Stiftungsfonds auf der Drechselbank

Was mich bei Stiftungsfonds rund um das Thema Nachhaltigkeit aufregt

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Stiftungsfonds Drechselbank
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Nachhaltigkeit, ESG, SDG, Taxonomie, ESG-Score, Co2-Fußabdruck, es kommt ganz schön was auf Stiftungen zu, wenn sie heute in einem Beratungsgespräch ankreuzen, dass sie ihr Stiftungsvermögen nachhaltig anlegen wollen. Die Krux ist jedoch, dass viele Stiftungsfonds im Themenkreis Nachhaltigkeit gar nicht so lieferfähig sind, wie sie auf den ersten Blick vermitteln. Und das regt mich dann doch a bisserl auf.

Neulich blätterte ich durch die Präsentation eines Stiftungsfonds. Ein etabliertes, gut gemachtes Fondsprodukt, auf dem Stiftung nicht nur draufsteht sondern auch drin ist. Der Punkt Nachhaltigkeit aber schaut bei dem Fonds irgendwie aus wie dazu gedrechselt. Von einem Ausgangsuniversum auf der Aktienseite bleiben nach Nachhaltigkeitsscreening rund 600 Werte übrig, das aufwändige Nachhaltigkeitsselektionsverfahren hat also zum Ergebnis, dass etwa 20% des Ausgangsuniversum es nicht durch den Filter schaffen. Rund 80% der Unternehmen schaffen es also durch den Filter, der scheinbar einem Scheunentor gleicht.

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STIFTUNGSFONDS DRECHSELN SICH NACHHALTIGKEIT EIN WENIG ZURECHT

Mich hat dies insofern aufgescheucht, weil es Stiftungen ja schon gerne so erzählt wird, als das ein gewisses Anlageuniversum sein müsse, sonst könne eine Anlagepolitik nicht umgesetzt werden. Dafür braucht es eine gewisse Anzahl beispielsweise an Aktien. Entsprechend werden dann die Filter „gebaut“, das Nachhaltigkeitsregime des Fonds wird so hingedrechselt, dass es eben aus Sicht des Fonds stimmig ist. Aber passt es dann auch aus Stiftungssicht? Vielleicht wollen es gerade Stiftungen etwas strenger haben in punkto Nachhaltigkeit, vielleicht legen gerade Stiftungen auf eine strenge Auswahl an Anlageinstrumenten in „ihren“ Stiftungsfonds wert?

A BISSERL BEST IN CLASS REICHT NICHT

Für Stiftungen heißt ein solches Beispiel nichts anderes, als dass sie auch diese Frage stellen müssen, wie viele Aktien bzw. Anleihen es durch den Nachhaltigkeitsfilter des Fondsmanagements schaffen. Manche Aktienfonds, bei denen in den Präsentationen auch auf die Stiftungseignung hingewiesen wird, rühmen sich mit strengen nachhaltigen Screens, und lassen dann von 1.000 Werten 900 hindurch schlüpfen. Das hat nichts von einem Filter, das ist n‘ bisschen Ausschluss und n‘ bisschen Best of Class, aber eine Anlagepolitik, die nachhaltige Aspekte ernst nimmt, ist das nicht. Genau das aber brauchen Stiftungen, genau das müssen sie eigentlich von Stiftungsfonds verlangen.

VIDEOTIPP: Was einen Fonds zum Stiftungsfonds macht und welche Kriterien Stiftungen bei der Beurteilung eines Fonds vor allem im Auge haben sollten, dazu haben wir die wichtigsten Fakten im Bewegtbild zusammengetragen. https://www.youtube.com/watch?v=fYiNU5W7P4o&t=293s


STIFTUNGS-DNA VERLANGT ECHTE NACHHALTIGKEIT

Weshalb mich diese Argumentation so ärgert, ist ein einfacher Punkt: Anleger, auch Stiftungen, werden an diesem Punkt ein wenig für verschaukelt. Auf der einen Seite wird ein Nachhaltigkeitsregime gezeigt, auf der anderen Seite ist derlei so wenig konsequent wie der Fußballer Frank Ribèry früher bei der Defensivarbeit. Es reicht schlicht nicht aus, einem Anleger, der in seiner DNA Nachhaltigkeit eigentlich schon eingebettet hat, mit einem schlichten Filter ein paar Aktien und ein paar Anleihen herauszufischen. Wenn von einem Ausgangsuniversum 25% übrigbleiben, dann sieht das nicht nur strenger aus, das ist es dann wohl auch.

PASSEN FANG-AKTIEN ZU STIFTUNGSFONDS?

Worauf Stiftungen auch achten ist, welche Aktien bzw. Anleiheemittenten es dann durch den Nachhaltigkeitsfilter schaffen. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Es sind viele auch bekannte Unternehmen schon weit voran gekommen auf dem Weg, ein nachhaltige(re)s Unternehmen zu werden, und haben damit jede Berechtigung verdient, in einem Stiftungsfonds aufzuscheinen. Warum aber von den FANG-Aktien, also den Facebooks, Amazons, Apples, Netflixes und Googles dieser Welt in fast allen Stiftungsfonds Aktien eingebucht sind, das muss doch mal hinterfragt werden. Denn richtig nachhaltig sind diese Unternehmen nur beim Disruptieren, beim Geld verdienen und beim Steuern sparen.

GERATETE NACHHALTIGKEIT IST WAS ANDERES ALS GELEBTE NACHHALTIGKEIT

Selbstverständlich braucht es diese Innovatoren, auch als Baustein in einem Stiftungsfonds, selbstverständlich sind diese Plattformunternehmen die neuen Industriegiganten, nehmen die Plätze von Wal-Mart, General Electric, Siemens und Fiat ein. Und selbstverständlich sind sie unendlich lieferfähig hinsichtlich der auszufüllenden Fragebögen, die Nachhaltigkeitsagenturen ihnen zusenden, um darauf fußend ein Rating zu erstellen. Aber gehören sie wie selbstverständlich in einen Stiftungsfonds, und haben nicht andere Unternehmen eigentlich eher eine Chance verdient, in einen Stiftungsfonds hineingekauft zu werden?

WAS SICH KAUM IN STIFTUNGSFONDS FINDET?

Wie ist es denn mit nachhaltigen Stromversorgern, mit in Familienhand befindlichen Unternehmen, die nicht mehr gebrauchte Fischernetze aus dem Meer fischen, um diese zu Garn zu recyceln? Wie ist es denn mit Müllentsorgern, wie ist es mit Hörgeräte- oder Hygieneartikelherstellern? Diese finden sich kaum in Stiftungsfonds, aber warum nicht? Diese Unternehmen tun mehr für das gesellschaftliche Fortkommen als die FANG-Aktien, sie sind in der Regel deutlich günstiger bewertet, schütten kontinuierlich aus und können – ja – häufig nicht ganz so viel Nachhaltigkeitszahlenwerk liefern wie besagte Technologiegiganten.

STIFTUNGSFONDS MÜSSEN WEG VOM MAINSTREAM INVESTING

Es kann ja nicht sein, dass es selbst in Stiftungsfonds nur mehr FANG-Aktien durch qualitative, quantitative und nachhaltige Filter schaffen. In meinen Augen müssten sich gerade Stiftungsfonds von dieser Art des Mainstream Investings abheben, sich davon lösen und ein ganz eigenes Profil auf der Aktien- und Anleiheseite zulegen.

Wir werden genau das auch in der 2021er FondsFibel einmal untersuchen und die von uns analysierten Fonds nach drei zusätzlichen Kriterien analysieren:

1) Wie viele Aktien schaffen es durch den Nachhaltigkeitsfilter?
2) Wie hoch ist der Anteil der FANG-Aktien am Aktienexposure?
3) In welchem Fonds stoßen ESG-Kontroversen Veränderungen an?

ZUSAMMENGEFASST

Mancher Stiftungsfonds schreibt sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen, kann diese aber nicht so richtig glaubwürdig in das Portfoliomanagement übersetzen. Zugegebenermaßen ist es auch keine leichte Aufgabe, einen Stiftungsfonds oder stiftungsgeeigneten Fonds komplett streng nachhaltig aufzusetzen, aber gewisse Eckpfeiler sollten es schon sein. Für Stiftungen bedeutet dies, künftig vielleicht noch stärker die Nachhaltigkeits-Authentizität zu hinterfragen, etwa mit unseren drei Punkten „Scheunentor“, „GeFANGen“ und „ESGismen“. Denn weniger konsequent und stärker konsequent nachhaltig ausgerichtete Stiftungsfonds zu mischen, dürfte funktionieren, denn die Portfolien dürften sich doch relativ stark unterscheiden. Dann hätte das Gedrechselte sogar etwas Gutes.