Stiftungsvermögen meets Kahnemann und Tversky

Behavioral Finance aus Stiftungssicht – Drei Regeln für ein klügeres Vermögensmanagement

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Stiftungsvermögen und Behavioral Finance
Lesezeit: 2 Minuten

Seit den 1980er-Jahren ist wissenschaftlich belegt, dass Menschen in Finanzfragen selten rein rational handeln. Emotionen, Gewohnheiten und unbewusste Denkmuster beeinflussen Entscheidungen stärker, als wir glauben. Die Verhaltensökonomie – Behavioral Finance – zeigt, dass diese Irrationalität nicht zufällig ist, sondern systematisch. Wer sie versteht, kann bewusstere und damit bessere Entscheidungen treffen. Gerade Stiftungen, die langfristig und zweckorientiert wirtschaften, profitieren von dieser Erkenntnis.

Aktuelle Umfragen, wie das 15. Deutsche Stiftungsbarometer, zeigen jedoch: Trotz stabiler Märkte konnten fast 20% der deutschen Stiftungen im vergangenen Jahr ihre geplanten Projekte nicht realisieren. Viele Verantwortliche bewerten die Finanzlage skeptisch, erhöhen zugleich aber erst jetzt ihre Aktienquote – nachdem die Märkte bereits gestiegen sind. Ein klassisches Beispiel für sogenanntes „Chasing the Market“. Das Verhalten folgt eher Emotion als Strategie. Behavioral Finance liefert Erklärungen und Lösungsansätze.

Regel 1: Erkenne deine Denkmuster

Der Mensch vereinfacht komplexe Situationen durch sogenannte Heuristiken – mentale Abkürzungen, die im Alltag hilfreich sind, an den Finanzmärkten aber zu Fehleinschätzungen führen. Hinzu kommen Wahrnehmungsverzerrungen durch Framing: Die Art und Weise, wie Informationen präsentiert werden, beeinflusst unser Urteil stärker als die Information selbst.

In der Praxis bedeutet das: Wenn ein Stiftungsgeschäftsführer auf die kurzfristige Performance seines Portfolios blickt, sieht er vermeintliche Trends oder Risiken, die bei längerem Zeithorizont keine Rolle spielen. Wer dagegen die Perspektive erweitert – von Monaten auf Jahrzehnte – trifft in der Regel stabilere Entscheidungen. Langfristigkeit schützt vor impulsiven Reaktionen und rückt den Stiftungszweck wieder in den Mittelpunkt.

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Regel 2: Bleib diszipliniert, nicht reaktiv

Viele Stiftungen handeln wie Privatanleger: Sie kaufen, was zuletzt gut gelaufen ist, und meiden, was kurzfristig Verluste gebracht hat. Das Stiftungsbarometer zeigt: Während der Wunsch nach „mehr Ertrag bei weniger Risiko“ wächst, wollen rund 30 Prozent ihre Diversifikation gar nicht verändern. Diese Haltung ist widersprüchlich – und riskant.

Die Märkte verändern sich permanent. Eine Anlagestrategie, die vor fünf Jahren optimal war, kann heute strukturell überholt sein. Reaktives Verhalten führt dazu, dass Chancen verpasst und Risiken falsch eingeschätzt werden. Disziplin bedeutet in diesem Zusammenhang, an klaren strategischen Leitplanken festzuhalten, auch wenn Emotionen – insbesondere Angst und Gier – zu spontanen Anpassungen verleiten. Die Kunst liegt darin, den emotionalen Impuls zu erkennen, ihn einzuordnen und erst dann zu handeln.

Regel 3: Schaffe Strukturen, die dich vor dir selbst schützen

Selbsterkenntnis ist wertvoll – reicht aber allein nicht aus. Emotionale Muster lassen sich nicht vollständig abstellen, wohl aber institutionell abfedern. Erfolgreiche Stiftungen verfügen über klare Anlagerichtlinien, definierte Entscheidungsprozesse und eine regelmäßige Überprüfung der getroffenen Annahmen. Sie schaffen Mechanismen, die impulsives Handeln verhindern und stattdessen langfristige Stabilität sichern.

Ein externer Berater kann dabei als neutraler Korrektiv wirken – als „Puffer“ zwischen Emotion und Entscheidung. Er hilft, rationale Perspektiven zu wahren und Entscheidungen faktenbasiert zu treffen. So entsteht eine Kultur, in der nicht das lauteste Argument zählt, sondern das sachlich überzeugendste.

Zusammengefasst

Behavioral Finance zeigt: Der größte Gegner rationaler Kapitalanlage ist nicht der Markt, sondern das eigene Verhalten. Für Stiftungen heißt das, psychologische Faktoren ebenso ernst zu nehmen wie Zinsniveau, Diversifikation oder Ertragsziele. Wer seine Denkmuster kennt, diszipliniert handelt und stabile Entscheidungsstrukturen etabliert, sichert die langfristige Erfüllung des Stiftungszwecks – und schützt zugleich das Vermögen, das ihm anvertraut wurde.