Mit Ralf Vielhaber über Stiftungsvermögen zu sprechen, ist eine Wohltat. Er weiß einfach, was es heißt, sich professionell mit Stiftungsvermögen zu befassen, weil er sich schon Jahrzehnte mit Stiftungsvermögen beschäftigt. Vor allem weiß er zweierlei: Einmal, wie Stiftungen den für sie passenden Vermögensprofi finden. Zum anderen aber auch, warum der Begriff zeitlos perfekt zu Stiftungsvermögen passt. Und er hat Recht damit.
FondsFibel: Herr Vielhaber, sie sind seit Jahrzehnten damit befasst, wie sich Stiftungsvermögen und Stiftungsexpertise treffen. Ganz übergeordnet: Warum tun sich beide Seiten so schwer, sich zu finden, die Notwendigkeit wäre ja vorhanden?
Ralf Vielhaber: Die Notwendigkeit ist gegeben, ja sie ist kontinuierlich gewachsen, seitdem Stiftungen ihre Erträge nicht mehr bloß aus Zinsüberschüssen erwirtschaften können. Dieser Prozess hält schon zwei Jahrzehnte an. Aber Geld ist unheimlich träge. Entscheidungen, sich im Vermögensmanagement umzuorientieren, sind langwierig, gerade in Stiftungsgremien. Sie brauchen Kompetenz in den eigenen Reihen, die oft nicht vorhanden ist, Menschen, die bereit sind, in den eigenen Gremien die Prozesse voranzutreiben, deren Notwendigkeit zu erläutern, ebenso wie die Folgen von Nichtstun. Und dann muss die Umsetzung erfolgen.
Für Mitglieder im Vorstand oder Kuratorium einer Stiftung ist dies oft das erste und für viele auch das einzige Mal, sich damit zu befassen. Sie stehen da, wie der Ochs vor dem Berg, sind unsicher, welche Schritte sie gehen müssen, haben keinen Marktüberblick, selten hinreichende Fachkompetenz auf der Vermögensebene, um Angebote zu prüfen, haben keine strukturierten Prozesse dafür. Und dann schiebt man Entscheidungen so lange hinaus, bis die Hütte brennt, die Anlagen nicht mehr genügend ordentliche Erträge abwerfen, um dem Stiftungsauftrag satzungsgemäß gerecht werden zu können oder es macht sogar plötzlich die Stiftungsaufsicht Druck, weil das Vermögen in seiner Substanz nicht mehr gesichert ist. Dann geht es oft Hopplahopp und man kommt zu „seinem“ Vermögensverwalter wie die Jungfrau zum Kinde. Umgekehrt versuchen Vermögensverwalter auf den bekannten Wegen des regionalen Marketings, über Vorträge, Vernetzungsangebote, Soziale Medien, Stiftungen als Kunden zu gewinnen. Aber es gibt auch eine Grundskepsis in vielen Stiftungsgremien gegenüber den Profis aus dem Bankgeschäft, ob das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, die in nicht wenigen Fällen berechtigt ist.
FondsFibel: Wenn ich als Stiftung einen Vermögensverwalter suche, wie sollte ich dann vorgehen? Gibt es eine Drei-Stufen-Matrix?
Ralf Vielhaber: Sicherlich lässt sich der Prozess vereinfacht in drei Schritte aufteilen. 1. Man muss seine eigenen Ziele formulieren. Wie viel ordentliche Erträge fordere ich? Welche Risiken darf und will die Stiftung eingehen? Soll sie nachhaltig anlegen? Wobei braucht sie laufend Unterstützung von Seiten des Vermögensverwalters über die Geldanlage hinaus? Der zweite Schritt ist, sich einen möglichst umfassenden Marktüberblick zu verschaffen. Welche Vermögensverwalter mit expliziter Stiftungsexpertise und hinreichenden personellen Ressourcen auf diesem Spezialgebiet gibt es? Soll der Vermögensverwalter regional verankert sein? Hat die Stiftung bestimmte Vorlieben nach Institutsgruppen? So gibt es leistungsfähige, bankunabhängige Vermögensverwalter, öffentliche oder genossenschaftliche Banken, private Banken mit Stiftungsexpertise? Und dann muss die Stiftung im dritten Schritt eine Ausschreibung durchführen, zunächst breiter gestreut. Dann erfolgt eine Vorauswahl: Wer erfüllt mit seinem Konzept überhaupt die Anforderungen vom Grundsatz her? Und schließlich erfolgt eine Endauswahlrunde mit 5 bis 10 Instituten, die ihre Konzepte erläutern. Dann besteht Gelegenheit, ihnen noch mal auf den Zahn zu fühlen und zu schauen, ob die Chemie zwischen den handelnden Personen stimmt.
FondsFibel: Wo begleiten Sie Stiftungen, wie muss ich mir das vorstellen
Ralf Vielhaber: Die Stiftungen, die unsere Expertise als FUCHS | RICHTER Prüfinstanz suchen, kommen gewöhnlich auf Empfehlung, aber jeder ist grundsätzlich willkommen. Pro Bono sind unsere Möglichkeiten natürlich begrenzt, denn der Aufwand ist nicht unerheblich. Bislang haben 16 Stiftungen und andere Non-Profit-Organisationen mit Hilfe der FUCHS | RICHTER Prüfinstanz „ihren“ Vermögensverwalter gefunden. Und nach allem, was wir hören, sind sie mit der Wahl sehr zufrieden. Darunter die Deutsche Kinderhospiz Stiftung, die Stiftung Fliege, die Ernst-Christoffel-Stiftung, die Thussi-Drexler-Stiftung, das Haus des Stiftens, die Kreuzberger Kinderstiftung, die Alfred-Flakowski-Stiftung, eine kleine Stiftung zur Förderung eines Rudervereins und aktuell die Wilhelm Weidemann Jugendstiftung. Andere Stifter wollten lieber im Hintergrund bleiben und wir sollten für sie die Auswahl übernehmen. Auch das ist ok. Im Gegenzug möchten wir ungeschminkt über unsere Erfahrungen und Bewertungen berichten, um das Marktangebot transparent zu machen und Stiftungen auf diese Weise zu helfen.
FondsFibel: Welche Rolle spielen in Ihren Augen die Stiftungsgremien beim Vermögen. Sollte dort Vermögensexpertise drin sein? Oder sollte man das delegieren? Wir sagen immer, Diversifizieren, Delegieren, Dokumentieren, wären Sie hier d’accord?
Ralf Vielhaber: Wir sind weitgehend einig, Herr Karow. Diversifizieren, dieser Grundsatz war schon immer richtig. Diversifikation, die breite und intelligente Streuung der Anlagen im Portfolio bringt 90% des Ertrags. Also: keine Diskussion dazu. Den Auswahlprozess ebenso wie die Vermögensverwaltung sollten Stiftungen an Profis delegieren. Bei uns kostet es nicht mal Geld, höchstens Überwindung. Der Fokus soll ja auf der eigenen Stiftungsarbeit liegen, und die erfordert gewöhnlich schon genug Einsatz, Ideenreichtum, Kompetenz. Vermögensexpertise in den eigenen Reihen ist natürlich wünschenswert, um ein gewisses Controlling durchführen zu können. Sonst muss das Vertrauen in den Vermögensverwalter schon riesengroß sein. Dokumentation ist ohnehin Pflicht.
FondsFibel: Scheitern Stiftungen im Vermögen (es gibt ja viele die sagen, es gibt seit Jahren schon nichts mehr zu verdienen, was man aber auch komplett anders sehen kann) an ihrer mangelnden Anpassungsfähigkeit an neue Umstände?
Ralf Vielhaber: Siehe oben. Entscheidungen fallen zu spät, inkonsequent, unprofessionell. Es wird auch nicht genügend über den Tellerrand geschaut. Welche Optionen stehen noch offen, außer eine ordentliche rechtsfähige Stiftung zu gründen oder fortzuführen? Rupert Graf Strachwitz und Michael Seberich, zwei exzellente Kenner auf dem Gebiet der Philanthropie, haben dazu einen substanziellen Beitrag in unserem aktuellen Report geschrieben, der das gesamte Panorama der Möglichkeiten aufzeigt und eingängig mit Vor- und Nachteilen beschreibt. Nun die gute Nachricht: Das Bewusstsein, die Vermögensanlage neu aufstellen zu müssen und sich auch auf diesem Gebiet zu professionalisieren – unter anderem mit der Erarbeitung einer Anlagerichtlinie und Nachhaltigkeitsrichtlinie – nimmt seit einigen Jahren erkennbar zu.
FondsFibel: Was heißt für Sie „pflichtgemäß und zeitgemäß“ als das neue „ertragreich und sicher“? Kann man das so übersetzen, oder was wären für Sie Eckpfeiler für das Stiftungsvermögen, die einfach in die Erde müssen?
Ralf Vielhaber: Vor allem sollten Stiftungen darauf achten, dass das Vermögen nach den jeweiligen Anforderungen des Marktumfeldes gesteuert werden kann. Bei 8% Inflation reichen ja nicht mal 100% Aktien zum Erhalt der Vermögenssubstanz. Stiftungen sind auf ewig angelegt, also haben sie einen unendlichen Anlagehorizont. Das gilt es zu nutzen. Also, die Vorgaben in der Satzung weit fassen und über die Anlagerichtlinien das Risiko steuern. Die können je nach Marktumfeld alle paar Jahre nachjustiert werden. Dann hat man das Spielfeld, glaube ich, klug abgesteckt. Zeitlos passt deshalb für mich als Begriff besser als zeitgemäß.
FondsFibel: Lieber Ralf Vielhaber, das nehmen wir sehr gerne auf. Haben Sie vielen Dank für Ihren Blick über den Stiftungsvermögenstellerrand.