Risikomanagement cum-Corona

Wie Stiftungen Risiken lokalisieren und diese mit Stiftungsfonds und stiftungsgeeigneten Fonds aussortieren

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Risikomanagement cum-Corona
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Wenn eine Stiftung einen Stiftungsfonds kauft, dann sind die damit verbundenen Risiken auf den ersten Blick recht leicht umrissen. Der Anteilspreis des Stiftungsfonds kann schwanken, oder aber die ordentlichen Erträge, im Ausnahmefall fallen letztere gar gänzlich aus. Jedoch kann es sein, dass ein ganz normaler Stiftungsfonds für die nächsten 10 oder 20 Jahre gerade für Stiftungen nur mehr bedingt zu deren Anforderungen passt. Denn die Welt scheint gerade in eine Phase einzutreten, in der die Risikotemperatur steigt. Wie im Bergwerksstollen, je tiefer man in den Berg einfährt. 

Im Bergbau ist das mit den Risiken so eine Sache. Je tiefer in einem Berg Kohle ausgegraben wird, desto risikoreicher ist diese Arbeit natürlich. Durch die Arbeiten entweichen Gase, die sich entzünden und plötzliche Verpuffungen verursachen können, der Stollen kann unter der Last des darüber liegenden Erdreiches einstürzen oder von einbrechendem Wasser geflutet werden. Passiert das, helfen dann nur noch Glück, Gott und in seltenen Fällen die Dahlbusch-Bombe. Übersetzen wir den Risikomix unter Tage auf die Welt darüber, auf die Welt, in der Stiftungen in Stiftungsfonds und stiftungsgeeigneten Fonds investieren, dann ist da auch sehr viel Unwägbares zu finden, und die Dahlbusch-Bombe könnte die Diversifikation sein. Aber der Reihe nach.

Trotz Renditedruck gilt der erste Blick dem ordentlichen Ertrag

Zunächst einmal gilt es zu konstatieren, dass die Mixtur aus niedrigerer Inflation, niedrigeren bzw. nahe null notierenden Zinsen und relativ hohe Bewertungen bei Aktien UND Anleihen und auch anderen Assetklassen die Renditen bis 2030 wahrscheinlich niedriger ausfallen lässt. Die Antwort darauf kann einer Studie des amerikanischen Brokers Charles Schwab zu Folge breiteres Streuen, über Assetklassen hinweg, und das Sparen von Kosten sein. Dazu sollte ein Langfristplan aufgestellt werden, der einen Anleger davon loslöst, sich von möglichen Paniken im Hier und Jetzt anstecken zu lassen. Diese Maßgaben könnte auch für Stiftungen eine sein, aber für deren Anlagestrategie müssen Parameter gelten, die die ordentlichen Erträge zuerst im Blick haben. Deren Ausbleiben ist das größte Risiko für eine Stiftung.

Sind Schwankungen des Anteilspreises eines Stiftungsfonds schon Risiko?

Denn sind die Ordentlichen Erträge das gewichtigere Ziel noch vor dem Kapitalerhalt, weil Zweckverwirklichung vor Kapitalerhalt geht, dann ist es die erste Pflicht der Stiftungsverantwortlichen, diese ordentlichen Erträge zu konservieren. Die dazu notwendige Anlagestrategie ist dann aber wiederum umso resilienter, wenn sie einige Mikro- und einige Makrofaktoren im Blick hat. Fangen wir im Kleinen an. Kauft eine Stiftung einen Stiftungsfonds oder einen stiftungsgeeigneten Fonds, dann können die Schwankungen des Anteilspreises ein Risiko darstellen, so die Stiftung dies für sich ganz individuell so definiert hat. Das Schwanken eines Preises, auch den einer Aktie, an sich, ist kein Risiko. Weitaus schlagender als ein vorübergehend schwächelnder Fondspreis kann aber das Schwanken oder das Ausbleiben des ordentlichen Ertrags ein echtes Risiko für eine Stiftung sein.

Weg mit 70 zu 30 im Stiftungsfonds

In der Fondsanlage heißt es dann: Weg mit der 70 zu 30-Allokation im klassischen Stiftungsfonds und Erweiterung der Diversifikation. Die Diversifikation könnte für Stiftungen die Rettung aus der Niedrigzinsfalle sein, so wie durch den Einsatz der Dahlbusch-Bombe schon viele verschüttete Bergleute aus eingestürzten Bergwerken gerettet werden konnten. Wenn ich als Stiftung das Risiko ausbleibender ordentlicher Erträge minimieren oder gar ausschließen möchte, dann muss ich dieses Risiko auf mehr als zwei Schultern – Aktien und Anleihen – verteilen. Beziehungsweise darf ich dann als Stiftung nicht nur in Stiftungsfonds oder stiftungsgeeignete Fonds investieren, die ihrerseits nur in diese beiden Anlageklassen investieren. Dann bin ich zwar breit gestreut, weil ich viele Aktien und viele Anleihen über den Fonds in meinem Portfolio habe, aber in der Durchschau bin ich eben auch nur in Anleihen und nur in Aktien investiert. Die eine liefert Nullzins, die andere Nullstabilität, um künftig ruhig zu schlafen reicht derlei nicht mehr aus.

So werden Grossvermögen investiert
So werden Großvermögen investiert

Bei Themen, die reüssieren werden, müssen Stiftungsfonds dabei sein

Das ist so als wenn ein Bergmann statt mit Schutzhelm und Spitzhacke mit Tropenhut und Plastikschaufel ins Bergwerk eingefahren wäre. Es wäre für die Arbeit im Stollen nicht geeignet gewesen, das Ergebnis wäre nicht Kohle gewesen, die zutage gefördert worden wäre, sondern Frustration. Genau die dürften Stiftungsverantwortliche auch erfahren, wenn sie sich auf anderer Ebene nicht auf das vorbereiten was da auf sie zukommt. Es kann sich für Stiftungen zu einem Risiko auswachsen, das dann auch den ordentlichen Ertrag tangiert, bei Themen dabei zu sein, die Probleme bekommen bzw. bei Themen nicht dabei sein, die reüssieren werden. 

Internationale Standardwerte im Stiftungsfonds als Problem?

Das Analyse- und Beratungshaus Mercer hat zum Beispiel untersucht, in welchem Klimawandel-Szenario, ob sich die Volkswirtschaften also beispielsweise rechtzeitig transformieren kann oder nachhaltig Schäden durch klimatische Veränderungen entstehen, welche Anlageklasse unter Risikogesichtspunkten am ehesten Probleme bekommen wird. Ergebnis: Internationale Standardwerte werden zuerst Probleme bekommen, ihre Bewertung halten zu können. Heißt übersetzt: Wenn viele Stiftungsfonds hier investiert sind, also bei den großen, konservativen, international agieren Standardaktien, dann sollten Stiftungen überlegen, hier einen Kontrapunkt zu setzen indem sie bspw. alternativ in Stiftungsfonds oder stiftungsgeeignete Fonds investieren, die eine schöne Portion Emerging Markets Aktien in ihrem Portfolio enthalten haben.

Richtige Assetklasse, falsches Segment

Das Risiko hier besteht also darin, in der richtigen Assetklasse aber im falschen Segment davon investiert zu sein, sei es auch indirekt über Stiftungsfonds oder andere stiftungsgeeignete Fonds. So etwas muss aussortiert werden, es muss in der Anlagerichtlinie einer Stiftung erfasst und ermöglicht werden, diese Feinjustierungen etwa in der Aktienquote vornehmen zu können. Apropos Aktienquote. Waren es vor ein paar Jahren noch vor allem geopolitische Risiken, die Angst vor struktureller Arbeitslosigkeit und vor weltweiten Terrorattacken, sind es heute Wasserkrisen, grundlegende soziale Instabilitäten und Nahrungskrisen und Wetterextreme, die das World Economic Forum in seinem Global Risks Report benennt.

Stiftungsfonds sollten mit ESG-Scores arbeiten

Unternehmen, die sich diesen Parametern nicht stellen, werden von Anlegern abgestraft werden, weil sie es nicht wert sind, dass man als Anleger auf das Management einwirkt, also Engagement (englisch ausgesprochen), es möge doch bitte verantwortungsbewusster gearbeitet werden. Stiftungsfonds und stiftungsgeeignete Fonds sollten ihre Einzeltitel also nach hohen ESG-Scores, hohen Werten vor allem für gute Unternehmensführung auswählen – und vielleicht auch danach, ob sie augenscheinlich dabei helfen, ein entstandenes Problem zu lösen. In diese Kategorie fallen auch Mikrofinanzinvestments oder Anleihen supranationaler Emittenten. Solche Investments künftig nicht im Stiftungsfonds zu finden, kann ein Risiko für dessen Anlageerfolg sein, und damit für den ordentlichen Ertrag der Stiftung.

Ausweg aus der Diversifikation
Ausweg aus der Diversifikation

Fondsanbieter muss Stiftungen auf kurzem Wege informieren

Eine weitere Ebene kommt bei Stiftungsfonds noch zum Tragen. Es kann aus Stiftungssicht auch ein Risiko sein mit Anbietern von Stiftungsfonds und stiftungsgeeigneten Fonds zu arbeiten, die nicht gut und zeitnah informieren und die neuste Technik für die Anlegerinformation nicht oder noch nicht nutzen. Da der Risikokorb doch einigermaßen gefüllt ist, müssen Stiftungen in der Kontrolle der eingesetzten Fonds eine Schippe drauflegen. Denn eine Stiftung liest einen Fonds wie folgt: Kommen Erträge wie geplant, ist das Portfolio offenbar resilient. Aus Anbietersicht liest es sich andersherum: Ist das Portfolio resilient, fließen die Erträge. Das zu beurteilen, dafür braucht es belastbare Informationen.

Informiert mein Stiftungsfonds stiftungsspezifisch?

Künftig wird es ein Faktor in der Fondsanlage einer Stiftung sein, dass sie schnell und umfassend informiert wird. Uns erzählen Stiftungen, dass sie heute direkt mit dem Fondsmanager ihre Fragen diskutieren, während sie früher auf Antwort eines Relationship Managers warten mussten. Das ist der Weg, der der kurzen Information zwischen Stiftung und Stiftungsfonds, die Corona-Crash hat hier deutliche Unterschiede in der Informationspolitik offenbart. Schafft ein Fondsanbieter diese Pflicht zur Information nicht, fällt er vielleicht nicht direkt durch, aber er sammelt doch Minuspunkte. Jene Minuspunkte können aber auch Stiftungen und ihre Verantwortlichen selber sammeln.

Wenn die Reputation leidet…

Allerdings kann wenig Information auch für Stiftungen selbst zum Risiko werden, dann nämlich wenn die Reputation der Stiftung leidet. Wird das Stiftungsvermögen nicht professionell genug angelegt oder kann nicht nachvollziehbar gemacht werden, dass die Stiftungsverantwortlichen hier mit Plan handeln, werden sich potentielle Spender überlegen, ob sie eben jene Stiftung unterstützen. Die Reputation reicht dann einfach nicht aus, den Spender zu überzeugen, ihn dahin zu bewegen die Stiftung zu unterstützen. Denn in seien Augen kann eben der Eindruck entstehen, das Stiftungsvermögen werde nicht professionell oder verantwortungsvoll genug angelegt. Genau deshalb stellen so viele größere spendensammelnde Stiftungen immer wieder auf diesen Punkt ab. Bin ich vorne nicht professionell, kann ich hinten keine Spenden sammeln.

Eng damit verbunden ist schließloch noch eine Ebene, über die in Stiftungen nicht so gerne gesprochen wird. Aber passt es hier nicht, helfen dann weder Dahlbusch-Bombe noch Helm. Das administrative Risiko ist ein wenig greifbares aber eines, das schnell zum echten Problem werden kann. Wir haben aus verschiedenen Ecken gehört, dass Stiftungsverantwortliche von den Stiftungsaufsichten – freundlich – darauf hingewiesen werden, dass die ordentliche Erträge zur Zweckverwirklichung nicht ausreichen werden. Nicht heute, nicht morgen, nicht übermorgen. Die Stiftungsverantwortlichen sind aber hier und da partout nicht bereit, sich von ihrer Mündelsicher (Sicherheit geht vor alles)-Baumarkt (ich mache es selber, das bekomme ich schon hin)-Anlagepolitik zu verabschieden. Was dann im Raum steht ist die Abberufung des Verantwortlichen und die Zwangsverwaltung der Stiftung. Das würde die Stiftung zwar in ihrer Existenz vermutlich retten, für ihre Reputation wäre das der Super-Gau, entsprechend ist administrative Ignoranz ein Risiko für oder besser in Stiftungen.

Zusammengefasst

Der Risikostrauß für Stiftungen ist breiter, ja schlichtweg größer geworden. Einmal wird es eher cum als post-Corona heißen, zum anderen aber werden Nullzins und säkuläre Trends dafür sorgen, dass die Veranlagung des Stiftungsvermögen nicht einfacher wird, insbesondere da der ordentliche Ertrag bei Stiftungen zuerst im Fokus stehen sollte. Das Delegieren an Stiftungsfonds und stiftungsgeeignete Fonds, also das breite Diversifizieren über Manager, Anlagestile, Anlagekonzepte, Anbieter und Anlageklassen hinweg, ist eine Maßnahme, wie das Risiko in sich zusammensackender ordentlicher Erträge verhindern kann. Administrative Offenheit braucht es aber auch, auch gegenüber Schwankungen und überholten Rahmenparametern wie der 70zu30-Allokation oder dem mündelsicheren Anlegen. Oder um beim Bild des Bergwerks zu bleiben: Auch die Dahlbusch-Bomben werden von oben über einen Rettungsschacht nach unten in den Stollen gelassen. Rettung kommt in diesem Fall immer von oben.