„Ich empfehle jeder Stiftung eine Anlagerichtlinie“

Auf einen Spaziergang durch Detmold mit Birgit Nupens von der Stiftungsaufsicht Detmold

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Birgit Nupens
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Sie arbeitet im schönen Detmold, und wer mit ihr spricht, der merkt sofort, ihr liegen Stiftungen und deren tagesaktuelle Fragen richtig am Herzen. Die Rede ist von Birgit Nupens von der Stiftungsaufsicht in Detmold, mit der wir uns just in ihrer Heimatstadt auf einen Stadtspaziergang trafen um – wie sollte es anders sein – mit ihr über die ab 1.7.2023 in Kraft tretende Stiftungsrechtsreform zu sprechen. Was sie zur Reform und die Konsequenzen für die Stiftungspraxis sagt, ist nicht nur spannend, sondern für jede unserer 25.000 Stiftungen relevant.

FondsFibel: Wir wollen sprechen über – na klar – die Stiftungsrechtsreform. Ist diese in Ihren Augen ein Gamechanger, speziell für das Stiftungsvermögen, oder nicht? Darüber streiten sich ja die Geister durchaus.
Birgit Nupens: Ein Gamechanger ist die Stiftungsrechtsreform in Bezug auf das Stiftungsvermögen eher nicht. Es werden jedoch Festlegungen im § 83 b BGB neu getroffen, die mehr Klarheit bringen sollen. So ist nun geregelt, was zum Stiftungsvermögen gehört und erstmalig ist festgeschrieben, dass es neben dem Grundstockvermögen ein sonstiges Vermögen gibt. Das sonstige Vermögen kann aus Rücklagen, Gegenständen oder auch Verbrauchsvermögen bestehen.

FondsFibel: Wenn sich der Stifterwille ausdrückt in Stiftungszweck, Stiftungsorganisation und Stiftungsvermögen, in welcher Priorität müssen sich die Stiftungsgremien dann darum kümmern?
Birgit Nupens: Vorrangig ist immer der Zweck/die Zweckerfüllung. Der Stifter legt mit diesem Zweck den Grundstock für sämtliches Stiftungshandeln. Demgegenüber hat das Stiftungsvermögen „nur“ einen dienenden Charakter; „Ohne Moos nichts los!“ Die Organisation ist ausführendes Organ, das den Stifterwillen umsetzt. Auch der Stifter als Vorstand ist lediglich Werkzeug seines eigenen im Stiftungsgeschäft und Satzung festgeschriebenen Willens.

Birgit Nupens

FondsFibel: Gibt die Stiftungsrechtsreform Stiftungen mehr Flexibilität an die Hand, und wenn ja, wo aus Ihrer Sicht genau?
Birgit Nupens: Mehr Flexibilität entsteht nicht durch die zwingend durch eine Reform. Jedoch ist die Reform eine Chance, die eigene Satzung zu prüfen, Unstimmigkeiten innerhalb der Paragrafen zu erkennen, mangelhafte Regelungen zu verändern, Regelungen, die nötig sind zu ergänzen, jedoch immer betrachtet im Lichte des Stifterwillens zum Zeitpunkt der Gründung. Außerdem sollen durch die Zusammenführung der Stiftungsregelungen im BGB die Stifter und Stiftungen möglichst überall in Deutschland die gleiche Basis erhalten.

FondsFibel: Was glauben Sie, wie viele Stiftungssatzungen müssen ggf. angepasst werden, um dem Prädikat ‚zeitgemäß‘ gerecht zu werden? Oder muss eine Satzung vielleicht gar nicht mit der Zeit gehen?
Birgit Nupens: Sicherlich ist in einigen Satzungen Handlungsbedarf. Jedoch sollte das jede Stiftung für sich eigenverantwortlich prüfen. Dazu halten die meisten Stiftungsaufsichten sog. Mustersatzungen bereit, die nicht als Vorschrift – festgeschriebenes Muster – gedacht sind, sondern Formulierungshilfen und Denkanstöße geben sollen. Und eines gebe ich auch zu bedenken. Nicht jede Stiftungssatzung muss mit der Zeit gehen. Aber von einigen Neuerungen kann sicher die eine oder andere Stiftung profitieren!

FondsFibel: Das Thema Umschichtungserlös beschäftigt etliche Stiftungen (so hören wir das). Wie würden Sie – angenommen Sie wären bei einer Stiftung tätig – mit diesem Thema umgehen? Eine Anlagestrategie auf Umschichtungserlöse zu fußen, das kann es ja nicht sein, oder?
Birgit Nupens: Aus dem Thema Anlage halte ich mich weitestgehend heraus. Da gibt es eine Menge Profis, die das viel besser können. Ich empfehle jeder Stiftung eine Anlagerichtlinie, die möglichst einmal im Jahr auf Aktualität geprüft werden sollte. Hat sich eine Stiftung einmal für das Ausweisen von Umschichtungserlösen entschieden, sollten nur ausgekehrt werden, wenn das Grundstockvermögen gesichert ist. Auch das ist immer eine Einzelfallentscheidung. Das oberste Gebot ist jedoch auch hier, dass das Geld einen dienenden Charakter hat.

vtfds2023 - 4. Virtueller Tag für das Stiftungsvermögen

FondsFibel: Wie wichtig ist es für Sie, dass sich eine Stiftung an geänderte Gemengelagen anpassen kann? Wir reden über Zeitenwenden, Epochenwechsel, dem müssen Stiftungen doch Rechnung tragen, oder? Zweck, Organisation, Vermögen, das muss sich an eine neue Zeit anpassen können, oder?
Birgit Nupens: Das neue Stiftungsrecht hält einige Möglichkeiten in den §§ 85 ff. BGB neu vor, Anpassungen an den tatsächlichen Bedarf der jeweiligen Stiftung vorzunehmen. Jedoch soll das Instrument „Stiftungen“ etwas Besonderes bleiben, dass eben nicht ständig verändert wird. Der Stifterwille ist oberstes Gebot und es gilt ihn zu bewahren. Bei allen Veränderungen muss die Frage gestellt werden, „hätte der Stifter diese Regelung festgeschrieben, wenn er gewusst hätte, dass …“. Behutsam kann sicher die eine oder andere Veränderung vorgenommen werden, jedoch entscheidet immer der Einzelfall und die Begründung für diese Veränderung. Daher ist es auch wichtig, dass nicht nur die Organe der Stiftungen, sondern auch die Stiftungsaufsichten mit Augenmaß den Änderungen begegnen.

Die vielen Diskussionen im Vorfeld dieser Reform und sogar noch im Gesetzgebungsverfahren haben gezeigt, dass es viele unterschiedliche Meinungen zu Änderungsmöglichkeiten der Satzungen gibt. Nun haben wir diese Reform erreicht und starten mit den neuen Regelungen zum 1.7.2023. Bereits nach 2 Jahren gibt es die erste Evaluation dazu. Weitere Veränderungen schließe ich nicht aus.

FondsFibel: Gibt es aus Ihrer Praxis bzw. Beobachtung heraus eine erkleckliche Anzahl „notleidende Stiftungen“? Was machen wir mit diesen Stiftungen?
Birgit Nupens: Nein, bei uns im Bezirk gibt es nicht viele notleidenden Stiftungen. Bereits seit 2013 sind diese Stiftungen immer wieder Gegenstand von Diskussionen in der Stiftungswelt gewesen. Eine generelle Regelung hierzu gibt es nicht. Es kommt auch hier immer auf den Einzelfall an. Kann eine Stiftung ihre Zwecke nicht mehr dauerhaft und nachhaltig erfüllen, gibt es sowohl heute als auch nach dem 1.7.2023 Wege, dieses zu verändern. Der Stiftung werden auf Anfrage Wege aufgezeigt, wie damit umgegangen werden kann. Im BGB gibt es dazu nun auch verschiedene Regelungen. Neu ist sicher die Möglichkeit der Auflösung, wenn die Stiftung in diesem Zustand nicht anerkennungsfähig gewesen wäre (Gesetzesbegründung).

vtfds2023 - Magazin-Download

FondsFibel: Liebe Birgit Nupens, wir danken Ihnen für Ihre Einschätzungen rund um den Themenkomplex Stiftungsrechtsreform und freuen uns, dass Sie beim 4. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen im Studio dabei sind.