#vtfds2021 – die Nachlese: Das Thema ESG spielt bei der Vermögensverwaltung eine zentrale Rolle. Ein Mythos gehört jedenfalls endgültig begraben, darüber waren sich unsere Gesprächspartner einig: Das Stiftungsvermögen nach ESG-Kriterien aufzustellen kostet keine Rendite, im Gegenteil: ESG bedeutet Zukunft. Und eine zukunftsorientierte Anlagestrategie ist eine renditegenerierende Anlagestrategie. In diesem Kontext diskutierten Melanie Kühlborn-Ebach (LMM Investment Controlling), Rolf Hässler (NKI) und André Höck (EB-SIM).
Zunächst einmal steht ESG für Environment, Social, Governance – also Umwelt, Soziales, Unternehmensführung. Dies stellt eine Stiftung vor die Frage: E, S oder G – oder alles zusammen?Zu Beginn einer ESG-konformen Aufstellung des Stiftungsvermögens ist es wie bei so vielen Dingen ratsam, sich ein Bild zu machen, Informationen einzuholen und sich auszutauschen. Andere Stiftungen, die das Thema ESG für sich bereits umgesetzt haben und kompetente Berater helfen ein erstes Bild zu zeichnen, wie ESG im Stiftungsvermögen umgesetzt werden könnte.
DIREKT AM ANFANG IN DEN AUSTAUSCH TRETEN
Wer strategischer an die Sache herangehen möchte, fährt gut damit, ausgehend vom Stiftungszweck die Anlageziele zu definieren, rät André Höck. Mit dieser Basis lassen sich einfacher bestimmte Ausschlusskriterien bestimmen, die Portfoliokonstruktion (Asset Allocation) entwickeln oder darüber hinaus die Engagement-Strategie festlegen. Das Anlageziel bestimmt somit auch, ob sich eine Stiftung auf E, S oder G in der Vermögensanlage konzentriert. Dabei stehen sich diese Parameter gleichwertig gegenüber. Keine Dimension ist nachhaltiger oder bringt mehr Performance. Eine Schwerpunktsetzung hilft allerdings, Mindestkriterien zu definieren und Schwerpunkte zu setzen. Und eine Schwerpunktsetzung hilft bei der Auswahl der passenden Vermögensanlage.
VIDEOTIPP: Den kompletten Stream des zweiten Virtuellen Tags für das Stiftungsvermögen sowie die Mediathek zum #vtfds2021 finden Sie auf www.vtfds.de.
UM ZU WISSEN, IN WAS INVESTIERT WIRD, BRAUCHT ES TRANSPARENZ
Die Identifikation mit E, S oder G steht somit am Anfang. Es ist jedoch eine besondere Herausforderung, die Fonds und Aktien auszuwählen, die authentisch die identifizierten Werte umsetzen. In einer globalisierten Welt mit komplexen Holdingstrukturen und vielschichtigen Zuliefererketten braucht es an Durchblick. Beratungen wie die LMM Investment Controlling GmbH verfügen auf einen Zugriff auf Daten, die für Stiftungen ausführlich und dennoch verständlich in ESG-Reportings aufbereitet werden. Ziel ist es, Transparenz herzustellen, sagt Melanie Kühlborn-Ebach. Die Stiftung kann mit diesem Informationsmehrwert anschließend selbst entscheiden, in was genau investiert werden soll.
WAS MACHT EIN GUTES ESG-REPORTING AUS?
Ein ESG-Reporting dient auch dazu, sprachfähig gegenüber den Stakeholdern einer Stiftung zu sein, erklärt André Höck. Ein gutes ESG-Reporting erkennen Stiftungen an drei Merkmalen:
- Das Reporting hat einen gewissen Umfang und geht ins Detail. Die ESG-Reportings der EB-SIM sind beispielsweise regelmäßig über 30 Seiten lang.
- Es geht näher auf bestimmte Nachhaltigkeitsaspekte ein, wie beispielsweise den CO2-Fußabdruck.
- Darüber hinaus stellt es die positive Wirkung des Investments dar.
Kurzum: Nach dem Lesen eines guten ESG-Reportings weiß eine Stiftung, wissen Stiftungsverantwortliche, in was sie investieren.
METHODEN ZUR ERFOLGREICHEN UMSETZUNG
Das nachhaltige Anlageziel ist somit definiert, ein ESG-Reporting liegt vor, Transparenz ist hergestellt: Wie setzt nun eine Stiftung ESG-Kriterien in ihrer Investmentstrategie um?
Ein guter Anfang ist es, bestimmte Ausschlusskriterien zu definieren und diese in die Anlagerichtlinie einzubeziehen, rät Rolf Häßler. Es lässt sich erfahrungsgemäß außerdem leicht einen Konsens unter den Vermögensverantwortlichen finden, in was nicht investiert werden soll. Darauf aufbauend grenzt die sogenannte Engagement-Strategie die Anlagenauswahl weiter ein. Hier ist danach zu fragen, was die Stiftung mit ihrem Portfolio bewirken soll und kann.
ANALYSETIPP: Auf www.fondsfibel.de haben wir für jeden Fonds im Club der 25 einen ESG-Check durchgeführt, bei dem wir abgefragt haben, wie der Stand hinsichtlich ESG beim jeweiligen stiftungsgeeigneten Fonds ist. Zudem ist auf der Plattform eine HeatMap zu finden, welcher Fonds die beiden Parameter Ausschüttung und ESG wie gut zusammenbringt.
SOLLEN STIFTUNGEN DIE BESTEN BEVORZUGEN?
Anklang findet nach wie vor auch der sogenannte Best-In-Class-Ansatz. Bestimmte, auf den ersten Blick weniger nachhaltige Branchen werden nicht von vornherein ausgeschlossen. Es werden allerdings nur die Aktien von Unternehmen ins Portfolio aufgenommen, die die besten ESG-Ratings für sich beanspruchen. Dieser mitunter kontrovers diskutierte Ansatz folgt der Annahme, dass nachhaltigere Unternehmen positive Auswirkungen innerhalb ihrer Branche haben und somit insgesamt zu einer nachhaltigeren Entwicklung beitragen.
BEST IN PROGRESS VS. BEST IN CLASS?
Dem gegenüber steht der Best-In-Progress-Ansatz. Hierbei steht nicht im Vordergrund, ob ein Unternehmen als besonders nachhaltig gilt, sondern wie fortschrittlich es bezüglich bestimmter Nachhaltigkeitsaspekte ist, beispielsweise der Ressourcen- oder Energieeffizienz oder in Bezug auf Menschen- und Arbeitsrechte. Im Vergleich zu solchen, die die Möglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit bereits ausgeschöpft haben, können Best-In-Progress-Unternehmen die nächste Tonne CO2 zu deutlich geringeren Grenzkosten einsparen.
NACHFRAGEN UND DIFFERENZIEREN
Vor einem Schwarz-Weiß-Sehen bei der Frage nach der Nachhaltigkeit bestimmter Anlageklassen warnt auch Melanie Kühlborn-Ebach. Aufgrund momentan mangelnder Nachhaltigkeit eines Unternehmens alle Investments abzuziehen, kann in der Gesamtbetrachtung schwerwiegende Auswirkungen, beispielsweise auf Arbeitsplätze, haben. Nachhaltig wirtschaften bedeutet auch, Chancen für mehr Nachhaltigkeit zu gewähren. Bevor also schnelle Entscheidungen getroffen werden, lohnt es sich auch hier, ein ESG-Reporting einzuholen und anhand dessen zu beurteilen, ob der Fonds oder das Unternehmen das Investment Wert ist.
EIN PRAXISTIPP ZU ARTIKEL 8-FONDS?
Einen Praxistipp für Stiftungsvorstände hatte Rolf Hässler noch parat: In letzter Zeit stolpert man öfter auf sogenannte „Artikel 8“ bzw. „Artikel 9-Fonds“. Dies bezieht sich auf Offenlegungs-Verordnung der EU von 2019. Ein als „Artikel-8“ deklarierter Fonds sagt jedoch nichts über dessen Nachhaltigkeit per se aus. Es soll Investoren lediglich erleichtert werden, genauere Informationen über das Nachhaltigkeitsversprechen des Produktes einzuholen. Auch ist ein „Artikel-6-Fonds“ kein pauschal „brauner“ Fonds. Fonds, die unter diesen Artikel fallen, treten schlichtweg nicht als ESG-Fonds nach außen auf.
DAS DOPPELTE WIRKUNGSVERSPRECHEN DER NACHHALTIGEN VERMÖGENSANLAGE
Einer Sache näherte sich die Diskussionsrunde zuallerletzt noch: Warum wird häufig von einem „doppeltem Wirkungsversprechen“ in Bezug auf die nachhaltige Kapitalanlage Gesprochen? Die Gesprächsrunde klärte auf. Einmal 1) schließt die nachhaltige Vermögensanlage eine marktgerechte Rendite nicht aus, zum anderen hat 2) ein nach ESG-Kriterien aufgestelltes Stiftungsvermögen über seine rein finanzielle Wirkung hinaus auch eine positive Wirkung auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
ZUSAMMENGEFASST
ESG ist ein Themenkomplex, der Stiftungen künftig fordern wird, das zeigte die Diskussion mit Melanie Kühlborn-Ebach, Rolf Hässler und André Höck im Rahmen des #vtfds2021 ganz deutlich. Es ist dabei weniger die Erkenntnis, dass nachhaltiges Anlegen des Stiftungsvermögen künftig ein MUSS ist, als vielmehr das Wie, das Stiftungsverantwortliche derzeit augenscheinlich umtreibt. Dass sich Stiftungen aber auf den Weg gemacht haben und heute jede Menge Werkzeuge an die Hand bekommen, das ist eine gute Nachricht. Denn dies wird definitiv dazu beitragen, Stiftungsvermögen noch besser zu allokieren und zu aktivieren.