Robust meets solide

Corona-Krise aktuell: Warum Infrastruktur nach dem Corona-Crash erst recht eine Anlageklasse für Stiftungen sein könnte

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Infrastruktur
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In den vergangenen Wochen mussten Anleger, so auch Stiftungen, beobachten, wie das Coronavirus und der Ölpreisschock auf einen heiß gelaufenen Bullenmarkt getroffen sind und diesen in Rekordzeit in einen ausgeprägten Bärenmarkt verwandelt haben. Der höchste Verkaufsdruck lag auf liquiden Aktien, sowie auf Aktien von Unternehmen mit schwachen Bilanzen. Allmählich unterscheiden die Anleger aber wieder zwischen langfristig attraktiven und weniger attraktiven Aktiensegmenten. Stiftungen, die nach ausschüttungsstarken Titeln suchen, dürften auf dem ermäßigten Kursniveau auch bei Infrastrukturaktien fündig werden.

Im Zuge des Corona-Crashs fiel der europäische Aktienmarkt, gemessen am Index Stoxx Europe 600, vom Jahresbeginn bis zum 20. März um 31,8%, während der US-Aktienmarkt (S&P500) um 25,9% nachgab. Wie in einer Aktienmarktkrise üblich, bauten die Anleger deutlich und weitestgehend undifferenziert Risiko ab. Allein der Fokus auf Europa war in den vergangenen Wochen bei Infrastruktur-Aktien von Vorteil: Europäische Infrastruktur-Indizes wie der MSCI Europe Infrastructure (-20,2%) haben bis zum 20. März weniger an Wert verloren als globale Indizes wie der FTSE Global Core Infrastructure (-25,8%; in EUR). Dennoch ist der Ausblick für den Infrastruktursektor jetzt erst recht als positiv anzusehen.

INFRASTRUKTUR IST NICHT GLEICH INFRASTRUKTUR

Denn inmitten dieses Umfelds ermöglichen die verschiedenen Infrastruktur-Subsegmente unterschiedliche Gelegenheiten. Wer sich bei Infrastruktur auf Nachhaltigkeit fokussiert, und genau das dürfte aus Sicht einer Stiftung naheliegend sein, der dürfte eher Erneuerbare Energien bevorzugen und den Sektor Öl & Gas bzw. die auf dieser Basis agierenden Versorger tendenziell ausschließen.

Der Corona-Crash hat gezeigt, dass sich ein solches Vorgehen auszahlt, im Übrigen wirken sich dadurch Ölpreisschocks weit geringer oder sogar positiv aus. Außerdem zeigt sich jetzt, welche Unternehmen starke und welche Unternehmen schwache Bilanzen haben. Grundsätzlich sind die Einzeltitel solcher Sektoren und Regionen zu bevorzugen, die die robustesten Zahlungsströme, solidesten Bilanzen und langfristiges Wachstumspotenzial ausweisen. Stärker konjunkturabhängige Bereiche sind tendenziell zu meiden.

FAKTEN ZUSAMMENTRAGEN

Aus Stiftungssicht sind aber nicht nur solche marktgegebenen Überlegungen anzuraten, sondern auch die Fakten auf Ebene der einzelnen Infrastruktursegmente zusammenzutragen. Für die drei Segmente Nachhaltige Versorger, Telekommunikation und Transportinfrastruktur sind da die folgenden:

1) Nachhaltige Versorger

Versorger, die Strom hauptsächlich aus erneuerbaren Energien beziehen, sind nicht nur wenig von der Öl- und Gaspreisentwickelung betroffen, sondern die Abnahmeverträge und -preise sind meist vorab festgelegt und unterliegen somit keinen Strompreisschwankungen. Dementsprechend wenig haben Versorger mit einem Fokus auf erneuerbare Energien in der Krise korrigiert. Hinzu kommt die Verbesserung der regulatorischen Bedingungen durch Vorhaben wie den europäischen „Green Deal“, die noch zum Jahresbeginn die Wachstumsaussichten dieser Unternehmen deutlich verbessert haben und aus unserer Sicht durch die aktuelle Krise und Rezession noch an Bedeutung gewinnen werden. Diese Unternehmen kombinieren defensive Geschäftsmodelle und oft hohe Dividenden mit langfristigen, strukturellen Wachstumstreibern.

2) Telekommunikation

Der Infrastruktur-Bereich Telekommunikation und Digitalisierung hat durch die Krise deutlich an Bedeutung gewonnen. So ist die Datennutzung in der Krise stark gestiegen. Davon profitieren nicht nur Telekommunikations-Unternehmen, sondern auch die Sektoren Funkmasten und Datenzentren. Neben strukturellen Wachstumstreibern ist Telekommunikation aber auch krisenfester als einige andere Sektoren. Somit bleibt Telekommunikations-Infrastruktur neben Versorgern eine von wenigen Rückzugsmöglichkeiten für Anleger, bis die Wirtschaft sich wieder erholt hat.

3) Transportinfrastruktur

Am deutlichsten war bisher, neben den Sektoren Öl & Gas und Energie, der Transportsektor von dem abrupten Konjunktureinbruch betroffen. Transportunternehmen werden durch die aktuellen Reiseeinschränkungen zwar deutlich stärkere Verluste als in der Finanzkrise 2008/2009 verzeichnen, aber es handelt sich zunächst um temporäre Maßnahmen. Gerade Unternehmen des Sektors Transport-Infrastruktur haben die Möglichkeit, sich bei einer nachhaltigen Verbesserung der aktuellen Krise schnell zu erholen. Aber auch dann werden sie von den Auswirkungen der Rezession stärker betroffen bleiben als andere Infrastruktur-Bereiche.

ZUSAMMENGEFASST

Infrastrukturaktien waren schon vor dem Corona-Crash ein Investment, das seine Stiftungseignung über viele Jahre hinweg bewiesen hat, jetzt nach dem Corona-Crash eröffnen sich auf den ermäßigten Kursniveaus sicherlich interessante Gelegenheiten. Aber, und auch das gehört zur Wahrheit, Infrastruktur ist eben nicht gleich Infrastruktur, das zeigt ein Blick auf die Subsegmente, der sich auch noch weiterführen lässt. Das wiederum macht ein Infrastrukturinvestment auch für Stiftungen sicherlich nicht einfach. Zu Infrastruktur an sich lässt sich rasch eine Meinung ausbilden, auch weil Stiftungen in vielen anderen Ländern in diese Anlageklasse investieren. Zu den Einzeltiteln wiederum dürfte die Entscheidungsfindung merklich schwieriger werden. Corona-Crash und Preisverfall bei den Aktien hin oder her.

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Susanne Reisch
Susanne Reisch ist Senior Portfolio Manager Infrastruktur-Aktien der BANTLEON AG in München und dort verantwortlich für den Fonds Bantleon Select Infrastructure. Nach dem Bachelor Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Finanzen in Israel (IDC Herzliya) und einem Abschluss in Politischer Ökonomie an der London School of Economics begann Susanne Reisch ihre Berufstätigkeit als Aktienanalystin für lateinamerikanische Rohstoff- und Transportfirmen bei Citi-Banchile in Santiago de Chile und war anschließend im institutionellen Vertrieb für brasilianische Aktien bei Bradesco Securities in London. Nach weiteren Stationen in der Investment-Industrie zwischen 2013 und 2018 formte sich die Infrastruktur-Expertise sukzessive heraus, bevor sie 2018 zu Bantleon wechselte.