Stiftungen und die liebe Transparenz

Eine erste Nachlese zu Tag 1 von #sokoms25

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sokoms25 Nachlese Tag 1
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Stiftungen haben schon hier und da ihre liebe Mühe damit, transparent zu sein. Im stillen Kämmerlein und so weiter, das liegt vielen Stiftungen. Mit Stiftungskommunikation existiert nun aber der Gegenentwurf zum stillen Kämmerlein, Stiftungskommunikation „leidet“ gewissermaßen unter einer Stille-Kämmerlein-Unterverträglichkeit. Damit einher geht, dass sich Stiftungen, so sie kommunizieren, auch transparenter machen – und genau das täte dem Sektor insbesondere in diesen Tagen ungemein gut. Unsere Learnings von Tag 1 von #sokoms25.

#sokoms25 begann offiziell am 18.11. um 12:30 Uhr mit dem Eintreffen der Gäste, die Vorarbeiten aber hatten bereits in Sommer begonnen. Wir wussten bereits, dass November eben November ist, aber dass es in Strömen regnen würde, von vorne, und zwar so hartnäckig, dass das Material durchweichte – ok, wir hätten es fix mit bedenken müssen. Der Montag vor #sokoms25 war also ein ekelhafter vom Wetter her gewesen, aber gemeinsam mit dem Team der Future Fabrik haben wir das #sokoms-Schiff dann doch noch relativ rasch flottbekommen. Es gilt ja immer zu bedenken, was für Räume man mit einem Festival schaffen möchte. Unser war es wichtig, die Vielfalt des Programms auch in den Räumen abzubilden, uns war eine diskursive Atmosphäre wichtig, und uns war wichtig, dass jeder schnell überall reinschauen und ggf. in ein völlig anderes Gespräch stolpern konnte.

sokoms Nachlese

Lehre Nummer 1: Stiftungen müssen transparenter werden

Gespräche über Stiftungskommunikation sollten es werden, wurden es auch, aber die Disziplinen unter diesem Überbegriff waren es letztlich, die in die Mangel genommen wurden. Eine davon war das sich transparent machen seitens Stiftungen, und genau darüber sprachen wir mit Felix Oldenburg im Offen-gesprochen-Eröffnungsgespräch sehr ausführlich.

Felix Oldenburg brachte seine Thesen zum neuen Geben mit, referenzierte auf sein Buch „Der gefesselte Wohlstand“, veranschaulichte was er für eine Idee für die 400 Mrd. EUR Erbmasse hat, die in den kommenden 10 Jahren pro Jahr vererbt werden. Die Idee ist eine, die nicht nur das Gefäß Stiftung kennt, sondern eben auch direktere, ggf. schnellere Wege des Gebens, die das Ziel hat, eine neue Landschaft philanthropischen Gelingens zu bauen, die sichtbar das Gemeinwohl aller voranbringt – was dann wiederum auf die Legitimation philanthropischer Freiheitsgrade einzahlt.

Zentral hierbei ist Transparenz, zöge die Stiftungslandschaft hier nicht mit, hätte sie im Engagement-Wettbewerb einen Nachteil, der wiederum Diskussionen nach sich zöge. So könnte eine Lesart lauten. Was dieses Konzept in jedem Fall macht, ist Diskurse anzuregen, die es so bislang vielleicht hinter vorgehaltener Hand gab. Diskurse, die unangenehm auch für den Stiftungssektor sein könnten, und auf die er kommunikativ antworten müsste, mit dem Zeigen seines Gelingens.

Damit schließt sich der Kreis zu #sokoms25 und erst recht zu #sokoms26. Denn neue Wege zu gehen, ist gut, aber die alten komplett zu verlassen, das wäre weniger gut, und es wäre auch nicht praktikabel. Aus dem Gespräch mit Felix Oldenburg nehmen wir vor allem mit, dass Vermögen, Gelingen und Kommunizieren im Verbund gedacht werden müssen, entlang der Idee, wie das Geld gegeben werden soll. Allein das wird die Landschaft der bestehenden Stiftungen künftig schon verändern, in der Stiftungspraxis wird die Fortführungsprognose viel stärker an diesen Dreiklang geknüpft werden – bzw. werden Stiftungen an diesem Dreiklang gemessen werden.

Felix Oldenbuge und Tobias Karow nach dem Talk

Lehre Nummer 2: KI hält im Stiftungsalltag Einzug

Wir hatten es in den Workshops bei #sokoms25 thematisiert, aber auch in den Offen-gesprochen-ExpertenTalks in der Lounge. KI ist im Stiftungsalltag angekommen. Häufig noch im Modus „Wir schauen uns das mal an“, aber eben an einigen Stellen auch schon beispielsweise beim internen Wissensmanagement einer Stiftung. Wissen intern zu teilen und zugänglich zu machen, oder aber einen vorhandenen Wissensschatz mit externen Nutzern oder Betroffenen zu teilen, das kann ein sehr valider Anwendungsfall für KI bzw. etwa für einen ChatBot sein. Plötzlich liegen Daten und Geschichten nicht mehr in Dokumenten im Archiv, sondern sind anfassbar, und Stiftungen haben hier häufig jede Menge Material, das sie zugänglich machen können. 

Die größten Hürden von KI sind die Lust am Ausprobieren und dann auch das Implementieren von neuen Prozessen. KI-Experte Steffen Ackermann beschrieb es treffend so. Stiftungen müssen sich einzelne Prozesse anschauen, ob bestimmte Routinen von einer KI übernommen werden können. Jede Stiftung die sagt, dass das nicht geht, hätte demnach keine identifizierbaren Routinen. Für Steffen Ackermann hat jede Stiftung Routinen, jede Stiftung hat Prozesse, die von KI übernommen werden können. Für die Stiftungskommunikation sind das beispielsweise Kommunikationspläne, die geschrieben und abgestimmt werden müssen. KI übernimmt das Schreiben solcher Pläne in Windeseile. Auch eine Anlagerichtlinie ist mit KI schnell erstellt und liefert eine 85%-Vorlage, die dann in den Stiftungsgremien zur Abstimmung gebracht werden kann. KI reduziert also die Hürden, KI ermöglicht das professionellere Arbeiten, und damit macht KI die Stiftungspraxis schlichtweg besser. Nicht zuletzt, weil rasend schnell weitere Anwendungsfälle hinzukommen.

Lehre Nummer 3: Stiftungen müssen Feuer entfachen, aber sie können das auch.

In den ExpertenTalks mit Birgit Hubner, Joachim Sina, Florian Hinze, Steff Neukam, Katja Ludt, Katrin Kowark und Axel Braun wurde Eines deutlich: Damit Du Feuer entfachst und schürst für deine Stiftungsarbeit, musst du als Stiftung vorher ne Menge Arbeit reinstecken. Feuer entfacht sich nicht von selbst, praktisch niemand ist automatisch von Stiftungstun begeistert. Entsprechend waren die Maßgaben, die die Experten in Offen gesprochen formulierten, auch vielfältig. Für uns kristallisierten sich drei Kernsätze heraus:

1) Sei realistisch.
Große Fundraisingziele brauchen großen Aufwand, sich ranzutasten, ist für viele Stiftungen die stimmigere Vorgehensweise.

2) Stiftungskommunikation ist Strategie, und Handwerk.
Kommunikation ohne Strategie aufzusetzen ist so wie wenn ein Wanderer im nebeligen Gebirge ohne Kompass oder Karte agiert. Er wird sein Ziel schwer oder gar nicht finden. Ohne Handwerk zu agieren hieße, im T-Shirt auf den Nangaparbat zu wandern und sich dann zu wundern, dass es doch auf 8.000 Metern frischer ist als gedacht. Soll Stiftungskommunikation richtig verfangen, dann braucht es Klarheit darüber, dass eine Stiftung beides braucht: Strategie und Handwerk. Im Talk mit Katrin Kowark (Stiftung EVZ) und Axel Braun (Stiftung Polytechnische Gesellschaft) kam dies wunderbar heraus. Die Jubiläen der beiden Stiftungen wurden strategisch geplant, aufgesetzt, mit Handwerk wurde und wird umgesetzt, das waren und sind zwei tolle Geschichten des kommunikativen Gelingens von Stiftungen.

3) Stiftungskommunikation ist manchmal auch die Kunst des Weglassens.
Einige Stiftungen haben viel probiert, sie haben Social Media Exzesse hinter sich, haben sich verheddert ob des „zu viel“ an Möglichkeiten. Unsere Umfrage „StiftungenDigital“ zeigte das auch, dass Stiftungen inzwischen reflektierter in der digitalen Welt vorgehen. Aber wissen Sie was? Das ist nicht schlimm, und das Einstellen einer kommunikativen Aktivität geht in der digitalen Welt ganz schnell, Korrekturen sind also schnell angebracht. Hier steckte dann viel von „Probiert einfach mehr aus“ drin, und das ist auch richtig so, speziell im Kontext der KI-Möglichkeiten.

Zusammengefasst

Welche Diskurse wir führen müssen im Stiftungssektor? Hier förderte Tag 1 von #sokoms25 Einiges an Orientierungspunkten zutage. Einmal ist es der Diskurs um das transparente Handeln von Stiftungen, der notwendig werden wird, wenn sich die Erbmasse auch in Richtung der Stiftungslandschaft auf den Weg macht. Neue Formen und Ideen des Gebens werden von Stiftungen etwas verlangen, Transparenz dürfte eine der Forderungen sein, mit denen Stiftungen künftig mehr konfrontiert sein werden.

Auch den Diskurs um die Notwendigkeit von Kommunikation werden wir führen. An Stiftungskommunikation gibt es keinen Weg vorbei, der Nutzen kommunikativen Gelingens ist größer als Nicht-Kommunizieren, auch wenn Kommunikation Aufwand bedeutet. Nicht zuletzt werden wir über eine Kultur des Ausprobierens und Nutzens von KI sprechen, es wird für Besitzstandswahrer im Sektor schwieriger werden, qua KI diese Haltung aufrecht zu erhalten. Das ist heute schon absehbar. Insofern hat Tag 1 von #sokoms25 ein spannendes Themengerüst gespannt. Gut, dass die Beisheim-Stiftung die Mentale Tankstelle mit nach Leipzig gebracht hatte, bei so viel Input tat das mental fueling vor der #sokoms25 Party ziemlich gut…

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Tobias Karow
ist Gründer und Geschäftsführer von stiftungsmarktplatz.eu und im Stiftungswesen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein seit 10 Jahren aktiv. Er ist Herausgeber der FondsFibel für Stiftungen & NPOs, dem führenden Nachschlagewerk für Stiftungsfonds und stiftungsgeeignete Fonds (www.fondsfibel.de), Vorträge hält er vor allem zum Thema ‚Stiftungen und ihr Weg in die digitale Welt‘. Für beide Themen betreibt er den Blog #stiftungenstärken.