Da haben wir den Salat. Heute Morgen öffnete ich das Mailpostfach, die erste Mail eines Vermögensverwalters hub mit genau diesem Satz an. Was er meinte war sicherlich das Szenario, das wir uns gerade hierzulande am wenigsten gewünscht haben, das aber auch das am ehesten erwartbare gewesen ist. Die Wiederwahl des Alten, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir haben einige unserer meinstiftungsexperte-Vermögenspofis zum Einfluss der US-Wahl auf das Management des Stiftungsvermögens befragt.
Ohne es vorweg zu nehmen, wird das Managen des Stiftungsvermögens durch die Wiederwahl des blondierten, peinlichen, menschlich unangenehmen, vorbestraften und niveau- wie respektlos wahlkämpfenden 78jährigen Mannes in das Amt, das immer noch das wohl mächtigste der Welt sein dürfte, nicht einfacher werden. Die neue Administration ist dem Vernehmen nach vorbereitet auf einen Angriff auf die amerikanische Demokratie, sie wird diesen durchführen und einstige Partner nicht mehr als solche sehen, geschweige denn behandeln. Sie wird international brüskieren, sie wird Allianzen hinterfragen, man wird ihr mit Appeasement (wir erinnern uns an die Zeit, als diese Art der Politik vollführt wurde) nicht beikommen.
Darauf zu hoffen, dass der große Bruder weiter die Sicherheitsgarantien „für uns“ übernimmt, ist naiv. Die hieraus erwachsenden Fragen, auch für das Management des Stiftungsvermögens, gehen weit über das Nachdenken über etwas höhere Aktienquoten hinaus. Will Stiftungsvermögen künftig nicht oder weniger vulnerabel sein, braucht es das große Besteck. Was das bedeuten kann für die Anlagestrategie einer Stiftung, werden wir hier an anderer Stelle beleuchten. Für den Moment haben wir einige unserer meinstiftungsexperte-Vermögensprofis zu ihren Einschätzungen befragt. Im Anschluss finden Sie die differenzierten wie ausführlichen Antworten.
Matthias Steinhauer
CONCEPT Vermögensmanagement, Bielefeld
„Das bange Warten hat ein Ende. Es bleibt nun banges Zusehen, wie der neue/alte Präsident in den ersten Monaten auftrumpfen wird. Amerika hat seine Freiheit und die Demokratie einem Führerkult geopfert. Das mögen viele im industriellen Westen bedauern; aber wir werden einen Umgang damit finden müssen. Die US-Börsen haben bereits während der vergangenen Wochen den Sieg des vermeintlich wirtschaftsfreundlichen Kandidaten antizipiert. Auf dem Fundament erwartbar niedrigerer Zinsen, nicht überbordenden konjunkturellen Wachstums und stetig steigender Unternehmensgewinne (alles unter den Demokraten angelegt) bestehen für die USA für die nächsten Monate weiter gute Chancen auf eine Fortsetzung des Börsenaufschwungs und auf neue historische Hochs. Bekanntermaßen möchte bzw. wird Trump die Zölle auf jedweden Import massiv erhöhen. Dies dürfte allerdings schon kurzfristig die Inflation anheizen, zu Wohlstandsverlusten führen und auf Sicht die Wettbewerbsfähigkeit Amerikas beeinträchtigen. Es wäre nicht überraschend, wenn schon bald nach Amtseinführung diese Geschichte gelesen wird.“
Andreas Heinrich
Hansen & Heinrich Aktiengesellschaft, Berlin
„Das Management von Stiftungsvermögen orientiert sich an den in der Satzung geregelten Punkten zum Bereich Vermögensanlage bzw. den vereinbarten Anlagerichtlinien. Im Kern geht es um langfristigen Vermögenserhalt und Ausschüttungsorientierung. Entsprechend ist der Anlagehorizont sehr langfristig. Schwankungen müssen und können akzeptiert (bzw. ausgehalten werden).
Für die Vermögensallokation spielen Konjunkturaussichten, Zinsentwicklung, Notenbankpolitik und die Entwicklung der Unternehmensgewinne die entscheidende Rolle, nicht politische Ereignisse. Diese sorgen zwar teilweise für erhöhte Volatilität, spielen allerdings langfristig nur eine untergeordnete Rolle. Zudem die Statistik zeigt, dass die Renditeunterschiede zwischen demokratischen und republikanischen Präsidenten nur sehr gering sind.
Daher macht es keinen Sinn, das Portfolio nach einem möglichen Wahlsieg von Harris oder Trump auszurichten, und schon gar nicht im Vorfeld der Wahl. Nach der Wahl bzw. wenn ein eindeutiges Ergebnis vorliegt, kann man schauen, ob Veränderungen im Portfolio notwendig bzw. nützlich sind. Diese sind dann aber eher taktischer Natur und keine strategischen Entscheidungen. Wir gehen mit bestehender und auch mit den Stiftungen vereinbarter Asset Allokation in die Wahl. Unsere Erwartungen für die Zinsentwicklung und auch die Entwicklung der Aktienmärkte sind langfristig und werden durch den Wahlausgang nicht beeinflusst. Um mögliche Schwankungen rund um Wahl nutzen zu können, ist es durchaus sinnvoll, etwas Cash zu halten.“
Peter Schneider
Schneider, Walter & Kollegen Vermögensverwaltung AG, Köln
„US-Aktien mit starkem America first Bezug feiern Trump 2.0! Wahrscheinlich sind hier etliche chancenreiche Investitionen möglich, bei denen attraktive Dividendenniveaus winken. Jedoch können sich Importe für Amerikaner über Strafzölle verteuern. US-Bonds signalisieren zukünftig eine höhere Staatsverschuldung der USA, 10-jährige US Treasuries steigen heute (am Tag nach der Wahl, Anm.d.Red.) auf 4,45% in der Rendite, vor kurzem (Mitte September) lag das Niveau noch bei 3,65%. Für Stiftungen indiziert dies: Hier könnten sie sich mit einem strategischen Horizont höhere Zinsen sichern, was wiederum positiv auf das Verstetigen des Zustroms an ordentlichen Erträgen aus Zinszahlungen wirken dürfte. Zu achten ist aber auf die Realrendite, denn höhere Kuponzahlungen sind das eine, werden aber unter Umstände über eine parallel höhere Teuerung erkauft.“
TV-Tipp:
Über Asset Allocation in unsicheren Zeiten sprachen wir auch beim 5ten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen. Die Mediathek mit Einschätzungen dazu von Stiftungsvorständen und Stiftungsexperten finden Sie unter www.vtfds.de.
Bernhard Matthes
BKC Asset Management, Paderborn
„Grundsätzlich halten wir den Einfluss von Wahlen auf längerfristige Marktentwicklungen für überschätzt. Nicht umsonst wird häufig die alte Regel „politische Börsen haben kurze Beine“ bemüht. Gerade Stiftungen sollten sich in ihrer Anlagestrategie an ihrem komfortablen Zeithorizont orientieren, nicht von den Schlagzeilen des Tagesgeschäfts leiten lassen. Anpassungsbedarf der Strategie wird sich aus politischen Entwicklungen nur selten argumentieren lassen – allenfalls in der Selektion kann eine punktuelle Änderung der Schwerpunktsetzung geboten erscheinen, wenn sich die Investmentvoraussetzungen in einzelnen Segmenten oder Regionen grundlegend ändern.
Die unmittelbare Marktreaktion auf den Wahlsieg von Donald Trump und die Parlamentsmehrheit für die Republikaner war weitgehend erwartbar: US-Aktien stark, deutlicher Zinsanstieg langlaufender US-Staatsanleihen, Aufwertung des US-Dollars. Damit eskomptieren die Märkte die wahrscheinlichen Programmschwerpunkte der Trump-Administration über die kommenden vier Jahre. Wie in seiner ersten Amtszeit ist mit einem Wachstumsimpuls zu rechnen, der sich auf Deregulierung, Steuersenkungen, Reindustrialisierung und hohe Fiskaldefizite stützt. Gerade aus der anhaltend hohen bzw. gar weiter steigenden Staatsverschuldung ergeben sich aber höhere Inflationserwartungen. Damit stehen die Anleihemärkte tendenziell unter Druck, die Erwartungen weiter fallender Zinsen dürften zunächst ausgestoppt sein. Weit weniger euphorisch reagierten asiatische und europäische Märkte auf das Wahlergebnis, hier dominiert die Sorge vor Einfuhrzöllen und einer gesamthaft restriktiveren Handelspolitik.
Die relativen Wettbewerbsvorteile der USA gegenüber Europa verschieben sich weiter zugunsten der Amerikaner. Europa wird sich nun umso mehr (als ohnehin erforderlich) um Wettbewerbsfähigkeit und verbesserte Standortbedingungen bemühen müssen. Dies wird nicht ohne drastische Reformmaßnahmen gehen. Gerade langfristig orientierte Anleger bleiben bei Staatsanleihen im Kontext weiter steigender Zinslasten und immer stärker in Frage gestellter Schuldentragfähigkeit generell vorsichtig. Im Umfeld fiskalischer Dominanz, hoher Verschuldung und (zumindest in den USA) höherer realer Wachstumsmöglichkeiten bleiben reale Sachwerte wie Aktien und Edelmetalle erste Wahl. In der Aktienselektion haben kleinere und mittlere Unternehmen nach Jahren der Underperformance Nachholpotential. US-Industriewerte könnten zu den strukturellen Gewinnern der kommenden Jahre zählen.“
Mirko Kohlbrecher
Spiekermann & CO AG, Osnabrück
Blicken wir auf die Wahl vor 8 Jahren zurück, so müssen wir festhalten, dass die meisten Prognosen falsch lagen. Es wurde hierzulande lauthals vor den wirtschaftlichen Auswirkungen bei der Wahl eines Donald Trump gewarnt, Experten sagten voraus, dass dies einen sofortigen Einbruch der Aktienmärkte zur Folge haben würde. Stattdessen erlebten die Märkte nach einem kurzen Rückgang einen starken Anstieg und der Dow Jones Industrial Average erreichte in den folgenden Monaten neue Höchststände. Wie wichtig sind diese Wahlen jetzt nun tatsächlich für die Börse? Während politische Ereignisse oft kurzfristige Marktbewegungen auslösen können, sind es in der Regel andere Faktoren, die langfristig eine größere Rolle spielen. Möglicherweise hat die Wahl weniger Einfluss auf die Börse hat, als viele denken.
Der wichtigste Faktor für die langfristige Entwicklung an den Kapitalmärkten ist zudem die erwartete relative Attraktivität von Anlagen gegenüber ihren Alternativen. Steigen die Gewinnerwartungen eines Unternehmens, so nimmt die absolute Attraktivität der Aktie zu. Steigen im Gegenzug die Zinsen auf Staatsanleihen stärker, so nimmt die relative Attraktivität wiederum ab. Mathematisch formuliert ist die relative Attraktivität die abhängige Variable in einer Funktion mit einer Vielzahl von unabhängigen Variablen. Neben den sehr wichtigen Inputfaktoren, wie zum Beispiel der Notenbankpolitik, der technologischen Entwicklung oder des demografischen Wandels, ist natürlich auch das politische Umfeld eine Variable, die die Attraktivität beeinflusst. Dieser Einfluss ist aus unserer Sicht jedoch insgesamt begrenzt, zum einen sind große Unternehmen global aufgestellt und nur bedingt abhängig von der Politik eines Landes, zum anderen hat der Großteil der politischen Parteien ein Interesse an starken Unternehmen.
Grundsätzlich bricht für Anleger und Unternehmen eine neue Ära an. Sie kennzeichnet sich durch große Haushaltsdefizite, relativ hohe Zinsen, massive geopolitische Spannungen, eine Bewegung in Richtung Handelskrieg, vergleichsweise schwaches Wirtschaftswachstum und erheblich größere Wechselkursschwankungen. Anleger sollten daher nicht nur den Wahlausgang, sondern besonders auch die fundamentalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Blick behalten.
Olaf Brandenburg
DJE Kapital AG, Köln, Pullach
„Also, für uns bedeutet der Wahlausgang pro Trump, dass die Börsen vermutlich erst einmal hochgehen werden, denn die Trumpsche Wirtschaftspolitik setzt auf niedrige Steuern und den Schutz amerikanischer Unternehmen. Zölle bedeuten zudem, dass sie ihre Produkte zu höheren Preisen verkaufen können. Jedoch, und das ist die Kehrseite dieser Politik, wirkt sie inflationsfördernd, worauf die US-Notenbank irgendwann reagieren wird. Und sie wird dabei nicht zögerlich sein.
Aber das wird uns erst auf lange Sicht befassen, derzeit ist der Inflationstrend noch klar abwärts gerichtet. Trump kann zudem bedeuten, dass die USA auf noch höhere Defizite den Haushalt betreffend zusteuern, da müssen wir dann schauen, was das mittelfristig mit dem Dollar macht. Für Europa wiederum fragt man sich schon, woher hier der Optimismus kommt, so schwierig die Situation hier ist. Trump bedeutet sicherlich, dass Europa mehr auf sich gestellt sein wird, dass es dadurch krisenfester werden muss. Die Zahlen der Autoindustrie sind zudem schlecht, eigentlich befinden wir uns hier in einer Rezession. Für Stiftungen bedeutet derlei, das Diversifikationsgebot ernster zu nehmen, viel mehr Energie in die Asset Allocation und damit auch in die Anlagestrategie zu stecken. Wenn die Welt so komplex ist wie es jetzt scheint, dann braucht Stiftungsvermögen mehr denn je klare Planken, entlang derer investiert wird.“
Zusammengefasst
Parameterwechsel JA, Paradigmenwechsel NEIN. Unsere Umfrage unter meinstiftungsexperte-Vermögensprofis förderte die Erkenntnis zutage, dass Stiftungsverantwortliche schlecht beraten wären, jetzt hektisch auf irgendwelche Marktbewegungen, die es sicher geben wird, zu reagieren. Andererseits schält sich auch deutlichst heraus, dass die Herangehensweise an das „Thema Stiftungsvermögen“ verinnerlichen muss, dass die Parameter für das Managen von Stiftungsvermögen einem Wechsel unterworfen sein werden – und dieser Switch dürfte sich durch die Wiederwahl Trumps eher noch beschleunigen. Es muss dabei nicht alles neu erfunden werden, aber das Handwerk rund um das Stiftungsvermögen muss schleunigst auf die Höhe der Zeit gebracht werden. Politische Börsen mögen kurze Beine haben, aber dafür einen langen Atem.