Stiftungen nach der Bundestagswahl

Was die neue politische Agenda für den deutschen und europäischen Stiftungssektor bedeuten könnte

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Nachlese Bundestagswahl 2025
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Ob Stiftungen mit dem Ergebnis der Bundestagswahl gut leben können, das kann wohl kaum einer derzeit so richtig einschätzen. Was sich aber schon sagen lässt ist, dass die politische Agenda eine RWM-Agenda sein dürfte: Rüstung, Wirtschaft, Migration. Wer am Wahlabend aufmerksam zugehört oder die Pressefrühstücke am Wahltag verfolgt hat, dem wird dieser Dreiklang und die Einigkeit hier aufgefallen sein. Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz hat diese drei Sphären auch bereits auf der Pressekonferenz am Nachwahlmontag grob umrissen. Welchen Platz Stiftungen in dieser Agenda haben? Ich bin davon überzeugt, dass RWM die Rolle von Stiftungen hierzulande stärken kann. Aus drei einfachen Überlegungen heraus.

Für mich persönlich ist die jüngste Bundestagswahl eine, die ich mit einem weinenden Auge verfolgt habe. Denn „meine“ Partei, die FDP, hat es nicht mehr in den Bundestag geschafft. Die Wählerinnen und Wähler verbinden ihre Zukunftsperspektiven eher mit den Rändern denn der liberalen Idee.

In meinen Augen hat diese aber sehr viel mit dem zu tun, für was momentan allerorten gekämpft wird: eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft. Die FDP wird verkürzt auf die Partei der Besserverdiener, im Kern ist sie die Partei, die dafür streitet, dass jeder Einzelne am besten weiß, was für ihn das Beste ist (und auch in der Lage ist, das herauszufinden) und weist dem Staat damit die Rolle des Rahmensetzers zu. Ein starker Staat ist in dieser Denke einer, der die Menschen machen lässt, sich nicht in alles einmischt. Der Unternehmertum gutheißt, der es fördert, der Wertschöpfen vor Verteilen sortiert. Wenn wir unsere Demokratie stärken möchten, brauchen wir mehr Gewicht für genau diese Eckpfeiler, und es ist sehr bedauerlich, dass insbesondere in Zeiten wie diesen derlei nun deutlich weniger sichtbar sein wird. Vorerst jedenfalls.

Bundestagswahl als Non-Event für Stiftungen? Nicht ganz!

Aus Stiftungssicht ist das Wahlergebnis erst einmal ein Non-Event. Gleichwohl ist das Erstarken der Ränder auch ein Zeichen an die Stiftungslandschaft. Denn linke wie rechte Kräfte sehen in einem starken Staat einen, der in alles im Leben hineinregiert, der verbietet, spaltet, gruppiert, der am besten weiß, was für die Menschen das Beste ist. In Zeiten mit großem Zukunftspessimismus ist das nachvollziehbar, dass dieses erst einmal wärmende Bild etwas Vereinnahmendes hat. Jedoch ist es letztlich auch etwas Wolfhaftes, und womit linke wie rechte Regierungen in der Regel nur wenig warm werden ist das zivilgesellschaftliche Engagement. Denn, alles was hier angestrengt wird, kann der Staat ja besser. Stiftungen und Vereine hätten es hier dann schwerer, denn Engagement würde eher staatlich organisiert, die Freiheits- und Möglichkeitenräume von Stiftungen und Vereinen würden merklich beschnitten. Insofern muss der Stiftungssektor das Wahlergebnis mit Sorge zur Kenntnis nehmen – und für die eigene Zukunft die richtigen Schlüsse ziehen.

Stiftungen und die neue europäische Sicherheitsagenda

Das R in der RWM-Agenda bedeutet zum Beispiel, dass (so ist es zu hoffen) ab sofort eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (die es mit der ESVP bereits so auch auf dem Papier gibt) entwickelt wird, die drei Grundpfeiler anerkennt: 1) Europa, das sind 500 Mio. Menschen, das ist eine hochentwickelte und leistungsfähige Volkswirtschaft, das ist ein Fundus an Fähigkeiten, ein eigenes Sicherheitskonzept verfolgen zu können. Es muss jetzt nur auf Spur gesetzt werden. 2) Europa wird seine Außengrenzen künftig allein verteidigen, und zwar nicht nur mit Helmen, sondern mit robustem Material, mit entsprechender Hinterland-Infrastruktur. 3) Europa wird früher oder später seine eigene Atommacht sein, es wird nach außen transportieren können, dass es auf Kriege vorbereitet ist und damit potentielle Agressoren abschrecken. Europa wird aber auch zeigen, dass es nicht länger Spielball der Großmächte mit Card Blanche für den Katzentisch sein wird, sondern selbst Großmacht sein wird.

Denkräume für Sicherheitsträume

Warum ist das so schreibe? Weil ich einen Vortrag von Dr. Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Hinterkopf habe, in dem sie auf eben jene Potentiale europäischer Sicherheitspolitik abstellte – womit wir bei der Rolle von Stiftungen in diesem politischen Kontext wären. Warum sind es nicht Stiftungen in Europa, die als Denk- und Kreativräume rund um die neue europäische Sicherheitsarchitektur dienen, die damit für den politischen Diskurs und auch die politische Entscheidungsfindung eine eminent wichtige Rolle einnehmen könnten. Stiftungen können hier ihre Freiheitsgrade nutzen, Strukturen zu hinterfragen, etwa in der Beschaffung sicherheitstechnischen Materials. Politische Akteure scheitern hier vermutlich an eben politischen Wechselwirkungen und am Druck der Öffentlichkeit, Stiftungen könnten hier Räume schaffen und bieten, die freies Denken ermöglichen und so die Basis für fundierte, sachgerechte Grundlagenentscheidungen legen.

Bringen Stiftungen frischen Wind in die Diskussion um das Geschäftsmodell Deutschlands?

Beim Themenkreis Wirtschaft weiß ich gar nicht wo ich anfangen soll, wenn ich über die Wichtigkeit von Stiftungen nachdenke. Wie viele Stiftungen fußen auf unternehmerischem Engagement, wie viele Stiftungen haben damit im Kern einst eine Unternehmer-DNA mit auf den Weg bekommen, haben ein enormes Verständnis davon, was es für Prosperität und das Heben von Wertschöpfungspotentialen braucht?

Unzählige, ich glaube und bin überzeugt davon, dass Stiftungen wie die Stiftung Familienunternehmen an einer neuen Wirtschaftsagenda für Deutschland und damit auch für Europa mitschreiben können. Insbesondere ihr historischer Fundus ist in vielen Fällen ein Fundus für Konzepte im Morgen. Denn in einer Volkswirtschaft überleben Produkte wie Konzepte nur dann, wenn sie immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Sattheit führt zu konzeptioneller Schwere und produkttechnischer Ödnis, und das hat bislang noch jede Volkswirtschaft in Bedrängnis gebracht. Es gibt sehr viele Stiftungen, die hier etwas für den Diskurs beitragen können, die frischen Wind in politische Runden und Arbeitspapiere bringen können – nur müssen sie dafür als eben jener Lieferant von Knowhow, Hintergrund und Sachargumenten auch gesehen werden. Es kann die Botschaft dieser Wahlnacht sein, dass an so manchem Ast einer neuen politischen Agenda thematisch sichtbare Stiftungen mitarbeiten werden

Beim Thema Migration bringen viele Stiftungen viele Erfahrungen mit

Beim dritten Themenkreis Migration sind Stiftungen vermutlich noch am meisten involvierbar. Stiftungen verfügen etwa über Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit über einen Schatz an Wissen, wie Migration vorgebeugt werden kann. Sie können damit einen Beitrag leisten, Entwicklungsregime völlig neu zu denken. Vielleicht ist die Zeit der klassischen Entwicklungszusammenarbeit ja tatsächlich ein Stück weit vorbei, hier gilt es dann neu zu denken und mit jenen zu sprechen bzw. jene einzubinden, die in vielen Ländern der Erde vor Ort agieren, Probleme lösen, Strukturen schaffen. Denn Zukunft dort reduziert Herausforderungen hier. Neue Grundlagen zu legen, dass kann eine Aufgabe sein, an der Stiftungen mitarbeiten und mitwirken können, Migration aber zum Beispiel auch in Kontexte zu setzen, ein realistisches Bild für den öffentlichen Diskurs zu liefern, das kann extrem hilfreich sein – und derlei kann von Stiftungen kommen.

Stiftungsexperten Handbuch 2025

Zusammengefasst

Die Bundestagswahl hat ein Wahlergebnis mit sich gebracht, das erstmal schwer verdaulich sein mag, das einen neuen Bundeskanzler ins Bundeskanzleramt bringt, das aber eben auch etwas über die Verfasstheit unseres Landes sagt. Die Menschen glauben nicht mehr so richtig daran, dass ein Weiter so die Probleme löst.

Zukunft wird nicht rosig gesehen, sondern grau schattiert. Die Buntness des Stiftungssektors kann hier zum Faktor werden. Nageln Sie mich bitte nicht auf die Aussage fest, dass Stiftungen wieder Farbe in den Alltag der Menschen bringen, das müssen die Menschen selbst bewerkstelligen, und dafür muss die Regierung jetzt endlich zeitgemäße Rahmenbedingungen schaffen, beziehungsweise manches Rahmenwerk deutlich entschlacken.

Aber, und das vermute ich schon, Stiftungen können ob ihrer Freiheitsgrade im Denken und ihrer Spielräume im Tun Kuratoren frischer Konzepte und neuer Handlungsparameter sein. Dafür müssen sie aber auch selber an sich arbeiten, sie müssen sichtbarer sein, dafür müssen sie professioneller sein, dafür müssen sie resilienter sein. Das Leben, auch wenn es wie im Falle von Stiftungen ein ewiges ist, ist eine Baustelle? Da ist schon was dran.