Stiftungen sind Partner für Vereine, aber andersrum wird genauso ein Schuh draus. Es war eine der Diskussionslinien, die auf der Konferenz „Brücken bauen – Engagement und Stiftungen im Austausch“ sichtbar wurden. Auf Einladung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt fanden sich am 9.12.2024 gut 100 Vertreterinnen und Vertreter im Deutschen Hygiene Museum in Dresden ein, um über gemeinsame Ansätze für Engagement zu diskutieren und auch konkrete Anknüpfungspunkte zu suchen. Dass diese auch gefunden wurden, lag am Engagement der Organisatoren (ein dickes Dankeschön an das Team um Jessica Rothe!!!), die viele Dialogformate zur Verfügung stellten, aber eben auch an den Teilnehmern. Selten habe ich einen so lebendigen Stiftungstag erlebt. Meine drei Lehren.
Lehre Nummer 1: Der Osten – the unknown country
Viele Stiftungen aus dem Westen wollen im Osten was machen, haben aber Berührungsängste. So lautete eines der Statements auf dem Eröffnungspanel. Sie kennen den Osten zu wenig, sie kennen dort zu wenige Menschen, ein Vertreter der Bertelsmann Stiftung sagte, er komme aus Gütersloh, um sich genau anzuschauen, was hier passiert. „Denn wir haben pro Jahr 80 Mio. Euro an Mitteln zu vergeben, brauchen dafür aber Perspektive, Plan und Professionalität“, so interpretieren wir das, was dann gesagt wurde. Stiftungen im Osten, das ist n bisschen so was wie „The unknown country“. Große Stiftungen möchten Großes machen, und investieren ihrerseits in die Anbahnung von Beziehungen, bringen dafür entsprechend Zeit mit, suchen nach Partnern. Das wiederum hebt die regional aktiven Vereine in ein anderes Standing, sie sind wichtig für Stiftungen, die im Osten verstärkt aktiv sein möchten. Vereine und Initiativen sind diejenigen, über die Programme ausgerollt werden können. Vereine sind damit nicht Bittsteller, sondern Partner, Partner für Stiftungen. Eine Tonalität, die viel Anklang fand.
Lehre Nummer 2: Die Stiftungslandschaft braucht die Offenheit
Große Stiftungen aber, und das war aus den Beiträgen der Gäste herauszuhören, sind oft noch zu unerreichbar. Sie pitchen nicht für spannende Maßnahmen, sie gehen ihrerseits zu wenig auf Vereine und Initiativen zu. Es war herauszuhören, dass Stiftungen oft noch in ihren Silos zuwarten, oder auch Dinge an sich vorbeiziehen lassen. Das ist jedoch nur die eine Perspektive. Die andere lautete wie folgt: „Bemüht Euch um die Stiftungen, investiert in Beziehungen zu Stiftungen, investiert in die Darstellung des Projekts, denkt vielleicht eher in Programm denn in Projekten, dann klappt es auch mit der Stiftung nicht nur als Förderpartner, sondern eben als strategischer Partner.“ Es war ein Stück weit ein sichtbare aufeinander Zugehen, das in Dresden zwischen Vereinsblase und Stiftungsblase sichtbar wurde – und das angestoßen werden sollte. Wenn Vereine und Initiativen immer nur auf der Ebene der Kleinspende unterwegs sind, diesen Bias pflegen, dann wird es mit dem großen Fördertopf nix werden.
Heißt auch, die Antragspraxis zu professionalisieren, mehr Zeit in die Antragstellung zu investieren (was mich sofort über das Antragstool von Systopia nachdenken ließ). Stiftungen brauchen eher die große Idee, die langfristige Idee, wenn sie das große Geld geben sollen, da müssen dann Vereine und Initiativen ihre Mühe reininvestieren. Es war zu hören, dass dieses Herangehen an Stiftungen bisher so nicht richtig erfolgt ist, dass zu wenig in genau diese Beziehungen zu Stiftungen investiert wurde. Ein anderer Wortbeitrag bohrte noch etwas tiefer. Für eine souveräne Zivilgesellschaft muss es möglich sein, auch Mittel außerhalb der staatlichen Förderung für zivilgesellschaftliches Fortkommen zu organisieren, organisieren zu können. Und die Rolle der Stiftungen kann nicht sein, hier dann einzuspringen, hier dann als quasi Geldersatz-Einrichtung herzuhalten. Auch hier, klare Worte, wie man sie schätzt, klare Worte, wie man sie selten hört, klare Worte, wie sie der Sektor aber auch braucht. Eine Aufforderung letztlich, selbstbewusster und emanzipierter zu werden, weniger schüchtern zu agieren, sich der Bedeutung und des Werts des eigenen Tuns bewusst zu werden.
Lehre Nummer 3: Ein Hocker kann auf der Bühne zum Hauptdarsteller werden
Ein zentrales Element bei „Brücken bauen“ war die Interaktion. „Wir wollten mal etwas ausprobieren“, meinte Jessica Rothe zu mir, und ich muss sagen, das ist ihr und ihrem Team voll gelungen. Die Gäste bekamen zunächst bei der Registrierung kleine Jutebeutel mit beschriftbaren Würfeln, diese sollten dann an den Thementischen eine gewichtige Rolle spielen und das Sammeln von zentralen Begriffen ermöglichen. Auf der Bühne des zentralen Konferenzraums wiederum standen 5 Stühle und ein kleiner Hocker. Auf diesem nahmen in der Eröffnungsdiskussion Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Publikum Platz, um der Diskussionsrunde immer wieder neue Perspektiven einzuhauchen. Es war spannend zu sehen und zu hören, wie die Diskussionsrunde immer wieder auf das Konkrete in der Runde reagierte. Eine tolle Idee.
Vorne im Foyer war eine Feedbackwand eingebaut, auf der vier Quadranten eingezeichnet waren, bunte Punkte bezeugten dann, ob der Stiftungstag bspw. inspiriert oder informiert hatte. Die Punktewolke bei „inspiriert“ war schließlich die größte. Beim Elevator Pitch wiederum konnten sich bis zu 6 Organisationen in jeweils 3 Minuten vorstellen, mit dem was sie machen, wofür sie es machen, und wohin sie mit ihrem Tun wollen. Die Bewertung der Pitches fand durch das Auditorium statt, in Form von Tischtennisbällen, die in durchsichtige Röhren eingeworfen wurde. Den Elevator Pitch habe ich gemeinsam mit Matthias Daberstiel vom Fundraising Magazin „durchgezogen“, er spendierte spontan den Pitch-Siegern (jene mit den meisten grünen Bällen im Röhrchen) ein Abonnement des Fundraising Magazins.
Unser Workshop zum Thema „Wie begeistere ich für meine Stiftungs- und Vereinsarbeit“
Überhaupt Matthias Daberstiel. Wir zwei konnten in einem Workshop 30 Vereine und Stiftungen begrüßen, wir wollten zur Frage inspirieren, wie Vereine und Stiftungen ihre Geschichte besser erzählen, wie sie mutiger werden in der Kommunikation, im Auftreten nach draußen. Zentrale Aussage von Matthias Daberstiel war, dass man heute kommunizieren muss, dass man dafür sorgen muss, dass das eigene Anliegen auch irgendwo ankommt. Sein mitgebrachtes Zitat „Heimliche Wünsche werden unheimlich selten erfüllt“ rüttelte die Workshopteilnehmer auf. Denn darum geht es doch, dass sich der Stiftungs- und Vereinssektor seiner Stärke bewusst ist, seiner vielen guten Taten. Je mehr Menschen davon wissen, desto wahrscheinlicher ist es, dass für die eigene Mission auch weitere Unterstützer gewonnen werden. Vereine haben dabei den Vorteil, dass sie Mitglieder haben, Stiftungen wiederum haben über das Stifternetzwerk einen starken Pool an potenziellen Unterstützern und Begleitern an ihrer Seite. Nutzen sie das? Zu wenig, und wenn doch, dann zu wenig intensiv. Hat Spaß gemacht, der Workshop, mit dem Matthias Daberstiel und ich als „Matman und Tobin“ bald auf deutschlandweite Stadiontour gehen…😊
Zusammengefasst
Der Stiftungstag des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt hielt das was er versprach. Im Titel hieß es „Brücken bauen – Engagement und Stiftungen im Austausch“, und genau dieser Austausch kam auch zustande. Wir haben das Format sehr gerne unterstützt, weil ich als gebürtiger Sachse auch berührt bin von dem, was sich in Sachsen derzeit politisch tut (oder eben gerade nicht tut), umso wichtiger ist es, Demokratie bzw. demokratische Prozesse und Teilhabe von unten her immer wieder neu zu befruchten, den Austausch zu beatmen, das Miteinander zu fördern. Denn dass die demokratischen Kräfte lebendig sind, dass viele Menschen an konstruktiv sind für unser gemeinsames Morgen, das war in Dresden auf dem Stiftungstag zu hören, zu sehen und zu spüren. Nach dem Stiftungstag gab es auf dem Striezelmarkt noch eine Thüringer vom Holzkohlegrill, mein Gefühl sagt mir, dass wir uns in Dresden im kommenden Jahr wiedersehen werden, zum StiftungsApéro – und zum Stiftungstag.