Schwarzer Montag, der 3te. Der Deutsche Aktienindex DAX fällt an diesem 16. März 2020 unter 9.000 Punkte, in den USA sackt der Dow Jones zweistellig ab: um fast 3.000 Punkte oder knapp 13% auf unter 20.500 Zähler. Parallel springt der VDAX, so etwas wie das Angstbarometer der deutschen Börse, auf nie gesehene Höchststände von über 80. Der 16te März 2020 lehrt auch Stiftungen das Fürchten, aber er lehrt auch, dass es zu spät sein kann, um in Panik zu verfallen. Ein Protokoll.
PODCAST
„Was nun, Stiftungsfonds?“
7Uhr45, die Sonne scheint, und ist trügerisch
Eine neue Woche startet mit Sonnenschein, aber auch mit dem Gefühl, dass der Crash an den Börsen noch nicht ausgestanden ist. Die Unsicherheit ist mit Händen zu greifen. Die Märkte werden deutlich schwächer erwartet, auch bei vielen Stiftungsfonds und stiftungsgeeigneten Fonds werden die Anteilspreise weiter sinken. Ein Kumpel ruft an, er mache sich Sorgen um sein Bargeld auf der Bank – so weit sind wir schon.
9Uhr16, der DAX eröffnet mit panikartigen Verlusten
Was bedeutet ein DAX von minus 8% für Stiftungen bzw. Stiftungsfonds? Ein solcher Tag kann der Auslöser sein, intensiv zu seinem Stiftungsvermögen zu reflektieren. Denn natürlich haben Stiftungen Zeit, aber natürlich haben sie auch nur eine begrenzte Schmerzempfindlichkeit hinsichtlich Verlusten auf der Kursseite. Fällt ein Markt den x-ten Tag so stark, dann kann es für Panik bereits zu spät sein. Diejenigen Stiftungen also, die heute eher auf der Käuferseite aufgetreten sind und nicht auch noch in die Marktverwerfung hinein verkauft haben, dürften Vieles richtig gemacht haben. Man hat, auch wenn es nicht donnert, den Spruch von Rothschild im Ohr, dass man kaufen solle, wenn die Kanonen donnern. Heute geht es richtig zur Sache.
11Uhr54, Mittagszeit, aber keine Zeit zu verschnaufen
Ein Fondsmanager schrieb mir, auf eine Notiz hin, dass ich heute Aktien kaufen wolle, dann sei ich vermutlich immerhin Einer. Wir machen in der Folge eine erste kleine Bestandsaufnahme bei einzelnen stiftungsgeeigneten Fonds, die wir für die FondsFibel für Stiftungen & NPOs analysiert haben. Spiekermann Stiftungsfonds, minus 0,4%, College Fonds, unverändert, AB European Income Portfolio, minus 0,93%. Angesichts eines DAX von knapp minus 10% lassen sich diese Abschläge durchaus verschmerzen. Als Stiftung sollte ich mir an diesen ganz schwachen Tagen meine Fonds genauer anschauen, aber dann auch über die gesamte Crashperiode hinweg und auf das gesamte letzte Jahr oder die vergangenen 18 Monate gerechnet. Das kurzfristige Bild wird schnell durch die längere Frist relativiert, grundsätzlich sollte aus dem Kursverhalten eine gewisse Resilienz gegenüber solch einem Schock herauszulesen sein. Interessant ist im Übrigen, dass einige Stiftungsfonds bzw. deren KAG heute keinen Anteilspreis stellen konnten.
14Uhr34, die US-Börsen werden mit riesigen Abschlägen in der Eröffnung erwartet
Die Börseneröffnung in den USA, und der Schlamassel setzt sich fort. Auf der Galerie der Frankfurter Börse werden Interviews mit Experten geführt, der eine macht es wie Warren Buffet und investiert, wenn es gute Qualität zu günstigen Preisen gibt wie derzeit, der andere weist auf die Unsicherheit aus der Corona-Pandemie resultierend. Niemand weiß, wie die Wirtschaft nach dem Shutdown wieder anläuft – und damit hat er Recht. Momentan könne niemand kaufen, und niemand produzieren, so eine Gemengelage ist einmalig in der Geschichte, womit die Vergleichswerte oder -szenarien fehlen. Genau das schürt die Unsicherheit, wodurch an der Börse verkauft wird, was verkauft werden kann. Aber, großes Aber: Schießt ein Volatilitätsindex wie der VDAX auf Werte um über 80, die er zuvor noch nie erklommen hatte, dann kann von einem Höchstmaß an Angst unter den Marktteilnehmern ausgegangen werden. Ich spreche mit einem befreundeten Medienunternehmer, der meint nur: Die Frage, ob das Stiftungsvermögen richtig aufgestellt ist, dürfte heute und in den vergangenen Tagen von Stiftungen und ihren Geschäftsführern gestellt worden sein. Die Lackmus-Tests zeigen es, nicht 10 Jahre Hausse.
16Uhr29, der Markt startet so etwas wie eine Erholung, Hoffnung?
Es keimt etwas Hoffnung auf. Der Markt scheint nicht weiter zu fallen und zu einer Erholung anzusetzen. Plötzlich kommt Bewegung in die Kurse. Wendepunkt? Es gibt einen Film, der die Finanzkrise von 2008 „verarbeitet“: Margin Call. Hier spricht Schauspieler Jeremy Irons in der Rolle des Bankchefs drei goldene Regeln aus, warum sein Haus stets erfolgreich war und bleiben wird: Be first, be smarter, or cheat. And i don’t cheat. Beim Blick auf die schon stark gefallenen Kurse braucht es nicht viel Phantasie um sich klar zu werden, dass wer jetzt noch verkauft nicht mehr der erste sein wird. Und besonders schlau ist das auch nicht. Stattdessen könnte es jetzt sinnvoll sein, bereits auf die andere Seite zu wechseln. Also einer der ersten zu sein, der Aktien wieder kauft. Stiftungen agieren ja mit langen Zeithorizonten, sie können solche Gelegenheiten als Investoren nutzen und demgemäß an ihrer Aktienquote schrauben. Ein zweiter Blick auf ein paar Fonds aus der FondsFIbel hilft noch, den Tag einzuordnen. M&G Sustainable Allocation, minus 1,8%, Kames Global Diversified Income, minus 3,3%, Acatis IFK Renten, minus 1,48%. Die Konzepte fallen deutlich weniger als der breite Markt, das Prädikat stiftungsgeeignet führen sie nicht umsonst.
19Uhr31, zu früh gefreut, der Dow Jones sackt unter 21.000 Punkte
Die Erholung ist abgeblasen, im Gegenteil. Aber scheinbar muss es erst einmal noch schlechter werden, bevor es wieder besser wird. In den USA herrscht Panik an der Wall Street. Mir kommen dabei Gedanken zu einigen Szenarien, wie Stiftungen jetzt agieren könnten. Habe ich als Stiftung Cash, macht es Sinn, erste Positionen in guten Fonds aufzubauen, solche die ausschüttungsstark sind und die gezeigt haben, dass ihre Konzepte eine gewisse Krisenresistenz mitbringen. Habe ich als Stiftung eine bestehende und gut funktionierende Allokation für mein Stiftungsvermögen gefunden, ist jetzt vielleicht die Zeit, ein zwei ausschüttungsstarke Fonds hinzuzunehmen. Denn in Paniken hinein Aktien zu kaufen, war langfristig noch nie eine schlechte Idee. Solche Stiftungen wiederum, die gerade dabei sind, ihr Anlageziel neu zu formulieren, sollten nicht resignieren. Es ist an der Börse manchmal so, dass übertrieben wird, nach oben wie nach unten. Jetzt überschießt der Markt nach unten, aufgrund des Corona-Nebels, aber auch diese Krise wird bewältigt werden, und dann werden viele Kurse abermals relativiert, nur eben in die andere Richtung. Stiftungsfonds sind für solche Stiftungen stets eine Basis, ebenfalls Income-Fonds, dazu sollten Immobilienfonds, ausschüttungsstarke Aktienfonds und vielleicht noch ein REIT-Baustein gesetzt werden. Kein Tempel besteht nur aus einer Säule.
22Uhr01, der Dow Jones-Index kann die 20.000-Punkte-Marke halten
Oje, was bleibt einem da noch zu sagen. Außer, dass zwei Faktoren derzeit gänzlich ausgeblendet werden. Zum Einen der Ölpreis. Was auf den ersten Blick eine schlechte Nachricht ist, wenn Saudi-Arabien und Russland um die Vorherrschaft am Ölmarkt streiten, aber ein Ölpreisrutsch um minus 30% wirkt wie eine weltweite Steuersenkung. Konsumenten müssen deutlich weniger für Benzin oder Heizöl berappen, was ihn konsumseitig Spielräume eröffnet. Zudem werden Vorprodukte etwa für die Chemieindustrie günstiger, was dort die Kostenseite entlastet. Gleiches gilt etwa für Fluglinien, die das auch bitter nötig haben werden. Freilich, diese Effekte werden nicht sofort zu erkennen sein, aber sie werden ihre Wirkung entfalten – was dann mittelfristig Rückenwind für die Märkte bedeuten kann – und wird. Derzeit aber wird diese Art von Fakten aber einfach ignoriert. Für Langfristanleger wie Stiftungen sind diese Langfristfakten aber entscheidend.
22Uhr51, im Liveticker kommt die Meldung, dass der Einzelhandel in Deutschland pro Tag 1 Mrd. EUR Umsatz einbüßt
Corona schlägt voll auf die Wirtschaft durch, aber wie auch anders, wenn alles zugesperrt, das Leben eingefroren wird. Für Stiftungsfonds sind diese Tage selbstverständlich keine einfachen, Tage wie dieser tangieren vorerst noch die die Ausschüttung, also die Sphäre des ordentlichen Ertrages. Kurse sind das eine, Ausschüttungen das andere. Da Stiftungen stärker auf ein stabiles Einkommen abzielen, das eben aus Zinsen und Dividenden erzielt wird, muss der Blick einer Stiftung immer auch ein Stück weit vom Marktgeschehen gelöst werden. Fällt ein Anteilspreis eines Fonds, muss das nicht bedeuten, dass die zu erwartende Ausschüttung auch fällt. Derzeit fällt dies sicherlich schwer, denn die Lage an den Märkten dominiert die Wahrnehmung. Noch dazu wo die Zahl der Infizierten immer noch täglich steigt und immer neue Einschränkungen im täglichen Leben verordnet werden.
ZUSAMMENGEFASST
Auch der 16te März wird in die Börsenhistorie eingehen. Kollabierende Börsen, Volatilitätsindizes auf nie gesehenen Höhen, und ein Corona-Shutdown, der Form annimmt, und doch irgendwie in seinem Aggregatszustand völlig unbestimmbar bleibt. Was nun, Stiftungsfonds? Für Stiftungen sind Tage wie dieser eine gute Gelegenheit zu schauen, ob ihre Fonds oder die die sie im Auge haben an diesen schwachen Tagen liefern – also nicht so stark verlieren, die Abschläge im Zaum halten. Aber Tage wie dieser 16te März sind vielleicht auch Tage, an denen Stiftungsverantwortliche überlegen sollten, eine langfristige Anlageentscheidung für ihr Stiftungsvermögen zu treffen. Wenn es schon zu spät ist, um noch in Panik zu verfallen, so könnte es unter Umständen richtig sein, um zu den Ersten zu gehören, die wieder Aktien oder Stiftungsfonds mit Aktienanteilen kaufen. Die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden.