Die Stiftungsfonds-Diät muss ein Ende haben

Corona-Krise aktuell: Zwei Depotauszüge erzählen, was sich angesichts des Corona-Crashs für „ihre“ Stiftungsvermögen anraten würden

12692
Treffen sich zwei Depotauszüge
Lesezeit: 6 Minuten

Die Corona-Krise beherrscht momentan Schlagzeilen und Geschehen. In den Depots vieler Stiftungsvermögen ist jetzt Reagieren und Agieren gleichermaßen angesagt. Bei Stiftungsfonds und stiftungsgeeigneten Fonds wiederum zeigt sich, welches Konzept jetzt seine Stärken hat. Hier erzählen zwei Depotauszüge, wie sie aus ihrer Sicht den Crash erlebt haben und was sie aus der Perspektive „ihrer“ Stiftung heraus in Zukunft anders machen würden.

DIE LETZTEN VIER WOCHEN WAREN FÜR SIE SICHER NICHT LEICHT. DAHER DIE EINFACHSTE FRAGE ZUERST: WIE GEHT ES IHNEN HEUTE?

Depotauszug I: Also erst einmal geht es mir gut, ich lebe noch. Aber natürlich haben die vier Wochen Spuren hinterlassen, auch bei mir, der schon viele Bewegungen in unserem Depot hat nachvollziehen müssen. Die Zahlen jetzt aber tun auch mir richtig weh.

Depotauszug II: Ja, weh tun, das trifft es. Ich fühle mich zwar um einiges leichter, fast so als wären unsere Stiftungsfonds auf Crash-Diät, aber wohl fühle ich mich damit nicht. Das ist nicht meine Komfortzone, in der wir im Moment unterwegs sind, muss ich schon sagen.

WAS WÄRE DENN IHRE KOMFORTZONE?

Depotauszug II: Naja, einfach ruhigeres Fahrwasser, und mit einem Kapitän, der weiß, was er da macht. Das Gefühl habe ich bei unserem Stiftungsvermögen nicht. Jetzt im Crash wird gar nix gemacht, wenn dann verkauft, aber das, was noch im Gewinn ist – ich ertrinke im Cash, soll aber andererseits auskömmlich ordentliche Erträge produzieren. Das wäre in etwa so, als würde ich von einem Sprinter einen Weltrekord verlangen, ihn aber am Startblock festtackern. Da kann er trainieren und machen und tun wie er will, ein Weltrekord kommt dann trotz Vorgaben nicht heraus. Man muss einen Sprinter von der Leine lassen, und ein Stiftungsvermögen letztlich auch. Stiftungen dürfen ja alles, und langweilen mich dann mit Anleihen und hier und da mal einem Fonds. Ein Kollege hat mir erzählt, auf dem letzten Depotauszugskongress, seine Macher würden mit Zertifikaten rummachen, aber seine Proteste blieben ungehört.

Depotauszug I: Mir kommt es manchmal so vor, als würde ich diese Minuszeichen ganz umsonst auf das Papier packen. Minus 5, minus 10, minus 15, interessiert bei uns keinen. Jetzt haben wir einen Crash, und was machen wir? Aussitzen und abwarten. Kann ich nachvollziehen, aber wenn unsere Verantwortlichen doch wissen, dass ein Income-Fonds, ein ausschüttungsstarker Aktienfonds, ein nachhaltiger Aktienfonds und ein Mikrofinanzfonds im Depot fehlen, dann schaue ich doch, dass ich die kaufe, wenn es günstig ist, oder etwa nicht? Bei uns wurde vor dem Crash zu wenig in Aktien investiert, und jetzt bei markant niedrigeren Kursen werden wieder nur die Risiken gesehen. Aber was können wir tun außer darauf hinzuweisen.

Depotauszug II: Ja, wir sind leider nur die Informative, können auf die Exekutive keinen direkten Einfluss nehmen. Aber ist es denn bei Ihnen so schlimm?

Depotauszug I: Wissen Sie, wie oft ich schon auf das Fehlen der Anlagerichtlinie hingewiesen habe? Ich weiß schon, wie das läuft, wenn ich per Ende März auf den Schreibtisch meines Stiftungsvorstands wandere. Ich werde angeschaut, kurz umgedreht, dann wird die Stirn gerunzelt – ich liebe es, seinem Verstand bei der Arbeit zuzusehen. Dann wird telefoniert, „Du, kann das denn sein“ und so, am anderen Ende wird ein Banker oder Berater sitzen. Und dann wird entschieden, auf welcher Grundlage auch immer, erstmal abzuwarten, bis sich der Staub gelegt hat. Dann sehe man klarer. Mit Anlagerichtlinie wäre das Leben des Stiftungsvermögens so viel einfacher. Es wäre klar, was die Verantwortlichen jetzt tun, auf welche Instrumente sie jetzt zurückgreifen und dass in den Gremien nun gezielt über Zukäufe von vernünftigen und bislang nicht getätigten Ideen diskutiert würde – entlang eines Kriterienrasters für eine Anlage. Ich habe oft via Minuszeichen und Gewinn- und Verlustrechnung auf die Disbalancen in unserem Stiftungsvermögen hingewiesen, passiert ist nichts.

ABER IST ES DENN WIRKLICH SO, DASS SO VIELE STIFTUNGEN AUS IHRER ERFAHRUNG HERAUS DAS STIFTUNGSVERMÖGEN MIT- BZW. SELBST MANAGEN?

Depotauszug II: Das sehen wir schon, dass viele Stiftungsmacher Selbermacher sind. Und da muss ich dann sagen, dass sie ihre Lektion dann eben jetzt im Zuge des Corona-Crashs lernen. Wissen Sie, ich habe schon relativ häufig den Satz gehört, „das lassen wir jetzt erstmal so und warten ab“, und da ist eine gute Börse dann auch hinderlich, Dinge zu verändern. Dabei wäre das geboten, denn wenn es knallt, brauche ich an den Strukturen nichts zu verändern, hier gilt es dann erst einmal zu reagieren. Wir haben das einmal 2018 richtig gemacht. Im vierten Quartal. Plötzlich wies ich Zuwachs bei zwei nachhaltigen Aktienfonds aus, die auch knapp 2% pro Jahr ausschütten, da hab‘ ick mir gefreut. So wie die Dinge lagen, war die Delle damals eine Kaufgelegenheit, und schon 2 Monate später konnte ich ein schönes Plus zeigen. Das lief richtig. Aber jetzt? Klar, die Stiftungsfonds sind jetzt förmlich auf Diät, aber genau in diesen Abnehmphasen muss ich zugreifen, denken Sie nur an den Jo-Jo-Effekt.

WORAN LIEGT ES DENN, DASS IMMER NOCH ZUMEIST AUF STIFTUNGSFONDS UND NICHT AUF EINEN STRAUSS AN FONDSKONZEPTEN ZURÜCKGEGRIFFEN WIRD?

Depotauszug I: Meiner Erfahrung nach liegt das daran, dass für Stiftungen undifferenziert irgendwelche Fondslisten zusammengestellt werden, mit ebenjenen Stiftungsfonds, ohne das Ganze zu prüfen. Soweit ich weiß gibt es hier eine Ausnahme, eine FondsFibel oder FondsBibel oder so, die machen das anders. Aber die Listen mit Stiftungsfonds führen Stiftungen schon in die Irre, denn mit gleichen Bauteilen bauen Sie ja auch kein Haus. Sie brauchen unterschiedliche Teile, aus denen dann ein Haus wird, und ohne Architekten würden Sie das nicht machen. Sie würden sich nie für einen guten Architekten halten, beim Verwalten des Stiftungsvermögens halten sich aber alle für gute Vermögensverwalter. Ist ja nicht so schwer, haha. Eines würde ich aber schon sagen, dass nämlich diese Stiftungsfonds-Diät ein Ende haben muss, also alles außer Stiftungsfonds ins Depot zu packen, das passt für mich nicht mehr in die Zeit.

Depotauszug II: Das sehe ich ähnlich, mit einer Einschränkung. Stiftungsfonds haben ja den Vorteil, dass sie für die Bedürfnisse einer Stiftung schon ganz grundsätzlich passen. Kaufe ich als Stiftung also vier oder fünf Stiftungsfonds, dann kaufe ich etwas, das ich verstehen kann, bei dem ich belegen kann, dass das für mich und mein Stiftungsvermögen auch passt. Spreize ich jedoch den Fundus an Fonds, komme ich als Stiftung hier und da in Bereiche, die ich nicht so gut kenne und verstehe, und die eben nicht naturgemäß für mich aufgesetzt wurden. Fragt da in Phasen mit Problemen mal einer nach, kann ich aus Sicht meiner Stiftung vermutlich nicht hundertprozentig verargumentieren, dass Fonds x oder Fonds y zum Anlageziel meiner Stiftung passt.

Depotauszug I: Na Moment, Herr Kollege. Ich kann zu vielen Fonds schon schlüssige Argumentationsketten zusammenstückeln. Als Stiftung brauche ich auskömmliche ordentliche Erträge, und wenn einer meiner fünf Stiftungsfonds hier schwächelt oder keine Ausschüttungsreserve mehr hat, dann kann ich auf Income-Fonds zurückgreifen. Die haben zwar aktuell auch gelitten, aber langfristig hole ich mir hier einen ausschüttungsstarken und vor allem breit diversifizierten Baustein ins Depot. Will ich zudem eine Aktienquote aufbauen, brauche ich –  da die fünf Stiftungsfonds hier recht begrenzt agieren können – entweder einen Mischfonds mit höherer Aktienquote oder gleich einen reinen Aktienbaustein, der halt ausschütten muss und bei dem ich mit den Aktien im Fonds auch das verbinde, was ich als Stiftung brauche. Ich brauche Nachhaltigkeit, ESG, da bekomme ich ein paar sehr gute Ideen zur Hand. Ich brauche Qualität, die Unternehmen soll es in 20 Jahren noch geben, auch dazu bekomme ich gute bis sehr gut Ideen zur Hand. Mein Stiftungsvorstand müsste sich hier einfach vom Bewährten etwas lösen. Von unserer Seite würden wir das voll unterstützen. In meinen Augen muss die Stiftungs-Diät ein Ende haben.

GIBT ES DENN REGIONALE UNTERSCHIEDE, VOR ALLEM SEITENS DER AUFSICHT?

Depotauszug II: Also wir sind ja in Berlin, aber bei allem was man über die Aufsicht bei uns hört, geht es doch darum, dass wir selbst Wege finden, innerhalb des gesetzlichen Rahmens. Und der ist halt weit, aber doch auch klar. Ertragreich und sicher, das ist das eine, diversifizieren und nicht spekulieren das andere, dazu Business Judgement Rule, damit kann jede Stiftung arbeiten.

Depotauszug I: Theoretisch, aber praktisch? Gerade in Krisen wie jetzt der Corona-Krise zeigt sich doch, dass dieser eigentlich klare Rahmen scheinbar unheimlich unklar ist. Bei uns in Bayern können wir uns über die Aufsicht jedoch nicht beschweren, und auch die Kollegen andernorts lassen kein schlechtes Wort über die Aufsichten fallen, kennen deren Probleme ganz gut. Es liegt eher an uns, den gesteckten Rahmen mit Inhalt zu füllen, und da müssen wir unseren Stiftungen Hinweise geben, dass eben ein Sprung in der Professionalität der Verwaltung des Stiftungsvermögens gemacht werden muss. Delegieren statt lamentieren, das wäre meine Maßgabe dabei, auch und gerade, weil wir momentan im Krisen-Modus unterwegs sind.

STICHWORT KRISE: WIE HABEN SIE NUN DEN JÜNGSTEN CORONA-CRASH ERLEBT?

Depotauszug I: Also bei mir passierte zu Beginn fast nichts im Depot, alles sah wie eine normale Abwärtsschwankung aus. Dann aber fegte plötzlich von einem Tag auf den anderen ein eisiger Wind durch das Depot, egal ob Aktie oder Anleihe, alles sah plötzlich arg zersaust aus. In dieser Geschwindigkeit hat sich unser Depot meiner Erinnerung nach noch nie derart derangiert gezeigt.

Depotauszug II: Derangiert? Ein höflicher Begriff. Bei uns waren es Einschläge, bei einigen Fonds mit minus 20% und noch mehr, das habe ich lange nicht gesehen, und ich habe schon viel gesehen. Mexikokrise 1994, Asienkrise 1997, Russlandkrise 1998, klar, dann auch die Zäsuren in den 2000er Jahren. Aber das jetzt hat eine ganz neue Qualität. Dass die Börsen in den USA den Handel aussetzen, und zwar mehrmals binnen weniger Tage, daran werden wir uns lange erinnern. Ich habe dann mit dicken Minuszeichen darauf hingewiesen, dass man vielleicht hier und da mal nachfasst, oder an der einen oder anderen Stelle mal einen der Stiftungsfonds hinterfragt, aber bisher ist nichts passiert. Diese Nibelungentreue, zu diesem „das haben wir immer so gemacht“, die bringt Stiftungen nochmal in Teufels Küche. Dabei wäre es so einfach, und an uns Depotauszüge denkt natürlich keiner. Ich hätte doch auch viel mehr Spaß an einem Portfolio, wenn ich verschiedene Fondskonzepte reporten könnte. Die Asset Allocation im Look Through, die Attributionsanalysen, verschiedene Ausschüttungsprofile –  da gäbe es so viel, was eine bessere Basis für ordentliche Erträge darstellen könnte als dieses Einerlei, über das wir da berichten.

Depotauszug I: Ach, seien Sie doch nicht so, verlieren Sie nicht die Geduld.
Depotauszug II: Warum nicht?
Depotauszug I: Sie sind doch ein Stück Papier.

WIR DANKEN IHNEN, DASS SIE BEIDE SICH TROTZ CORONA-CRASH FÜR UNS ZEIT GENOMMEN HABEN.