Plan your dive, and dive your plan. Diese Taucherweisheit gab uns der früher passionierte Taucher Trutz Rendtorff, Vorstand Vermögen bei der Karg-Stiftung, für das Stiftungsvermögen mit auf den Weg. Ihn trafen wir in einem portugiesischen Restaurant in Frankfurt-Niederrad, um über Stiftungsvermögen zu sprechen. Heraus kam ein intensives Interview, in dem wir tief in den Pflichtenkatalog von Stiftungsgremien eintauchten.
FondsFibel: Die Führung durch Ihre Büroräume macht neugierig. Was macht die Karg-Stiftung?
Trutz Rendtorff: Die Karg-Stiftung ist eine vor allem operative Stiftung, die den Zweck hat, das hochbegabte Kind zu fördern. Hier realisieren wir eigene Projekte, in der Regel mit Bund und Ländern und Betreibern bzw. Trägern von Schulen, Kindergärten oder schulpsychologischen Beratungsstellen. Unsere Projekte sind überwiegend mehrjährige Qualifizierungsprojekte, wir qualifizieren also diejenigen, die mit den hochbegabten Kindern zu tun haben und schaffen hier dann auch Räume zur Vernetzung.
Jedes Kind hat ein Anrecht auf ein seinen Bedürfnissen gerecht werdendes Bildungsangebot. Der Grundschullehrer muss unter anderem erkennen, ob ein Kind hochbegabt ist, welches Bildungsangebot das Kind braucht, wohin er abgeben muss und mit welchen Beratungsstellen sich die Eltern über ihr Kind austauschen können.

FondsFibel: Sie sind jetzt 5 Jahren für das Vermögen der Karg-Stiftung zuständig, und mussten gleich zu Beginn Entscheidungen treffen. Welche waren das?
Trutz Rendtorff: Vorgelagert mussten wir eine Bestandsaufnahme durchführen. Dient das Stiftungsvermögen dem Stiftungszweck, und kann es das weiterhin tun? Dieser Frage mussten wir auf den Grund gehen. Für uns stellt sich in der Anlage des Stiftungsvermögens klar die Frage, welche Cash-Flow-Erfordernisse wir haben. Zum anderen ist für uns immer die Frage, welche Vermögensanlage geeignet ist, die Zweckerfüllung dauerhaft zu gewährleisten, denn das Vermögen dient dem Zweck. Als auf ewige Zweckerfüllung ausgerichtete Stiftung halte ich es für notwendig, sich vor allem auf Sachwerte zu konzentrieren. Wir haben nun mal Pflichten, die wir erfüllen müssen, als operative Stiftung sind bei uns zum Beispiel die Gehälter die größte Ausgabenposition. Mit Anleihen allein war und ist diesen Ausgabennotwendigkeiten nicht beizukommen, und die Frage war, ob das für die Zukunft anders sein wird. Denn die realen Zinsen sind negativer denn je, zumal ja auch die Kosten nachlaufen.
In unserer Strategischen Asset Allokation sind wir entsprechend so aufgestellt, dass wir zu 50% in Aktien investieren, über einen Spezialfonds, und zu 50% in qualitativ hochwertige Immobilien, die wir direkt halten. Letztere liefern uns Planbarkeit bei den Erträgen, gleichzeitig ist die Ausfallwahrscheinlichkeit bei solchen Immobilien in der Regel recht gering. Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist für eine auf Ewigkeit angelegte Stiftung in meinen Augen das weitaus größere Risiko als etwa die Volatilität, und irgendwann fällt Papiergeld immer aus.
FondsFibel: Sie bekennen sich also zur Immobilie, egal was der Immobilienmarkt derzeit spricht?
Trutz Rendtorff: Immobilien sind für uns ganz klar eine Ertragsquelle, der Marktwert ist für uns von nachgelagertem Interesse. Wichtig sind die Cashflows. Ob das Preisniveau einer Immobilie mal höher oder mal niedriger ist, ist zwar interessant hat aber tatsächlich eine geringe operative Bedeutung. Wir sind ein langfristiger Immobilieninvestor. Wir halten zum Beispiel ein Bürohaus am Rathausmarkt in Hamburg, das wird immer nachgefragt, warum soll ich das verkaufen? Weiß ich nicht, das ist nicht unser Ansatz. Für operative Stiftungen wie uns geht es darum, zuverlässig Erträge zu erwirtschaften, um Dellen im Kapitalmarkt abzufedern und mit guten Immobilien können wir das.
FondsFibel: Für kleinere Stiftungen führt ja der Weg in die Immobilie über den stiftungsgeeigneten Immobilienfonds, oder?
Trutz Rendtorff: Ich kann mich nur wiederholen. Für uns ist der Ertrag das Erste, und dass die Immobilie in gewisser Weise als Wertspeicher funktioniert. Was mich bei Immobilienfonds ein wenig stört, ist der Anlagehorizont. Sieben bis zehn Jahre Haltedauer finde ich aus Stiftungssicht bei Immobilien persönlich zu kurz, zumal ja die Zinsuhr auch durchaus mal falsch stehen kann, wie derzeit, dann hat man teuer eingekauft und verkauft in der Preisdelle, ohne dass man wirklich deinvestieren möchte und mit den Immobilien an sich zufrieden ist. Als Stiftung sollte ich in Immobilien investieren, die ich für 30 oder 40 Jahre gut finde und halten möchte, da engt sich dann der Produktkosmos schon ein wenig ein. Im Übrigen bin ich auch bei den gemischten Stiftungsfonds ein bisschen skeptisch, weil hier ja implizit gesagt wird, ich müsse als Stiftung auf jeden Fall Anleihen, also Papiergeld, halten. Langfristig fällt Papiergeld immer aus. Eine fördernde Eine-Million-Euro-Ewigkeitsstiftung kann durchaus auch nur in Aktien investieren, denn eine wachsende Weltbevölkerung und ein fortschreitender technologischer Fortschritt werden qualitativ hochwertige Unternehmen hervorbringen, die erfolgreich sein werden. Auf diesen Erfolg kann ich durch den Kauf der Aktie setzen bzw. eines Aktienfonds. Getretener Quark wird breit und nicht stark, als ewiger Anleger kann ich auch allein auf die Aktie setzen. Und wenn ich wirklich langfristig anlegen möchte, dann investiere ich in den langfristig besten Aktienmarkt, und das war immer die USA.

FondsFibel: Aber das zahlt doch nicht auf das Diversifikationsgebot ein, oder?
Trutz Rendtorff: Naja, letztlich ist es eine Frage der wirtschaftlichen und der persönlichen Risikotragfähigkeit. An letzterer hapert es in vielen Stiftungsgremien in meinen Augen.
Die wenigsten Gremien haben halt 20 Jahre Zeit. Wir brauchen Aufklärungsarbeit rund um das Thema Vermögen. Ewigkeitsstiftungen haben alle Zeit der Welt, wir könnten damit theoretisch Super-Renditen vom Sektor erwarten. Tatsächlich sehen wir Angst vor der Zukunft, warum eigentlich?
FondsFibel: Womit wir direkt bei den Alternativen Anlagen landet, bei denen braucht es ja 20 Jahre oder mehr, dass das richtig was „rumkommt“.
Trutz Rendtorff: Wie zum Beispiel Private Equity. Hierbei handelt es sich um eine hochgradig illiquide Anlageklasse, bei der man nicht weiß, was drinsteckt und bei der es passieren kann, dass in Unternehmen investiert wird, die dem Stiftungszweck zuwiderlaufen. Außerdem findet man oft mehrfache Verpackungen, die keiner versteht und hohe Kosten verursachen, die in schlechten Zeiten nicht nur die Performance, sondern auch das Kapital auffressen können. Als Anleger comittet man sich für x Jahre, ab diesem Zeitpunkt fangen dann die Gebühren an zu laufen, und abgerufen wird das zugesagte Kapital erratisch, zu einem Zeitpunkt, der einen auch überraschen kann. Gleiches gilt für die Ausschüttungen. Im März 2020 haben Private Equity Fonds ihre Mittelzusagen eingefordert, weil sie nicht wussten, ob die Welt nicht vielleicht doch untergeht. Von der Liquiditätsplanung funktioniert es aus Stiftungssicht für mich nicht. Auch würde ich den Diversifikationseffekt hinterfragen. Denn Private Equity wird wie ein gehebeltes Aktieninvestment an der Börse bewertet, und diese Bewertung schwankt. Nur dass sie eben 9 Monate später im Berichtsbogen auftaucht, wenn denn die Bewertung angepasst wird. Bei Aktien und Private Equity haben sie zweimal die gleiche Assetklasse, nur dass die eine auf Speed ist und illiquide. Sie merken, ich bin da skeptisch.
FondsFibel: Wie steht es um Infrastruktur?
Trutz Rendtorff: Das passt für mich aus Stiftungssicht relativ gut. Klar, muss ich auch hier bei den Details aufpassen, und es gilt, was ich nicht verstehe, darf ich als Stiftungsvorstand nicht kaufen. Wir haben hierzu eine Asset Liability Simulation machen lassen, wo wir zum Beispiel erfahren haben, dass es praktisch keinen Diversifikationseffekt zwischen Aktien und Private Equity gibt, zwischen Aktien und Infrastruktur allerding schon. Mezzanine oder illiquide Nachrangdarlehen zum Beispiel würde ich auch nur machen, wenn ich auch bereit wäre, mich am Eigenkapital zu beteiligen. Die Frage ist immer, wie hoch der Komplexitätsaufwand wäre für eine bloße Beimischung. Brauche ichdenn jede alternative Anlage, ergibt sich ein Vorteil für meine Stiftung bzw. deren Ertragsstärke? Das würde ich mich fragen. Grundsätzlich hat die Asset Liability Simulation ergeben, dass unser Stiftungsvermögen über einen ertragsbringenden, risikoarmen Teil und einen Wachstumsteil verfügen soll. Ersteres sind für uns vor allem die Immobilien, wo ich dann auch mal opportunistisch eine Anleiheposition hineinnehmen könnte, und letzteres ist der Aktienanteil.
FondsFibel: Würden Sie sagen, dass Ihre Stiftung resilient ist? Resilienz als Erhalt des wirtschaftlichen Stehvermögens interpretiert.
Trutz Rendtorff: Das lässt sich über unsere Stiftung schon sagen. Speziell gegenüber kompletten Marktverwerfungen, die ggf. auch Liquiditätsverwerfungen mit sich bringen könnten, sind wir sehr gut gefeit. Dies resultiert vor allem aus der hohen Qualität unserer Assets, ihren guten Lagen und starken Bilanzen, aber auch daraus, dass wir uns beispielsweise auch Kreditlinien haben einrichten lassen, die wir im Fall der Fälle auch ziehen könnten. Die Resilienz kommt bei uns aber vor allem aus der Abstimmung in den Stiftungsgremien. In unseren Gremien haben wir Einigkeit über unsere Anlagestrategie, wenn eine Krisensituation kommt, dann braucht es genau so ein gemeinsames Verständnis. Das stärkt die persönliche Risikotragfähigkeit erheblich. Als es im März 2020 und auch 2022 crashte, waren wir uns einig, dass wir dabeibleiben und eben nicht ins Messer greifen. Wir sind auf 100 Jahre ausgelegt, nicht auf übermorgen.
FondsFibel: Es ist spannend zu hören, dass es wieder die Stiftungsgremien sind, die gefordert sind beim Stiftungsvermögen?
Trutz Rendtorff: Was ich anderen Stiftungen empfehlen würde, wäre, die Strategische Asset Allocation sehr sorgfältig zu bestimmen. Beim Tauchen heißt es so schön, ‚Plan your dive, and dive your plan‘. Simulieren Sie ruhig mal, wie sich diese oder jene Mischung in dieser oder jener Marktphase verhält. Daraus erkennen Sie, was sie von ihren Anlageklassen erwarten können und was Sie auch aushalten können müssen. Dabei spielt die Nachkommastelle keine Rolle, sondern es geht hier darum, das gemeinsame Verständnis für das Stiftungsvermögen zu fördern. Im Übrigen kann derlei befördert werden, wenn Experten für das Thema Stiftungsvermögen einen Platz in den Stiftungsgremien erhalten. Stiftungsvermögen muss professioneller betreut werden, das kann ein Mittel dazu sein. Dabei ist es weniger entscheidend, quartalsweise an irgendeiner Quote rumzudoktern, als die einmal gewählte Strategie durchzuhalten – sofern sich grundlegende Parameter nicht ändern. Wir müssen die professionelle Sachkenntnis rund um das Stiftungsvermögen stärken. Professionell bedeutet auch, mit einem Fonds- oder Finanzexperten auf Augenhöhe zu sprechen. Davon braucht es mehr.

FondsFibel: Wir haben also im Stiftungssektor noch Hausaufgaben vor der Brust, aber wir werden diese auch schaffen. Haben Sie vielen Dank für Ihre Offenheit und Ihre zahlreichen Gedankenanstöße.