Was kann eine Stiftung allein leisten?

ON TOUR: Unsere drei take aways vom 3. Bremer Stiftungstalk

1214
ON TOUR Bremen
Lesezeit: 5 Minuten

Der 3. Bremer Stiftungstalk war überschrieben mit dem Motto „Nachhaltig stiften, Impulse für eine bessere Welt“. Müsste ich dieses Motto anhand des Gehörten und Diskutierten übersetzen, würde ich die Frage in den Raum werfen, was eine Stiftung allein eigentlich zu leisten imstande ist, angesichts zunehmender Komplexität und auch Unsicherheit in der Welt. Um diese Frage herum wurde beim 3. Bremer Stiftungstalk diskutiert, in Räumen, die eine unternehmerische Erfolgsgeschichte in Bremen erzählen. Denn der Bremer Stiftungstalk, ausgerichtet vom Stiftungshaus Bremen und der Intalcon Foundation, durfte in den Räumen der Zech Group gastieren, im fünften Stock, der sogenannten Panorama-Etage. Ein gut gewählter Ort, gewährte er doch den Blick in die Ferne. Unsere drei take aways.

In die Bremer Überseestadt kommt man sehr einfach, mit der Tram Nummer 5. Vom Hauptbahnhof dauert das keine 10 Minuten. Nach einer scharfen Rechtskurve hält die Tram, praktisch direkt vor dem Firmensitz der Zech Group. Kurz vor dem 3. Bremer Stiftungstalk musste ich noch einige Mails „wegarbeiten“, das machte ich im Harbour Coffee, das ums Eck liegt, auf der Rückseite des Firmengebäudes. Jeder, der mal die Bremer Überseestadt besucht, sei dieses Kaffee empfohlen, die Kokosmakronen samt „hand made“ Cappuccino waren eine Wucht. Um kurz vor fünf betrat ich dann also das Entree der Zech-Zentrale, eine offene, lobbyartige Empfangshalle, über der eine blau wattierte Deckenleuchte thront. Kurz angemeldet, dann ging es mit dem Aufzug weiter in die fünfte Etage, jene Etage mit Panoramablick über ein früheres Hafenbecken, das heute als Habitat für Kleinjachten fungiert.

Verantwortungsvoll heißt weitsichtig

Die Zech Group ist, so erfahren wir beim Apéro des 3. Bremer Stiftungstalks, eine echte Bremer und damit auch deutsche, unternehmerische Erfolgsgeschichte. Gut 13.000 Mitarbeiter arbeiten für das Unternehmen, das wohl am bekanntesten für seine Bau- und Immobilienaktivitäten ist. Aber eigentlich trifft es eher der Begriff Multiunternehmen. Chef Kurt Zech gilt auch ob seines Werdegangs als Bremer Unternehmerlegende, im ersten Firmenbuchauszug wurde er zwar als Inhaber, aber eben auch als Auszubildender geführt – und machte aus der Zech Group ein florierendes Unternehmen, das vorbildhaft für deutsches Unternehmertum steht. Aber eben auch für verantwortungsvolles, weitsichtiges, Mut behaftetes Wirtschaften, wodurch sich der Kreis zum Thema des 3. Bremer Stiftungstalks spannte. Hier drehte es sich um nachhaltiges Stiften, in meiner Übersetzung wollte
die Macher der Veranstaltung die großen Fäden rund um zukunftsgewandtes Stiftungshandeln zusammenfügen.

Event-Tipp:
Jüngst ging sie zu Ende, die StiftungsApéro SommerTour 2024, im Rahmen derer wir auch im Norden Deutschlands Station machten, in Hamburg, um genau zu sein. Eindrücke zu den 7 Stationen und zu den Terminen der StiftungsApéro WinterTour 2025 finden Sie in der Apérothek.

Take away Nummer 1: Vernetzt Euch, am besten zuerst vor Ort, mit der Nachbarstiftung

Was wir zuerst mitnehmen vom 3. Bremer Stiftungstalk ist die (nicht neue) Erkenntnis, dass die Welt „da draußen“ eine komplexere ist und wird. Stiftungen müssen hierauf eine Antwort oder vermutlich gar mehrere Antworten finden. Dr. Mira Nagel vom Bundesverband Deutscher Stiftungen sprach in ihrem Grußwort davon, dass Stiftungen eine Antwort sicherlich im Vernetzen finden, speziell im Vernetzen vor Ort.

Viele Aktivitäten von Stiftungen, und in Bremen sind es deren 352, finden vor Ort statt, 80% um genau zu sein. Ausgehend davon kann viel vom notwendigen Austausch im lokalen Kontext stattfinden. Wir stimmen Mira Nagel hier voll zu, denn was brauche ich, wenn es beim Stiftungsvermögen klemmt, wenn das Stiftungsfundraising nicht läuft, wenn die Satzungsänderung nicht durchgeht, wenn die offene Stelle zu lange nicht besetzt wird? Als Stiftung brauche ich dann vermutlich zuerst die Nachbarstiftung, die ich fragen kann, wie sie das eigentlich alles macht. Diese Nachbarstiftung wiederum treffe ich am ehesten in der Nachbarschaft, im stiftungsnahen Raum. Hier muss künftig mehr passieren, damit das Momentum, das sich im Stiftungssektor in unseren Augen spürbar aufbaut, nicht wieder versackt.

Podcast-Tipp:
Was mache ich als Stiftung, wenn es bei der Stiftungswebsite „klemmt“? Website-Profi Daniel Heinrich gibt in AHOI, NPO! praktisch Anregungen dazu.

Take away Nummer 2: Stiftungen wollen es bei der Wirkung genauer wissen

Als zweites take away nehmen wir vom Bremer Stiftungstalk mit, dass die Diskussion um Nachhaltigkeit sich verändert, Stiftungen genau schauen, insbesondere die Wirkung einer Anlage oder eine Aktivität betreffend. Wir hörten Scarlett Eckert, die der Intalcon Foundation vorsteht und die berichtete, wie sie in ihrer noch jungen Stiftung auf die Suche nach Projekten gingen, die die Wirkung entfalten, die sich die Stiftung wünscht, die sie sich als Stiftungsverantwortliche wünscht.

Sie beschrieb den Diskurs um die Frage, welche Ziele unser Gemeinwohl betreffend besonderer Unterstützung bedürfen. Die Schutz von Leben unter unter Wasser sei ihren Analysen nach unterfinanziert, ebenso das Existieren an Land, dazu wird zu wenig gegen das Artensterben unternommen.Was sie in ihrer Stiftung entsprechend finanziert? Das Projekt Oceans2050 zum Beispiel, ein Meeresalgen-Projekt, das auf dem Fakt beruht, dass 1 Hektar Braunalgen dreimal so viel Kohlendioxid kompensiert wird ein Hektar Buchenwald. Braunalgen würden dazu als Dämmmaterial beim Bau verwandt, könnten als Plastikersatz taugen. Das Projekt schafft zudem Arbeitsplätze. Wir lernen: Impact ist ein Vielebenen-Konzept.

Take away Nummer 3: Wissen Stiftungen, was Nachhaltigkeit für sie ist?

Beim Themenkreis Nachhaltigkeit müssen bewusste und nicht ideologische Entscheidungen getroffen werden, Nachhaltigkeit beinhaltet im Kern keine Verbote, sondern Gebote, verantwortungsvoller und generationengerechter zu handeln. Was bedeutet dies aus Stiftungssicht? Stiftungen sollten getreu ihrer DNA denken, planen und entscheiden, und diese DNA ist eben eine Ewigkeits-DNA. Das bedeutet, es ist das zu tun, was dem langfristigen Bestehen der Stiftung dient, aber eben auch ihrer langfristigen wirtschaftlichen Stehfähigkeit. Stiftungen sollten sich daher relativ genau überlegen, was Nachhaltigkeit für sie ist, was für sie verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen, Stakeholdern bedeutet – und wie sie für sich eine kongruente Haltung dazu entwickeln. Denn es kann gut sein, dass sich dies künftig mit der Wahrnehmung des Sektors als Ganzes verknüpft. Will der Sektor als Ganzes und damit jede einzelne Stiftung in Zukunft als relevanter Player wahrgenommen werden, dann braucht es hier die klare Kante, ob Wirkung Floskel oder Doing ist.

Stiftungsexperten-Handbuch

Zusammengefasst

Der 3. Bremer Stiftungstalk brachte im Haus der Zech Group interessante Menschen zusammen, Unternehmensverantwortliche, Stiftungsverantwortliche und Stiftungsinteressierte. Die Frage, wie der Stiftungssektor künftig wirken möchte, was nachhaltig aus Stiftungssicht bedeuten kann und wird, konnte nicht final geklärt werden, wohl aber ein Impuls gesetzt. Denn dass auch Stiftungen als relevante Akteure eine Haltung ausprägen müssen zum Thema Nachhaltigkeit, abseits von Ideologie- und Verbotsrhetorik, darin waren sich die Gäste einig.

Die Geschichte der Herkunft des Konzepts der Nachhaltigkeit hallte aber beim Come together noch nach. Sankt Joachimsthal stellte sich im Zuge des Silberbergbaus bereits im 16ten Jahrhundert die Frage, wie viel zu viel sein kann, und wie viel Silbererz dem Berg entnommen werden kann, ohne die nachfolgende Generation zu benachteiligen. Mit der bekannten Silbermünze Joachimsthaler schwappte die Frage in die USA, der Thaler stand zudem Pate für den Dollar (Thaler wird auf sächsisch Doolor ausgesprochen; der Sachse macht aus „a“ oft „o“, zieht dies dann und wiederholt es zum Wortausgang hin noch einmal; Anm. von mir, gebürtiger Sachse). Wir sehen: Nachhaltigkeit bzw. das Nachdenken darüber ist ein hunderte Jahre altes Konzept, nur müssen wir alle es in die Neuzeit übersetzen. Wir alle, Stiftungen inklusive.