Wussten Sie, dass in Düsseldorf mit ihren mehr als 8.000 Menschen die größte Japan-Community in Deutschland beheimatet ist? Und dass nahe der Immermannstraße in Düsseldorf zwei Sterne-prämierte japanische Restaurants beheimatet sind? Mit Thorben Pollitaras trafen wir uns auf eine Miso-Suppe und spannten den Bogen vom japanischen Wärmepumpenhersteller über Amazon-Gründer Jeff Bezos hin zu europäischen Aktien, die in jedes Stiftungsvermögen gehören. Ein Gespräch der Kategorie ‚Das gibt zu denken‘.
FondsFibel: Wenn Sie über Stiftungsvermögen nachdenken, was fällt Ihnen da als erstes ein?
Thorben Pollitaras: Für die meisten Stiftungen ist es wohl sehr gut, breit zu streuen. Im Stiftungsvermögen können dann Anleihen sein, oft auch Immobilien und die eine oder andere Alternative Anlage. Die Aktie gehört für mich nicht nur dazu. Eigentlich müsste das Stiftungsvermögen um die Aktie herum entwickelt werden. Denn die Idee, sich an Unternehmen zu beteiligen, die etwas herstellen oder anbieten, dass in fünf oder zehn Jahren noch gebraucht wird, leuchtet in meinen Augen direkt ein. Wichtig ist für uns dabei, dass es Qualitätsunternehmen sind. Das bedeutet zum Beispiel, sie sind profitabel.
Ich verstehe Stiftungen, die nicht in Unternehmen investieren wollen, die kein Geld verdienen. Das ist ja bei einer ganzen Reihe von Tech-Unternehmen der Fall. Aber es gibt Unternehmen, die ihre Gewinne durch Qualitätswachstum beständig steigern. Da gehen einem schnell die Gründe aus, dort nicht zu investieren.
FondsFibel: Und solche Aktien halte ich am besten relativ lange, oder?
Thorben Pollitaras: Einige unserer Fondsmanager sagen immer, der beste Anlagehorizont ist ewig. Vorausgesetzt man hat seine Hausaufgaben vorher gemacht und macht sie auch dauerhaft. Einen langen Investmenthorizont sollte man bei Aktien generell haben, daher sind Stiftungen ja so prädestiniert, Aktienanleger zu sein. Unsere Qualitätswachstums-Portfolios bestehen oft aus einer Mischung von sehr bekannten Unternehmen und Unternehmen, deren Namen man vielleicht noch nie gehört hat. Microsoft kennen wahrscheinlich alle. Weil wir hier gerade im japanischen Ambiente sitzen, fällt mir aber auch Daikin ein. Kennt die hierzulande jemand? Gerade hat Viessmann seine Klimasparte verkauft, inklusive Wärmepumpen, über die hierzulande ja lebhaft diskutiert wird. Gestern wurde in der ARD über das Thema berichtet und Daikin dabei erwähnt: Weltmarktführer, dessen Umsatz fast doppelt so hoch ist wie der Umsatz der drei größten deutschen Hersteller zusammen. Hier sehen wir Qualitätswachstum, was durch die politischen Rahmenbedingungen in Europa sogar noch unterstützt werden könnte. Solche Geschichten entfalten gerade langfristig ihren Reiz.
FondsFibel: Was eint alle diese Unternehmen?
Thorben Pollitaras: Diese Firmen eint, dass ihre Vorhersagen für uns sehr gut nachvollziehbar sind. Das Stichwort lautet Visibilität. Es gibt ein schönes White Paper zum Thema „What doesn’t change“, also was sich nicht ändert beziehungsweise was bleibt. Das kann eine spannende Maßgabe für Anleger sein, gerade für Stiftungen.
Amazon-Gründer Jeff Bezos wird zitiert. Oft werde er gefragt, was sich in 10 Jahren bei Amazon denn alles geändert haben wird. Darauf antwortet er in der Regel, er habe keine Ahnung, aber die brauche er auch nicht. Denn er könne sich kein Szenario vorstellen, in dem ein Kunde kommt und sagt, Jeff, ich liebe Amazon, aber ich wünschte, es wäre etwas teurer bei Euch. Oder dass die Lieferung etwas länger dauern würde oder und ihr ein etwas kleineres Sortiment hättet. Bezos schaut also, was sich wohl nicht ändert. Nämlich die Bedeutung von Preis, Geschwindigkeit und Sortiment. Darauf lässt sich eine Strategie besser aufbauen als auf Spekulationen, was sich ändern könnte. Ein anderes Beispiel sind Wrigley’s Kaugummis: Warren Buffett sagte einmal, er könne sich nicht vorstellen, was das Internet denen anhaben könnte. Und auch wenn in Deutschland jüngst die in Alu eingepackten Stripes abgeschafft wurden, als Dragees sind Wrigley’s Kaugummis sehr beliebt, Warren Buffet könnte also Recht haben. Insgesamt geht es um das Profitieren von fehlender Veränderung und möglichst zielsichere Vorhersagen.
FondsFibel: Also sollte auch die Stiftungslandschaft weniger über Zins- und Währungslandschaft reden?
Thorben Pollitaras: Darüber wird genauso häufig geredet wie über Inflation. Wenn ich als Stiftung Argumente zur Aktienanlage suche, ist das vielleicht das stärkste. Sofern ich das entsprechende Netzwerk habe, kann ich zu einem Unternehmen sehr viel herausfinden. Dazu, wie es sich in Zukunft entwickeln wird und ob es zum Beispiel über Preissetzungsmacht verfügt, einen hervorragenden Inflationsschutz.
Letztlich sind Stiftungen Langfristanleger und das Langfristinvestment par excellence ist die Aktie. Das passt doch wie die Faust auf‘s Auge. Die Aktie ist langfristig wohl eines der besten Anlagevehikel, man muss allerdings Volatilität aushalten können und das können Langristinvestoren in der Regel. Als Stiftung kann ich meine Aktienquote ja sukzessive aufbauen, um der Befürchtung entgegenzuwirken, den falschen Zeitpunkt zu erwischen. Als der DAX bei 3.000 Punkten stand, war es für viele kaum vorstellbar, dass er eines Tages bei 10.000 notieren würde. Heute steht er bei 15.000 Punkten. Aus der aktuellen Perspektive ist es immer schwer vorstellbar, wohin Aktien laufen können. Heute klingt die These, dass es nicht die Frage ist, ob der DAX die 30.000 Punkte erreicht, sondern wann vielleicht sehr optimistisch. Aber die Vergangenheit lehrt, dass er es mit hoher Wahrscheinlichkeit schaffen wird.
FondsFibel: Apropos Volatilität aushalten, das können Stiftungen doch gut?
Thorben Pollitaras: Absolut, viele Stiftungen können das und sie sind ja auch nicht zu 100% in Aktien investiert, sondern nur zu einem gewissen Teil ihres Stiftungsvermögens. Neulich fragte ich eine Stiftung nach ihre Aktienquote. Die Antwort – mehr als 60% – freute mich sehr. Es ist also keinesfalls so, dass Stiftungen nicht in Aktien investieren, insgesamt sind es aber wohl noch zu wenige.
FondsFibel: In vielen Fällen sind die Aktienquoten auch nur homöopathischer Art.
Thorben Pollitaras: Naja, wir sollten da schon den deutschen Anleger-Bias betrachten. Wir haben hierzulande keine ausgeprägte Aktienkultur. Hinzu kommt ein deutlicher Home Bias, für einige Anleger existieren vorwiegend deutsche Aktien. Dabei können gerade europäische Aktien interessant sein. Deutsche Aktien sind enthalten und es gibt ein breiteres Universum, um zum Beispiel tolle Qualitätswachstumsunternehmen zu finden.
FondsFibel: Aber nochmal, warum ist der Deutsche stolz, für BMW oder Siemens zu arbeiten, aber er traut sich nicht, die Aktien seines Unternehmens zu kaufen. Warum ist das so?
Thorben Pollitaras: Wo soll ich anfangen? Wenn sich sogar ein Finanz-minister hinstellt und sagt, dass er sein Geld ausschließlich auf dem Sparkonto habe…
FondsFibel: Der Scholz-Bias…
Thorben Pollitaras: (Lacht). Viele Deutsche legen halt gerne sehr konservativ an. Das Sparbuch war und ist ja auch ein wunderbares Vehikel für den Notgroschen. Nur Notgroschen und Anlegen, das sind halt zwei Paar Schuhe. Viele kennen ja auch den Unterschied zwischen Nominal- und Realzins nicht; wenn ich heute zwar 4% bekomme, bei allerdings 7% Teuerung, dann verliere ich real betrachtet Geld. Und zwar jedes Jahr. Das sieht man nur nicht sofort, weil es eben die 4% gibt, aber die sollten nicht isoliert angeschaut werden. Interessant ist Folgendes: In Deutschland sind Lebensversicherungen sehr beliebt, bei denen man sich 30 Jahre oder mehr bindet. Und die Versicherungen gehören zu den größten Anlegern an der Börse, am Kapitalmarkt, aber das wird oft übersehen. Würden Sie einen Versicherungskunden fragen, ob er am Kapitalmarkt anlegt, kann es gut sei, dass er es leidenschaftlich verneint. Da liegt bei uns Deutschen schon etwas im Argen, die 90er und der Crash am Neuen Markt haben dann ihr Übriges getan. Wir bei uns im Haus hören nicht auf, an einer besseren Aktienkultur zu arbeiten.
FondsFibel: Wenn wir das noch einmal abrunden. Setzt sich Qualität bei Aktien am Ende des Tages immer durch? Qualität ist ja eine Geschichte, die so schnell nicht auserzählt ist.
Thorben Pollitaras: Stiftungen suchen ja häufig nach Argumenten pro Aktie, in meinen Augen ist das eines, ja. Auch hier können wir in Beispielen erzählen. Nehmen Sie ein Unternehmen wie L’Oreal. Die Mission dieses Unternehmens lautet, sich um die Schönheit zu kümmern. Auch hier komme ich zurück auf das Frage, was bleibt. Ich habe wenig Phantasie, dass die Menschen in zehn Jahren ankommen und sagen werden, sie hätten gerne ein paar mehr Falten. Das wieder diese ‚Was-bleibt-Geschichte‘. Eines haben diese Unternehmen zudem, und das ist Preissetzungsmacht. Wenn Microsoft die Preise um 11% anhebt, dann werden sie kaum das Office-Programm wechseln. Sie werden dabeibleiben und die 11% mehr zahlen, wenn auch unwillig. Genauso ist es mit der Kosmetik. Funktioniert eine Pflegeserie, wird man höhere Preise zahlen, zumal sich die Produkte auch weiterentwickeln. Oder es werden höherwertige Produktlinien hinzugekauft und über Plattformen wie L’Oreal noch größer gemacht. Unterm Strich bin ich davon überzeugt, und das zeigen solche Beispiele, dass nicht nur die Assetklasse an sich etwas für Stiftungen ist, sondern dass auch bestimmte Ansätze hier sehr gut zu Stiftungen als Langfristinvestor passen. Hier muss ich als Stiftung keine Angst haben, nein, hier muss ich als Stiftung investieren.
FondsFibel: An diesem Punkt stimmen wir überein, hoffen wir, dass homöopathische Aktienquoten im Stiftungsvermögen hierzulande baldigst überwunden werden. Wir danken Ihnen für die zahlreichen Anregungen und Bilder, die Sie den Stiftungen und uns mit auf den Weg gegeben haben.