Was die Welt im jetzt angebrochenen neuen Jahrzehnt bewegen könnte, dazu habe ich auf einer Konferenz einige Anregungen bekommen, die auch das Verwalten von Stiftungsvermögen tangieren dürften. Jüngst durfte ich an der IDEAS-Konferenz von Morgan Stanley teilnehmen, und zu dem was ich dort zu den nächsten 10 Jahren zu hören bekam, habe ich mir ein paar Notizen gemacht. Es wird eine andere Welt sein in 2030.
Meine Notizen habe ich während der Vorträge eifrig in meinen Rechner getippt, und schon nach dem zweiten Vortrag war mir klar, dass ich aus London mehr mitnehmen würde als lediglich ein paar Anregungen für die tägliche Praxis. Einige Zahlen machten direkt ein wenig nachdenklich. Beispielsweise jene, dass in den USA mittlerweile 40% der börsennotierten Unternehmen keine Gewinne mehr machen, hier wird bereits wieder an den Niveaus von Ende der 90er Jahre gekratzt. Wer weiß was danach kam, wird nachdenklich. Auch litten die Rohstoffe exportierenden Länder zwischen 2010 und 2015 unter der schlimmsten Rezession in den vergangenen 70 Jahren. Wer weiß, welche Länder dies betraf, wird nachdenklich. Nicht zuletzt werfen in Deutschland nur mehr 30jährigen Bundesanleihen überhaupt Rendite ab. Wer weiß, dass Stiftungen oftmals nur in Anleihen und Stiftungsfonds in vielen Fällen vorwiegend in Anleihen investiert sind, wird nachdenklich. Eine interessante Analyse zeigte zudem, dass sowohl amerikanische Aktien als auch der US-Dollar überbewertet oder zumindest hoch bewertet sind. In London fiel hier ein ums andere Mal der Begriff „stretched“. Wer hier eins und eins zusammenzählt, wird nachdenklich.
BIG TECH MIT KLEINEN SCHÖNHEITSFEHLERN
Nicht zuletzt zeigte ein Chart, dass Ende 2019 insgesamt 7 der 10 nach Marktkapitalisierung schwersten Unternehmen aus dem Technologiesektor stammen. Das letzte Mal sei dies zum Ende der 90er so gewesen, und wer dann zunehmend Aktien wie Apple, Amazon oder Tencent in den Portfolien auch einiger Stiftungsfonds erspäht, wird nachdenklich. Nachdenklich, ob nicht vielleicht hier und da etwas mehr konträre Anlageideen in die Portfolien einfließen müssten. Etwa Finanztitel aus Indien, die davon profitieren, dass der indische Finanzsektor so hoffnungslos unterentwickelt ist, dass für die nächsten 10 Jahre nur angenommen werden kann, dass ein Bruchteil davon aufgeholt werden kann.
Auch sei demjenigen, der jetzt vermehrt auf Technologieaktien setzt gesagt, dass Big Tech auch davon profitierte, dass beispielsweise in den USA in den letzten Jahren nur 27 Regulierungsvorhaben für die Technologiebranche auf den Weg gebracht wurden. Zum Vergleich: Für das verarbeitende Gewerbe waren es deren 215, für den Finanzsektor immerhin noch 128. Technologieunternehmern haben von diesem „Außen-vorgelassen-werden“ sehr profitiert, aber der Wind dreht sich gerade, Big Tech muss in den USA mit zunehmendem Gegenwind seitens der Regulierung rechnen.
INFLATION AM HORIZONT?
Bei den langfristigen Trends, die skizziert wurden, schaffte es eine Entwicklung an Platz eins meiner Notizen, der derzeit vielleicht noch belächelt wird. Aufgrund des rückläufigen Arbeitskräftepotential in immer mehr Industrieländern und auch Schwellenländern treffen also die gleiche Menge an Arbeit auf ein verringertes Angebot an Arbeitskräften. Deren Basis lässt sich eben nicht einfach beliebig aufblähen, durch Geburten oder Zuwanderung, das hätte an vor 20 Jahren machen müssen. Die Folge aus dieser neuen Realität der jetzt anbrechenden 20er Jahre leiten die Experten von Morgan Stanley ab, dass höhere Löhne eine der möglichen Folgen sein könnten – was in der Folge Preissteigerungen nach sich ziehen könnte, da höhere Löhne einmal Kaufkraft und zum anderen höhere Kosten bedeuten. In der Folge sei es durchaus denkbar, dass die Inflation wieder auf dem Tablett erscheine, so jedenfalls die Morgan Stanley-Strategen. Inwiefern das von den Märkten in welche Bewegungen bei Anleihen, Aktien und Rohstoffen umgemünzt wird, ist aus heutiger Sicht jedoch fraglich. Im Hinterkopf sollten Stiftungen dies freilich trotzdem behalten, denn schon absehbare Inflation wird sich – auf jeden Fall in irgendeiner Weise – in den Kursen niederschlagen.
STIFTUNGSVERMÖGEN INTERNATIONALER UND BREITER ANLEGEN
Was lässt sich hieraus nun für Stiftungen ableiten, für ihre Kapitalanlage und auch die Schwerpunkte in Stiftungsfonds oder stiftungsgeeigneten Fonds. Eine erste Vermutung könnte lauten, die Portfolien merklich internationaler aufzustellen bzw. bei Fonds auf den Anteil von Aktien außerhalb Europas zu achten. Natürlich, das bedeutet Mut, das bedeutet sich zu überwinden, denn wer schon eine deutsche Versicherungsaktie nicht gekauft hat, der wird auch keine chinesische kaufen. Dennoch wird die internationale Ausrichtung etwas Gutes an sich haben, denn die Bewertungen sind günstig, bei Märkten und Währungen, und die zu vereinnahmenden Kupons und Dividenden dürften in der Tendenz oberhalb jener hierzulande liegen.
Des weiteren kann es aus Stiftungssicht sinnvoll sein, breiter gestreut zu investieren. Hintergrund sind hier die zunehmenden politischen Verspannungen, auf die auf der Morgan Stanley-Konferenz mehrfach hingewiesen wurde. Das politische Umfeld wird fragiler werden, weniger verlässlich, entsprechend sollte auch Stiftungsvermögen nicht zu sehr an einzelnen Währungs- oder Wirtschaftsräumen hängen. Stiftungen sollten also beispielsweise, wenn sie sich einen Fonds anschauen, ruhig mal darauf schauen, ob im Fonds auch Anleihen supranationaler Organisationen, etwa Entwicklungsbanken enthalten sind. Solche Ideen können im sich abzeichnenden Umfeld eine Bereicherung für das Stiftungsdepot sein.
SCHAUT AUF QUALITÄT
Drittens lässt sich vermuten, dass die Verwaltung von Stiftungsvermögen erfolgreicher ist, wenn der Aktienanteil höher ist als im zurückliegenden Jahrzehnt. Denn die Welt wird prosperieren, trotz oder gerade wegen der sich verschiebenden Gewichte der einzelnen Regionen. In solch einem Umfeld mit zudem historisch niedrigen Renditen ist es zeitgemäß, die Aktienquoten zu erhöhen, um sich auch darüber indirekt diese positiven Entwicklungen in der Welt (durch die globalen Aktivitäten der in einem Fonds gehaltenen Unternehmen) zu sichern. Nicht umsonst haben wir einige ausschüttungsstarke Aktienfonds in unserer FondsFibel analysiert, weil Stiftungen an diesen Bausteinen kaum mehr vorbeikommen.
Warum wir uns für einen Fonds mit wenigen, dafür hochqualitativen Titeln entschieden haben, kann Dirk Hoffmann-Becking, der Fondsmanager des Morgan Stanley Global Brands Equity Income Fund gut zusammenfassen: „Wir versuchen, die besten Unternehmen der Welt für den Fonds zu finden. Diese Unternehmen haben in der Regel einen starken Markennamen und verfügen über Preissetzungsmacht am Markt. Denn genau das macht diese Unternehmen widerstandsfähiger in Phasen, in denen die Wirtschaft einmal stottert.“ Solche Ideen braucht es eigentlich zu jeder Zeit in jedem Portfolio, aber richtig schlüssig wird das Ganze dann, wenn es an den Märkten mal holpriger zugeht.
ZUSAMMENGEFASST
Die nächsten 10 Jahren dürften schwieriger an den Kapitalmärkten werden als die letzten. Gut, so heißt es seit 150 Jahren immer zu Beginn der neuen Dekade, aber für die jetzt beginnenden 20er Jahre ist das Bild schon etwas unschärfer. Als Stiftung darauf zu reagieren, wird schwer, stattdessen sollte frühzeitig agiert werden. Die drei Ideen, die ich dafür aus London mitgebracht habe, sind mit den drei Worten internationaler, breiter und Qualität gut umschrieben. Nur drei Worte also, um das Stiftungsvermögen sattelfester zu machen für das was kommt? Nicht ganz, denn wir wissen über die Zukunft relativ wenig, vorstellen jedoch können wir uns jede Menge. Sie sehen, auch Albert Einstein war in London mit einem seiner bekanntesten Bonmots an Bord.