1985

Ein paar Gedanken im Nachgang zum 5ten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen

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1985 begann eine Geschichte, die für das Verwalten von Stiftungsvermögen aktueller nicht sein könnte. Im Jahr 1985 übernahm David Swensen das Management des Stiftungsvermögens der Yale-Universität, aus gut 1 Mrd. USD machte er binnen 25 Jahren rund 30 Mrd. USD Stiftungsvermögen und schuf damit die Basis dafür, die Aufgaben der Universität dauerhaft erfüllbar zu halten. Das Erfolgsprinzip war eine Formel, die grob an 20:20:20:15:15:10 erinnert, beim 5ten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen diskutierten wir, wie wir das 70zu30-Mantra dauerhaft durchbrechen. Drei Erkenntnisse aus der Sendung nehme ich für mich mit in die Sommerpause.

Wenn wir uns Gedanken zum Programm des Virtuellen Tags für das Stiftungsvermögen machen, dann folgt diese einer ganz grundsätzlichen Idee, oder besser: Motivation. Wir möchten allen Stiftungen im deutschsprachigen Raum Anregungen geben, ihr Stiftungsvermögen besser zu managen (sie erinnern sich: verwalten sagen wir hier nicht so gerne). Dieses Mehr an professionellerer Vermögensanlage stärkt das wirtschaftliche Stehvermögen einer Stiftung, jedes Prozent mehr, das wir aus dem Stiftungsvermögen herausquetschen, steht für Herausforderungen das Gemeinwohl betreffend zur Verfügung. Umso überraschender ist es, dass etwa bei einer Stiftungsgründung das Thema Vermögen erst ganz am Schluss diskutiert wird, Vermögensprofis sitzen oft gar nicht mit am Tisch. Vermögen, ist nicht wichtig, wird dann schon irgendwie gemacht, so wurde es uns jüngst in einem Telefonat eröffnet.

Um das Stiftungsvermögen sorgen, weil man sich um den Stiftungszweck sorgt

Mein Kopfschütteln war offenbar durch den Hörer vernehmbar, denn wenn kein oder kaum Augenmerk darauf gelegt wird, sich das Steuerprivileg zu verdienen, dann wundert es mich nicht, dass hier und da Stiftungshandeln als nicht legitimiert dargestellt und die Frage nach dem Steuerprivileg überhaupt gestellt wird. Aber auf dem Planeten Stiftung gibt es Gott sei Dank nicht nur passive Vermögensmanager, im Sinne von dass es eh egal ist in was man investiert, raus kommen eh nur 3 Prozent, sondern eben auch jene Könner, die sich um das Stiftungsvermögen sorgen, weil sie sich um die Stiftungszwecke sorgen. Jene, für die das Buch von Yale-Manager David Swensen („Erfolgreich Investieren“) Standardwerk ist, so etwas wie die Bibel für das Streuen von Vermögenskörpern, denen eine übergeordnete Aufgabe innewohnt.

TV-Tipp:
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Es gibt einen Plan B für den Planeten Stiftung

Für mich ein Highlight beim 5ten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen war das Mitwirken u.a. von Thomas Meissner von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, der aufzeigte, wie die großen Stiftungen es hierzulande machen, welchen Überlegungen sie folgen und wie sie ihre Entscheidungen begründen. Stiftungen fragen sich in vielen Fällen, wie sie denn an diese Sache mit dem Vermögen herangehen sollen, wie sie ihrer Hausbank verklickern, dass sie etwas anderes brauchen als bisher, hier lieferte unter anderem der Talk mit Thomas Meissner richtig praktische Anregungen. Es gibt letztlich die eine, zu allen Stiftungen passende Allokation nicht, weil die Ziele, die eine Stiftung mit dem Stiftungsvermögen erreichen will und muss, differieren. Was es aber schon gibt ist so etwas wie bspw. das Diversifikationsgebot, das jede Stiftung eben für sich auslegen muss – ausgehend von den Zielen.

2024 ist das 1985 für viele Stiftungen hierzulande

Will ich als Stiftung 6% Rendite haben, weil ich 6% Rendite brauche, dann kann ich nicht nur in Aktien und Anleihen anlegen, denn dann sind meine Erträge einfach zu vulnerabel. Gerade in Zeiten wie diesen, wo Staaten geostrategisch herausgefordert werden, können einst sichere Bonitäten plötzlich in einem ganz anderen Scheinwerferlicht erstrahlen. Will ich Erträge haben wie Yale, Harvard und Co., dann komme ich an einer Streuung, wie sie Swensen angeschoben hat, nicht vorbei. Aber, und auch das gehört zur Wahrheit rund um Swensens Konzept dazu, dann muss eine Stiftung auch durchhalten können, wenn es mal knallt. Dann ist auch das Ende des Kalenderjahres egal, denn ein Konzept von jenes von David Swensen lässt sich nicht in ein Kalenderjahr-Raster pressen. Dann wiederum braucht es auch ein Argumentarium, das ich der Stiftungsaufsicht vorlegen kann, für den Fall der Fälle. So gesehen ist 2024 für viele Stiftungen hierzulande vielleicht tatsächlich 1985.

Ihre Stiftungsgremienmitglieder können Bonitäten und Gewinne einschätzen? Schön für Sie!

Das reine Aufstellen des Stiftungsvermögens, also das Ausformen der Asset Allocation, zielt dann aber auch auf die Auswahl von Zielinvestments ab. Wie Sie wissen, verfechte ich für Stiftungen die Fondsanlage, mir ist schleierhaft, wie Stiftungsverantwortliche Gewinnerwartungen und Bonitäten sachgerecht analysieren und einschätzen können – und wie sie auf diesem Informationsbrei eine sattelfeste Anlageentscheidung treffen wollen, die zum Wohle der Stiftung ist. Das ist ja letztlich die finale rote Orientierungslinie, der Faden, der mich aus meinem Einzelaktientrieb herausführt. Für mich heißt das ganz klar, sich als Stiftung sehr viel stärker mit der Delegation von Asset Management-Aufgaben auseinanderzusetzen. Asset Management gehört in Profihände, insbesondere in einer immer komplexer werdenden Welt. Stiftungsgremienhände sind handwerklich hier häufig nicht unterwegs.

Ohne ein Fragengerüst gehen Endowments nicht auf Fondsanbieter zu

In Kanada durfte ich auf einer Endowment-Konferenz beobachten, was das heißt. Ich fragte, wie Stiftungen dort auf Asset Manager zugehen: 1) Mit einem ausgefeilten Fragengerüst, das sich an den stiftungsspezifischen Zielen orientiert. 2) Mit zwei drei Fragen zum Vorgehen beim Themenkreis Nachhaltigkeit, was Stiftungen in Nordamerika vor allem wissen wollen ist, ob der Asset Manager das ernst meint, was er dort in seine Präsentationen schreibt. 3) Mit einer Offenheit die Konzepte und die Assetklassen betreffend, bzw. mit einer klaren Haltung, was gebraucht wird und was nicht. Hierbei handelt es sich dann um Private Market-Fonds, Aktienfonds für Emerging Markets oder eine Strategie für Privat Debt, Mischfonds, die quasi als One-Stop-Shop Stiftungsvermögen investierbar machen, wir hier nicht agiert. Für mich hieß das in Vorbereitung auf den 5ten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen: Fragen ausdenken, das können auch deutsche Stiftungen, den Fondsmarkt erkunden, das ist auch für hiesige Stiftungen machbar. Definitiv.

Bei der Asset Allocation an David Swensen denken

Eine Sache schließlich konnten wir beim 5ten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen nur anreißen: die Frage nach der Unsicherheit. Auf der Endowment Konferenz sagten mir Stiftungsverantwortliche, dass es typisch deutsch sei, sich als Stiftungsverantwortlicher zuerst mit der geopolitischen Gemengelage auseinanderzusetzen. Diese zeige Unsicherheit, entlang dieser muss ich entscheiden. Aus Sicht der Endowment-Manager resultiert aus dieser Herangehensweise erst recht Unsicherheit für die ordentlichen Erträge, denn Geopolitik könnten Stiftungsmanager nicht beeinflussen, Asset Allocation dagegen schon. Nun, zugegeben, an dieser Stelle wird es tiefgründig, denn nicht zu wissen wie die Welt draußen gerade temperiert ist, kann auch zum Boomerang werden. Aber mehr noch sollten Stiftungen an der Asset Allocation arbeiten, diese entwickeln, diese prüfen, wobei automatisch der Abgleich mit dem Umfeld passiert. Müsste ich eine Regel hieraus ableiten, hieße diese: Asset Allocation first, Environment second.


SAVE THE DATE:
Der 6te Virtuelle Tag für das Stiftungsvermögen findet statt am 11.6.2025, am Vorabend steigt zudem der #vtfds Apéro.

Zusammengefasst

Der 5te Virtuelle Tag für das Stiftungsvermögen hat wieder einmal zweierlei bestätigt: Einmal gibt es sie, die Profis in der Stiftungswelt, die keinen Vergleich mit ihren amerikanischen Kollegen scheuen müssen und die handwerklich absolut auf der Höhe der Zeit agieren. Zum anderen gibt es beim Stiftungsvermögen in vielen Stiftungen aber auch noch viel zu tun. Dabei gilt es, Stiftungsvermögen zum Wirkkörper zu erklären, der dann das Maximum liefert, wenn er maximal professionell bewirtschaftet wird.

Stiftungsvermögen wird dann zum Hort der Möglichkeiten, die eine Stiftung in der Zwecksphäre hat. Vielleicht ist nicht für alle Stiftungen die Idee und das Konzept von David Swensen umsetzbar, weil zu viele Stiftungen in Deutschland über zu wenig Kapital verfügen. Jedoch baut die Fondsindustrie immer mehr Brücken hinein in die Investmentwelt des David Swensen, macht das Umsetzen einer 20:20:20:15:15:10-Idee für das Stiftungsvermögen für immer mehr Stiftungen machbar. Was Swensen also 1985 begann, könnte 2024 im deutschen Stiftungssektor beginnen (begonnen haben). Und ganz wichtig: A bisserl Yale geht in jeder Stiftung.

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