Am 9.2.2022 fanden sie statt, die ESMT-Roundtables zum Thema Stiftungsvermögen strategisch einsetzen. Wir waren mit an Bord, haben uns die Diskussionen eingehend angeschaut, n‘ bisschen mitgeschrieben, ein paar Fragen überlegt und dann doch nicht in den Chat gegeben. Als wichtigste Lektion aus den drei Roundtables nehmen wir für uns mit, dass die Dinge in den Stiftungsvermögen hiesiger Stiftungen in Bewegung gekommen sind. Bewegung aber kann in ganz verschiedene Richtungen gehen, dazu passen unsere drei Lehren aus der Veranstaltung.
Die Stiftungslenkerinnen und -lenker, die bei den ESMT-Roundtables mit dabei waren, spielen allesamt in der oberen Liga. Das führt dazu, dass sie sicherlich etwas in „ihrer“ Welt verhaftet und und Dinge für selbstverständlich erachten, die für die große Mehrzahl der Stiftungen keineswegs „a g’mahde Wiesn“ sind, wie es in Bayern so schön heißt. Aus dieser Selbstverständlichkeit heraus aber leiten sich Parameter ab, die praktisch jede Stiftung für sich inhalieren sollte, will sie ihr Stiftungsvermögen heute für morgen zeitgemäß aufstellen. Eine dieser Selbstverständlichkeiten ist die Diversifikation, eine andere das falsche Interpretieren von Sicherheit, eine dritte, dass sich der Ertragsfluss einer Stiftung aus verschiedenen Quellen speisen sollte.
Lehre Nummer 1: Diversifikation ist mehr als Aktie und Anleihe
Die Stiftungsverantwortlichen waren sich unisono einig, dass Stiftungen sehr breit diversifizieren müssen – und dies auch können. Ulrich Müller von der Joachim Herz-Stiftung zum Beispiel hob darauf ab, dass Zinsen, Dividenden, Mieten kommen müssen, dass ein solches Gerüst aus verschiedenen Ertragsquellen belastbar ist, Stiftungen hier aber genau schauen müssen, dass die Quellen nicht versiegen. Darum geht es, dass der Ertragsfluss einer Stiftung zuverlässig zufließt, und schon angesichts dessen ist es sehr unverständlich, dass so viele Stiftungen immer noch so sehr allein auf Anleiheinvestments vertraut. Ulrich Müller dampfte es auf den Satz ein, „dass wir keine Fixed Income-Anleger“ sind, und „die letzten Jahre (wohl auch deshalb, Anm.d.Red.) gut gelaufen seien“.
Diversifikation muss man auch durchhalten
Für Dieter Lehmann von der Volkswagen-Stiftung ist der Schlüssel zu allem, und wir danken ihm ausdrücklich für seine gesagten Sätze, „die Diversifikation, und es geht hierbei darum, diese auch durchzuhalten.“ In seinen Augen müssen sich Stiftungen von der „Sicheren-Hafen-Denke“ verabschieden, denn was ist das schon, ein sicherer Hafen. Die zehnjährige Bundesanleihe, die jetzt bei steigenden Zinsen enorme Kurseinbußen wird hinnehmen müssen? Dieter Lehmann brachte es auf den Punkt: „Volatilität ist kein schlagendes Risiko für eine Institution, die auf ewig errichtet wurde.“ Weitergedacht heißt dies nichts anderes, als dass Stiftungen erst recht in der langen Frist denken und handeln können, sie in dieser Logik breit und global diversifiziert sein sollten.
Es gibt sie nicht, die einfachen Fragen auf eine komplizierte (Anlage)welt
Es gibt sie eben nicht, die einfachen Fragen auf eine komplizierte (Anlage)welt. Übrigens, und hier ergänze Anja Mikus vom KENFO, dem Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, kann Diversifikation auch entlang der Einstiegszeitpunkte erfolgen, eben Schritt für Schritt neue Akzente ins Stiftungsvermögen einzubauen. Ein interessanter Gedanke, denn Stiftungen fragen sich ja oft nach dem WIE, und Schritt für Schritt eine Aktien- , Immobilien- oder Private Markets-Quote aufzubauen, entbindet auch ein Stück weit vom Druck, im Hier und Jetzt immer unbedingt eine Entscheidung treffen zu müssen. Stiftungsvermögen evolutiv zu interpretieren, das gefällt uns.
HINWEIS: Dieter Lehmann war beim 1. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen 2020 als Panelist mit an Bord und sprach dort auch schon eingehend dazu, wie eine Agenda Stiftungsvermögen 2030 aussehen könnte.
Lehre Nummer 2: Die Stiftungsrechtsreform ändert Einiges
Noch so ein Satz von Dieter Lehmann ist uns im Gedächtnis geblieben, nämlich dass durch die Stiftungsrechtsreform der Umschichtungsertrag hoffähig wird. Letztlich ist diese neue Regelung, nach der Umschichtungserlöse in der Zwecksphäre verwendet werden dürfen, eine „Reaktion des Gesetzgebers auf die Nullzinssituation“, wie es Dieter Lehmann ausdrückt, für uns hat – und wir werden dies beim 3. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen am 27.4.2022 (www.vtfds.de) auch entsprechend diskutieren – diese neue Regelung das Zeug zum Gamechanger im Stiftungsvermögen. Vorausgesetzt werden muss jedoch die sachgerechte Entscheidung, und hier brachte Dr. Stefan Fritz von der Bischof Arbeo-Stiftung einen wichtigen Gedanken mit in die Runde.
Wer Verantwortung für Stiftungsvermögen trägt, muss Nachhaltigkeit können
Eine sachgerechte Entscheidung im Stiftungsvermögen braucht Nachhaltigkeit, diese ist künftig keine Option mehr sondern Notwendigkeit. Nachhaltigkeit muss „integraler Bestandteil des Anlagemanagements einer Stiftung sein, darf nicht mitgemacht werden oder als Add-on.“ Nachhaltigkeit muss in der Anlagepolitik „mittendrin“ sein, Nachhaltigkeit ist keine Kür, sondern Pflicht. „Wer Verantwortung für Stiftungsvermögen trägt, muss das können“, wurde in der Runde Klartext gesprochen. Wird dies weitergedacht, heißt dies nichts anderes, als dass die stärkere Hinwendung zu einer nachhaltigen Anlagepolitik auch die Brücke baut in die Fondsanlage , denn das Niveau, auf dem Nachhaltigkeit in die Anlagepolitiken implementiert wird, ist von den allermeisten Stiftungen so kaum zu bewerkstelligen.
Lehre Nummer 3: Stiftung goes Private Markets
Was wir für uns zudem mitgenommen haben aus den drei ESMT-Roundtables ist die Hinwendung der Groß-Stiftungen zum Anlageuniversum Private Markets. Bahnt sich dies aber den Weg in die Stiftungslandschaft hinein, bedeutet dies auch – und kann im deutschen Stiftungssektor durchaus als Zeitenwende interpretiert werden – die Haltung zur Veranlagung von Stiftungsvermögen grundlegend zu verändern. Der Glaube an Sicherheit würde grundsätzlich sich hin zu einer offeneren, breiter diversifizierten Anlagestrategie verändern, wobei dieser Wandel für viele Stiftungen eine große Herausforderung sein dürfte. Den Begriff Private Markets aber werden wir auf Stiftungstagen künftig häufiger hören, da sind wir sicher.
Zusammengefasst
Die ESMT-Roundtables am 9.2.2022 haben verschiedene Erkenntnisse zutage gefördert. Es wurde deutlich, wie weit die Großstiftungen schon gekommen sind, ihre Asset Allocation auf die „neue Zeit“ anzupassen und die neuen Realitäten anzuerkennen. Diversifikation spielt hier eine entscheidende Rolle, Nachhaltigkeit als Kernelement sowieso, ergänzt um das Universum der Private Markets, die Stiftungen ob ihrer Anforderung nach stabilen Ertragsflüssen künftig einfach nicht mehr ignorieren dürfen. Die Themen sind also gesetzt, jetzt geht es an die Umsetzung – in etlichen tausend Stiftungen.