Sie kennen das sicher aus Ihrer Kindheit. Im Urlaub am Meer gibt es dieses eine Motiv, dass Sie vom Strand aus immer wieder beobachteten, und um dieses Anblicks mit nach Hause zu nehmen, gab es das berühmte Urlaubspuzzle. Daheim wurden die 750 Teile ausgepackt, und schon ging es los. Mein Lieblingsmotiv waren die Fährschiffe der Königlinie von Sassnitz nach Trelleborg, zusammengerbacht habe ich es aber eigentlich nie. Immer fehlte ein Teil – so wie der ETF im Stiftungsvermögen bisher auch zumeist fehlte. Vermutlich bis jetzt.
ETFs hatten und haben im Stiftungsvermögen noch nicht so richtig ihren Platz gefunden, hatten richtiggehend einen schweren Stand. Einmal schütten viele ETFs nicht aus, was sie für das Stiftungsvermögen disqualifizierte. Dazu basieren ETFs auf Indizes, die ich als Stiftungsverantwortlicher beurteilen muss. Ein reiner Aktienindex bzw. ein reiner Rentenindex, abgebildet in einem ETF, können stiftungsgeeignet sein, aber dazu muss der Inhalt des Index auch zu den stiftungsindividuellen Zielen passen. Der Abgleich dessen ist schwierig. Einfacher machen es da ausschüttende Mischfonds, die eben ordentliche Erträge produzieren und von Haus aus vermögensverwaltend sind, den Stiftungsverantwortlichen also davon entbinden, auf Ebene einer Meinung zu einem Index „unterwegs“ zu sein.
GRÖSSERE STIFTUNGEN SETZEN AUF ETFs
Wir wollen dies gar nicht bewerten, denn eine Meinung zum Marktgeschehen lässt sich immer finden, aber eine Stiftung muss dies eben ummünzen in konkrete Anlageentscheidungen, und diese sind in vielen Fällen besser aufgehoben in den Händen von Profis. Ein ETF wird vor allem von größeren Stiftungen eingesetzt, die genau über diese Brücke gehen können, die eben einen Markt oder einen Index qua fachlicher Expertise der Verantwortlichen beurteilen können. Und dort nehmen ETFs dann auch eine passende Rolle ein, als Baustein in einer ausdifferenzierten Asset Allocation. Hier kann ein ETF seine volle Stärke ausspielen: Als Stiftung kaufe ich ein kostenoptimales Fondsprodukt, das mit die Wertentwicklung eines Index sauber nachbildet.
LESETIPP: Im #fondsfibel-Club der 25 ist ganz bewusst auch ein ETF auf einen streng-nachhaltigen europäischen Aktienindex enthalten, alle Informationen dazu finden Sie hier.
STIFTUNGEN MÜSSEN DEM DIVERSIFIKATIONSGEBOT FOLGEN
Da ich als Stiftung dem Diversifikationsgebot folgen muss, ist ein Index durchaus einer Einzelaktie vorzuziehen, denn in einem Index sind immer eine bestimmte Zahl von Aktien enthalten, und eben nicht nur eine Hand voll. Gleichzeitig bekomme ich de Möglichkeit an die Hand, verschiedene Indizes in mein Stiftungsvermögen zu packen, woraus resultiert, dass ich die Breite meines Stiftungsportfolios deutlich ausweiten kann, ohne unverhältnismäßig großen buchhalterischen Aufwand zusätzlich auszulösen. Entsprechend wird der ETF von großen Stiftungen wie ein normales Investment angesehen und verwendet, er gehört zum Instrumentarium der täglichen Verwaltung des Stiftungsvermögens.
STIFTUNGSRECHTSREFORM ÖFFNET ETFs DIE TÜREN
Durch die Stiftungsrechtsreform nun könnte der ETF auch für eine weit größere Gruppe von Stiftungen auf dem Radar aufscheinen. Die Stiftungsrechtsreform regelt, dass Umschichtungserlöse – grob gesagt – auch für die Zweckverwirklichung ausgereicht werden können. Performance wird also zum Faktor für die Ausgabenseite einer Stiftung, und performancestarke Fonds, die Wertentwicklung so rein wie möglich ins Stiftungsvermögen liefern (sofern der unterliegende Index steigt), dürften auf die Fondsliste einer Stiftung wandern. ETFs liefern genau das, zu extrem niedrigen Kosten und für ein Indexuniversum, mit dem sich mannigfaltige Akzente im Stiftungsvermögen setzen lassen.
ETF-BAUSTEINE FÜR DAS FONDSPORTFOLIO EINER STIFTUNG
Stiftungen, die jetzt vor der Frage stehen, wie sie Bausteine in ihr Stiftungsvermögen bekommen, die eben vor allem Performance in der Lage sind beizusteuern und bei denen die Ausschüttung nachgelagert priorisiert wird, werden sich drei Fragen beantworten müssen:
- Gibt meine Anlagerichtlinie den Einsatz von ETFs her (weil der Einsatz von Fonds allgemein geregelt ist bzw. der Einsatz von ETFs vorgesehen ist)?
- Welche Anlageklasse ist in meinem Stiftungsvermögen unterrepräsentiert, könnte aber einen womöglich überproportionalen Wertbeitrag liefern (da für diese Wertbeiträge höhere Risiken eingegangen werden müssen, wurden diese Anlageklassen bisher gemieden)?
- Welchen Akzent kann ich in meinem Fondsportfolio bzw. meinem Stiftungsvermögen mit einem ETF setzen (bspw. auf der Aktien-, Renten-, Immobilienseite)?
ZWEI VORTEILE VON ETFs IM STIFTUNGSVERMÖGEN
Auf der Aktienseite eignen sich für ein Stiftungsvermögen besonders jene ETFs auf nachhaltige Aktienindizes, bei denen also streng nach bestimmten Kriterien ein Korb von Aktien selektiert wurden, was aus Stiftungssicht zwei Vorteile mit sich bringt: 1) Baue ich eine zusätzliche Aktienquote auf bzw. die bestehende Aktienquote aus, werde ich an nachhaltigen bzw. ESG-strengen Ansätzen nicht vorbeikommen. Je strenger desto besser, denn für Stiftungen steckt im nicht-nachhaltigen Anlegen etwa in Aktien auch ein Reputationsrisiko drin. Mit ESG-strengen ETFs lässt sich dieses umgehen. 2) ETFs sind extrem kostensensitiv aufgesetzt. Stiftungen werden also die Kostenbasis in ihrem Fondsportfolio definitiv nach unten bringen, so sie Anteile eines aktienlastigen Mischfonds gegen einen Pure-Play-ETF tauschen.
SPRICHT AUS STIFTUNGSSICHT ETWAS GEGEN ETFs?
Argumentativ spricht dann gegen ETFs eigentlich nur noch, dass sie eben doch hier und da aktiv bewirtschaftet werden müssen, ich als Stiftungsverantwortlicher also im Falle eines Wertverzehr eine Mechanik bei der Hand haben sollte, die ich dann auslöse. Da ETFs Indizes abbilden, und Indizes im Falle schwacher Börsen fallen, durchaus auch mal deutlicher als etwa ein Mischfonds, brauche ich für meine Stiftung eine Regelung, was ich wann mache. Fällt der ETF um 20%, verkaufe ich oder kaufe ich nach? Was mache ich bei einem Minus von 30%, und natürlich muss auf der Oberseite eine Antwort auf die Frage, wann Gewinne mitgenommen werden, formuliert werden.
ZUSAMMENGEFASST
Pro ETF haben Stiftungen die Stiftungsrechtsreform auf ihrer Seite, sie ist so etwas wie die Anleitung dafür, das fehlende Puzzleteil ETF ins Stiftungsvermögen einzufügen. Hinzu kommen die Einfachheit des Produkts an sich sowie der Faktor Performance, der im Stiftungsvermögen plötzlich durchaus schlagender werden kann. Allerdings sollten Stiftungsverantwortliche beim Einsatz von ETFs im Stiftungsvermögen auch in Szenarien denken, etwas wenn der unterliegende Index marktbedingt mal zur Schwäche neigt. Denn passiert das, kann sich weder Stiftungsfonds noch ETF entziehen, letzterer dürfte sogar markanter schwanken. Allerdings ist das keine News, sondern einfach ein Fakt, mit dem Stiftungsverantwortliche schlicht umgehen müssen. So wie wir früher mit dem fehlenden Puzzleteil des Fährpuzzles, das sich dann doch noch nach einer Weile fand und das Bild der Ostseefähren komplettierte.