungen Reputationschancen

Emilia Tafel von Facing Finance brachte im Eröffnungs-Panel „Weichenstellung jetzt“ die klare Maßgabe für Stiftungen mit, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit als Stiftung ernsthaft und authentisch auseinanderzusetzen. „Im Thema Nachhaltigkeit stecken für Stiftungen Reputationsrisiken drin, aber eben auch Reputationschancen.“, war sich die Nachhaltigkeitsexpertin sicher, um zu ergänzen: „Stiftungen sind sehr wichtige Akteure, nachhaltige Entwicklungen voranzutreiben, und dessen sind sich viele Stiftungen auch bewusst. Die Probleme sehen wir am ehesten in der Umsetzung dessen.“ Für Hans-Dieter Meisberger ist Nachhaltigkeit auch nicht mehr wegzudenken, wenn es darum geht, „die Anlage des Stiftungsvermögens nach zu justieren.“ Insbesondere kann das Risikomanagement davon profitieren, Nachhaltigkeit authentisch anzugehen.

#vtfds2022 - Emilia Tafel
Emilia Tafel, Facing Finance: „Geht es um den Schutz der Menschenrechte, des Klimas und der Umwelt, können Stiftungen viel bewirken. Leider ist aber davon auszugehen, dass in den Anlageportfolios deutscher Stiftungen viele Beteiligungen an Unternehmen schlummern, die gegen Menschenrechts- und Umweltstandards verstoßen, was dazu führen kann, dass Stiftungen sich sogar im Konflikt mit dem eigenen Stiftungszweck befinden.“

Zusammengefasst

Weichen stellen im Stiftungsvermögen hat viel mit dem Blick voraus zu tun. Wir haben beim 3. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen weniger auf eine volkswirtschaftliche Genese geblickt, sondern darauf, wie Stiftungsvermögen aufgestellt werden sollte, unabhängig vom Umfeld, das Stiftungsverantwortliche ja eh nicht beeinflussen können. Heraus kamen drei Hebel, um Weichen für 2030 und darüber hinaus zu stellen.

  1. Diversifizieren Sie breiter, nutzen Sie neben Aktien und Anleihen andere, alternative Anlageklassen, um sich unabhängiger von den Kapitalmarktschwankungen zu machen, die ja auch ordentliche Erträge temporär tangieren können.
  2. Bilden Sie in Ihren Stiftungsgremien eine klare Haltung zum Thema Nachhaltigkeit heraus, bauen Sie ESG-Kriterien fest in die Auswahl von Investment-Produkten ein und erarbeiten Sie hier einen Fragenkatalog, den Sie mit den Investmentanbietern teilen.
  3. Kreieren Sie – jetzt – eine Anlagerichtlinie und definieren Sie ein Ertragsziel mit Nebenbedingungen, machen Sie sich zudem von der Kalenderjahresdenke frei.

So kann das Stellen der Weichen für das Stiftungsvermögen gelingen. Und so eine Stiftung eine Weiche überfährt? Kein Angst, nur Mut, Weichen gibt es genügend.