Seid mutig, liebe Stiftungen!

Drei Lehren aus dem Platow Euro Finance Stiftungsforum am 7.10.2021

5939
3 Lehren aus dem Platow Stiftungsforum
Lesezeit: 5 Minuten

Er passt. Das dachte ich mir, als ich am Morgen des 7. Oktober vor dem Spiegel stand und mich für das Platow Euro Finance Stiftungsforum in meinen blauen Anzug zwängte. Seit Langem mal wieder eine richtige Stiftungsveranstaltung, ich treffe Menschen, ich darf einen Elevator Pitch moderieren, wir werden über die Stiftungsrechtsreform sprechen und über Stiftungsfonds diskutieren. So kam es dann auch, und drei Lehren aus den Gesprächen möchte ich gerne mit Ihnen teilen.

Zunächst einmal zog es sich wie ein roter Faden durch das Platow Euro Finance Stiftungsforum, dass immer wieder auf die Stiftungsrechtsreform referenziert wurde und dabei der Verweis auf die Stiftungsaufsicht nicht kurz kam. Petra Träg, Chefin der SOS Kinderdorf-Stiftung brachte das Ganze in ihrem Panel denn auch auf den Punkt, als sie vortrug, zuerst den Dialog mit der Stiftungsaufsicht zu suchen, und zwar den konstruktiven. Die Stiftungsaufsichten sind Rechtsaufsicht, den Rahmen den die Stiftungsrechtsreform nun schafft, müssen Stiftungen mit Inhalt füllen, und inwiefern der Inhalt sich im Rahmen des Geregelten bewegt, darüber gilt es mit den Stiftungsaufsichten zu sprechen. Dieses Gespräch sei allemal sinniger als das Probieren und Umherstochern, bzw. noch weit schlimmer sei das Nichtstun.

DAS HABEN WIR IMMER SO GEMACHT IST YESTERDAY

Es hilft Stiftungsverantwortlichen in Zeiten wie diesen nichts, sich zurückzuziehen, beispielsweise auf die Linie „Das haben wir immer so gemacht“, denn dafür ist außerhalb des Stiftungsmantels viel zu viel in Bewegung geraten, und wird weiter in Bewegung kommen. Das betrifft nicht nur das Stiftungsvermögen, auch das Generieren von Spenden sei hier gemeint, das Betreiben eines Zweckbetriebs, oder auch das Digitalisieren von Prozessen. Beim Thema Stiftungsvermögen ist es aber geboten, den Austausch mit der Stiftungsaufsicht geboten, das ist auch meine Lehre Nummer 1 vom Platow Euro Finance Stiftungsforum: Liebe Stiftungen, sprecht mit der Stiftungsaufsicht, aber nicht im Sinne eines Sparringspartners für die finale Lösung, sondern für das Abstecken des Rahmens, in dem sich die Stiftungsgremien dann bewegen können.

DER STIFTUNGSFONDS IST NICHT LÄNGER EIERLEGENDE WOLLMILCHSAU

In „meinem“ Elevator Pitch durfte ich vier Fonds auf ihre Stiftungseignung hin befragen, in den Diskussionen danach zeigte sich aber, dass vor allem vor der Fondsselektion noch Hausaufgaben zu machen sind, und zwar für eine Vielzahl von Stiftungen. Die Zeit, in der der eine Stiftungsfonds mit seiner 70zu30-Aufteilung die eierlegende Wollmilchsau war, diese Zeiten sind vorbei. Mit einem Fonds, also mit einer Strategie eines Anbieters in Zeiten wie diesen zu agieren, dass kann sogar als Pflichtverletzung ausgelegt werden. Wir sprechen über Nullzins, wir sprechen über Diversifikation als notwendigen Rahmenparameter, wir sprechen über sachgerechte Entscheidungen der Stiftungsorgane und wir sprechen über ESG bzw. Nachhaltigkeit und die darin schlummernden Reputationsrisiken, so eine Stiftung nicht danach anlegt.

Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten rund um das Verwalten von #Stiftungsvermögen loteten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und fanden sogar welche. Spannende Zeiten. (Tobias Karow/stiftungsmarktplatz.eu, Dr. Katja Bär/Hans und Ilse Breuer-Stiftung, Andreas Scholz/dfv Euro Finance Group, Albrecht Schirmacher/Platow Verlag (v.l.n.r.)

STIFTUNGSRECHTSREFORM ALS GAMECHANGER?

Natürlich sprechen wir beim Fondsportfolio einer Stiftung auch über die Stiftungsrechtsreform, die bei allem was sie nicht ist für die Fondsanlage von Stiftungen zum Gamechanger taugt. Denn die Vereinheitlichung des Stiftungsrechts macht es möglich, dass Umschichtungserlöse künftig auch für die Zweckverwirklichung verausgabt werden können – es sei denn die Stiftungssatzung regelt dies grundlegend anders. Dies bedeutet, dass ich als Stiftung nicht nur auf ordentliche Erträge bauen brauche, sondern dass ich meine Liquiditätsplanung auch auf Umschichtungserlösen fußen kann. Natürlich braucht es die Basis, also den Mix aus ausschüttenden Fonds, aber die Ergänzung, das können künftig auch thesaurierende Fonds sein, die vielleicht nicht in jedem aber doch in einigen Jahren ihren Beitrag für die Zwecksphäre leisten können.

ELEVATOR PITCH GEHT STIFTUNGSEIGNUNG VON FONDS AUF DEN GRUND

Am Zusammenstellen eines Fondsportfolios kommen Stiftungen aber nicht vorbei, und zwar bestehend nicht aus fünf vermeintlich eierlegenden Wollmilchsäuen sondern eben Fonds für ganz bestimmte Aufgaben. So gesehen waren die vier teilnehmenden Fonds im Elevator Pitch beim Platow Euro Finance Stiftungsforum eine interessante Mischung. Der WI Global Challanges Index Fonds war bisher noch nicht im Stiftungsbereich in Erscheinung getreten, ihm könnte die Stiftungsrechtsreform aber den Weg in Stiftungsportfolien ebnen, genauso wie dem Arero Weltfonds, der sich als Mischfonds ebenfalls dem kritischen Blick stellte. Nicht zuletzt waren der Frankfurter Stiftungsfonds (als einziger Stiftungsfonds) sowie der PRISMA Aktiv mit an Bord, zwei Mischfonds mit Stiftungshintergrund.

Beim Elevator Pitch im Rahmen des Platow Euro Finance Stiftungsforums fühlte stiftungsmarktplatz.eu-Gründer Tobias Karow vier Fondslenkern (v.l.n.r.) auf den Zahn: Dr. Dirk Rogowski (sprach für den WI Global Challenges Index Fonds), Bernd Bötsch (PRISMA Aktiv UI), Frank Fischer (Frankfurter Stiftungsfonds), Prof. Sebastian Müller (ARERO Weltfonds)

FONDS HABEN IM FONDSPORTFOLIO EINER STIFTUNG KÜNFTIG EINE KLAR DEFINIERTE AUFGABE

Allen Vieren würde, so sich eine Stiftung künftig ein Fondsportfolio mit ihnen zusammenstellen, eine ganz bestimmte Aufgabe zukommen. Das gibt es die Cashersatzbausteine, da gibt es die Income-Bausteine, die Performance-Bausteine und auch die klassischen Bausteine, die es allesamt braucht, damit eine Stiftung ihre stiftungsindividuellen Ziele auf der Einnahmeseite erreicht – als Basis für die Planungen und Zusagen auf der Ausgabenseite. Müsste man den einen übergeordneten Rat mit auf den Weg geben, als finales Apercu aus dem Elevator Pitch, es wäre vermutlich „Fondsportfolio first, Fondsselektion second“. Und auch der Mut, sich nicht ins Boxhorn jagen zu lassen, das macht vielen Stiftungsverantwortlichen ja zu schaffen, dass sie immer noch aus Angst vor Fehlern gar nix machen.

MUT HABEN ALS STIFTUNGSTUGEND

Diesen Mut brachte Dr. Katja Bär von der Hans und Ilse Breuer-Stiftung auf den Punkt als sie in ihrer Diskussion sagte, es sei doch nicht ganz nachzuvollziehen, dass viele Stiftungen lieber gar nichts tun. „Seid mutig, stellt Euch ein Fondsportfolio zusammen, dokumentiert wie ihr dazu gekommen seid“, und schon sei die Aufgabe ja so gut wie erledigt. Es erfordere für Stiftungen nicht so viel, denn ein Ziel zu definieren, sich ein paar Fonds zusammensuchen zu lassen, diese zu kaufen und deren Leistungsmerkmale regelmäßig zu kontrollieren, das ist zu schaffen, und zwar von Vielen. Solche Stiftungen, deren Vorstände dies einfach nicht mehr schaffen, sich nicht überwinden können, diese könnten sich mit anderen zusammentun und die Aufgabe lösen.

POOLING VON STIFTUNGSVERMÖGEN ALS EIN WEG?

Das war ein spannender Gedanke, den ich mitnehme aus dem diesjährigen Platow Euro Finance Stiftungsforum, denn Stiftungsvermögen zu poolen, daran sollten sich Stiftungen durchaus einmal versuchen. Es gibt da zwar nicht diesen einen richtigen Weg, aber ein Portfolio gemeinsam aufzustellen, dadurch ggf. auch Zugang zu anderen und ggf. besser auf die Stiftungsziele einzahlenden Investments zu finden, diese Möglichkeit öffnet das so genannte Pooling. Natürlich müssen einige Bedingungen erfüllt werden, aber Kompetenzen zu bündeln, auch den Zugang zu Fonds zu kanalisieren, das kann helfen, das Problem auf der Einnahmeseite zu lösen, denn darum geht es ja. Die Einnahmeseite zu stärken, damit die Ausgabenseite nicht ausblutet.

Tobias Karow, Gründer von stiftungsmarktplatz.eu, sprach in seinem kurzen Impuls zum Elevator Pitch beim Platow Euro Finance Stiftungsforum, darüber, dass klassische Stiftungsfonds als eierlegende Wollmilchsau im Stiftungsvermögen ausgedient hätten und Stiftungen sich stattdessen ein Portfolio mit verschiedenen Fonds für ganz bestimmte Aufgabenstellungen zusammenstellen sollten.

ZUSAMMENGEFASST

Bringen wir die drei Lehren aus dem Platow Euro Finance Stiftungsforum final auf den Punkt, dann lauten diese wie folgt: 1) Sprecht mit den Stiftungsaufsichten, 2) Baut Euch ein Fondsportfolio nach der Devise ‚Fondsportfolio first, Fondsselektion second‘ zusammen, 3) Seid mutig, traut Euch zu investieren und verharrt nicht im ‚Das haben wir immer so gemacht‘. Natürlich, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, denn die Stiftungsindividualität lässt sich nicht auf drei kleine Formeln zusammendampfen, aber es war doch zu vernehmen, dass die Diskussion rund um das Bewirtschaften des Stiftungsvermögens nach 18 Monaten Corona anders akzentuiert ist und die Suche nach stiftungsrelevanten Lösungen auch mehrere Wege nutzen könnte. So gesehen kam das Platow Euro Finance Stiftungsforum genau zur richtigen Zeit, denn Stiftungen müssen sich zum Stiftungsvermögen austauschen und eben neue Ideen generieren. Und beim Cappuccino bzw. dem Äppelwoimus mit Schmackes geht das eben doch noch am besten.