FondsFibel Midyear Update 2020
Schutzmaßnahmen

Risikomanagement als Pflicht

Was Stiftungen administrativ tun können fürs Stiftungsvermögen

Zu oft beschäftigt sich das Umfeld von Stiftungen mit der Frage, welche Anlage die geeignetste wäre, um ordentliche Erträge, Kapitalerhalt, Nachhaltigkeit und Diversifikation zu realisieren. Dabei wird nur vergessen, dass Stiftungen manchmal nicht einfach so einen Stiftungsfonds oder einen stiftungsgeeigneten Fonds kaufen können, weil es an den Voraussetzungen mangelt. Denn einen Stiftungsfonds zu kaufen, das ist das kleinste, das ist in 5 Minuten gemacht. Die Hausaufgaben beginnen ein ordentliches Stück davor. Ein paar Denkanstöße.

Text: Tobias Karow, Dr. Michael Stingl, Lesezeit: 6min27, Bilder: www.stiftungsmarktplatz.eu

Die große Weltwirtschaftskrise ab 1929 beförderte massiv Rationalisierungsmaßnahmen im Bergbau, in etwa diese Zeit fiel auch die Entwicklung des Ibbenbürener Kohlehobels von Konrad Grebe, um Steinkohle in geringmächtigen Flözen einfacher abbauen zu können. In der Entwicklung stehenzubleiben war für die Kohleindustrie in Deutschland keine Option, nur dadurch konnte hierzulande überhaupt so lange Kohle abgebaut werden. Auch der Stiftungssektor unterliegt dem Wandel und verändert sich. An manchen Stellen müssen Stiftungen und ihre Verantwortlichen noch genauer hinsehen, um für künftige Herausforderungen besser gewappnet zu sein.

Vor allem dürfte das Thema Risikomanagement in die Stiftungspraxis Einzug halten, aber weniger rein bezogen auf die Kapitalanlage als vielmehr als essentiellen Bestandteil guter Stiftungsführung. Risikomanagement umfasst laut Definition des Gabler Wirtschaftslexikons alle Aktivitäten im Umgang mit Risiken, entsprechend viele Anknüpfungspunkte gibt es auch für Stiftungen.

Gute Stiftungsführung ist essentiell

Gute Stiftungsführung, abgeleitet von der guten Unternehmensführung, ist die Umschreibung dafür, was in vielen Stiftungen heute bereits gelebte Praxis ist. Aber eben nicht in allen, und selbst dort wo die Stiftungsführung professionell aufgestellt ist, gibt es immer noch Raum für Verbesserungen, wenngleich administrativ die gute Stiftungsführung die erste Voraussetzung dafür ist, Risiken einer Stiftung zu managen, denn Risikomanagement ist essentieller Bestandteil guter Stiftungsführung. Das ist das erste, was eine Stiftung administrativ auf den Weg bringen sollte, so wie die Business Judgement Rule. Diese verlangt ja, dass alles zum Wohle der Stiftung geschehen soll und jede dafür notwendige Entscheidung sorgfältig abgewogen sein sollte.

Berechtigungskonzept für das Stiftungsvermögen

Eine weitere Säule könnte hier auch noch das klare Benennen von Zuständigkeiten sein, also eine Art Berechtigungskonzept. Dieses wäre inmitten des Corona-Crashs sicherlich in einigen Stiftungen Gold wert gewesen. Denn wo klar geregelt ist, wer was wann darf, passieren gerade in Drucksituationen weniger Fehler. Das Risiko, das in solchen Momenten etwas ganz grundsätzlich schiefläuft, wird nicht unerheblich gesenkt. Diese bergeordneten Schritte sind aber nur die ersten Hausaufgaben, die erledigt werden sollten, vor allem müssen diese Maßnahmen mit ihren abstrakten und allgemeingültigen Begriffen auch noch mit Leben gefüllt werden. Beispielsweise ist Kommunikation so ein Feld, dass zum Aufgabenkatalog im Risikomanagement gehört.

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Kommunikation rechtzeitig hochfahren

Letztlich braucht es hier beispielsweise „nur“ ein Regelwerk, nach dem die Kommunikation rechtzeitig hochgefahren wird, so ein Risiko absehbar wird. Ende März dieses Jahres etwa den Stiftungskollegen mitzuteilen, dass Corona vermutlich einen kleinen Hagelschaden im Stiftungsdepot hinterlassen wird, ist zu spät. Rechtzeitig wäre hier das Zauberwort gewesen, hätten die Stiftungskollegen rechtzeitig gewusst, was Sache ist, wären vielleicht direkt Sachen angestoßen worden. Überhaupt: Kleiner Hagelschaden im Stiftungsdepot, diese Information reicht nicht, sie muss vollständig sein, damit sie Grundlage einer Entscheidungsfindung sein kann.

Informationen

Wie halten sich Stiftungsfonds & Co. im Crash?

Vollständig wäre eine Information zum Corona-Crash dann gewesen, wenn sie folgende Inhalte gehabt hätte: Einmal eine Angabe darüber, dass das Stiftungsvermögen im Zeitraum X um y Prozent gefallen ist, besonders gelitten haben bei den Fonds die Aktien- und Income-Fonds, tendenziell stabil hielten sich Stiftungsfonds. Für die Ausschüttungsprojektion für das laufende und kommende Kalenderjahr müssen wir mit Abschlägen von 20% auf das bisherige Ziel für den ordentlichen Ertrag unseres Fondsportfolios rechnen. Mit den Fondsanbietern wurde gesprochen, unsere Shortlist für alternative Fondsideen ist mit ersten Anmerkungen heute per Mail an Müller, Meier und Schulze gegangen. So in der Art müsste im Zuge eines Kapitalmarktcrash kommuniziert werden.

Eine Risiko-Map kann helfen

Denn bei dieser Art der Kommunikation, so sie zudem rechtzeitig und entlang der aktuellen Ereignisse erfolgt, ist die Motivation, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen hoch. Was eine Stiftung durch solch eine Kommunikation schafft ist, eine Sensibilität für die Risiken bei den Verantwortlichen zu bilden und die Reflektion zu erleichtern. Das Risiko Unwissenheit oder dass Informationen nichtweitergereicht werden, kann so ausgeschlossen werden. Was Stiftungslenkerinnen und -lenker auch ausarbeiten könnten, wäre eine so genannte Risiko-Map. Diese funktioniert so: In der Vertikalen wird abgetragen, wie wahrscheinlich ein Risiko eintritt, auf der Horizontalskala, wie groß der Schaden sein wird, den das Risiko beispielsweise dem Stiftungsvermögen oder dessen Fähigkeit, ordentliche Erträge zu erwirtschaften, zufügt.

So machen Stiftungen Risiken sichtbar

Machen wir es an einem Beispiel anschaulicher: Die Wahrscheinlichkeit, dass jetzt eine recht herbe Wirtschaftskrise anbricht, ist hoch, der Schaden für die ordentlichen Erträge kann kurzfristig groß sein, durch weiterhin nullnahe Zinsen und teilweise ausbleibende Dividendenzahlungen, was auch Stiftungsfonds oder Income-Fonds tangieren kann, oder auch durch Mietausfälle bei Immobilienfonds, die in Büroflächen investiert sind. So deklinieren Stiftungsverantwortliche einfach bestimmte Risiken durch und leiten aus der Risiko-Map konkrete Maßnahmen ab. Das kann ein effizientes Tool (=Werkzeug) für Stiftungen sein, Risiken zu durchdenken und sichtbar zu machen.

Kapitalerhaltungsrechnung belegt Handlungsfähigkeit im Hier und Jetzt

Ein anderes Tool kann eine Kapitalerhaltungsrechnung sein. Auch diese kann ein enorm wichtiges Instrument sein, um Risiken aus dem nicht erfolgten oder nicht mehr zu schaffenden Kapitalerhalt herauszudestillieren. Diese Kapitalerhaltungsrechnung in der täglichen Stiftungspraxis einzusetzen kann als Beleg gewertet werden, sich sehr sorgfältig mit der Stiftungsrealität auseinanderzusetzen – um daraus Maßnahmen und Entscheidungen abzuleiten. Wiederum ein anderes Werkzeug kann die Rücklagenpolitik sein, die in immer noch zu wenigen Stiftungen aktiv eingesetzt wird. Aber eben auch der richtige Einsatz der verschiedenen Rücklagenarten kann eine Stiftung handlungsfähiger im Hier und Jetzt machen und damit Risiken im Morgen reduzieren.

Deutsches Rotes Kreuz

D&O-Versicherung schafft klaren Rahmen

Was Stiftungen ihren ehrenamtlichen Verantwortlichen zudem Gutes tun können, ist der Abschluss einer Vermögensschadenversicherung, eine so genannte D&O-Versicherung. Eine solche kann von der Stiftung bezahlt werden und sie gibt der Stiftung am Ende ein Vehikel an die Hand, eventuelle Schäden geltend machen zu können. Andererseits schafft sie für die Gremienmitglieder einen klaren Rahmen, in dem sie sich sicher bewegen können und sollen, ohne eine persönliche Haftung befürchten zu müssen. Auch eine D&O-Versicherung ist Baustein des Risikomanagements einer Stiftung, ein wichtiger sogar, bedenkt man auch den intergenerationellen Aspekt. Es wird für die Stiftungsverantwortlichen Nachfolger geben, diese könnten geneigt sein, Stiftungen zu bevorzugen, die diese administrative Voraussetzung bieten.

Stiftungen sollten zum Stiftungsvermögen reflektieren und dokumentieren

Nicht zuletzt gehört die Reflektion zum Risikomanagement einer Stiftung: Passt die Anlagepolitik noch in die Zeit? Muss die vorhandene Vermögensstruktur angepasst werden? Sind Umschichtungen erforderlich? Diese Fragen gilt es kritisch zu stellen und deren Antworten auch zu dokumentieren. Diese Fragen können auch im Austausch mit Vorständen oder Geschäftsführer anderer Stiftungen diskutiert werden, was auch ein Baustein des Risikomanagements einer Stiftung ist. Denn die gelebte Praxis in anderen Stiftung kann eine gute Richtschnur für das eigene Agieren sein, wodurch das Risiko, eine Entscheidung das Vermögen betreffend nicht belegen zu können, reduziert würde.

Themenfelder

Zusammengefasst

Stiftungen haben sehr viele Möglichkeiten ihre Hausaufgaben für das Risikomanagement zu erledigen. Angefangen bei einfachen und allgemeingültigen Leitsätzen bis hin zu konkreten Werkzeugen und einer aktuellen wie umfassenden Kommunikation mit rasch fließenden Informationen. Dass so manche Stiftung beim Risikomanagement noch etwas nachschärfen kann, darf aus vielfacher Praxiserfahrung vermutet werden. Dies ist umso wichtiger, als dass sich der Risikostrauß künftig noch weiten dürfte und mehr unerfreuliche Ereignisse überraschend auftauchen dürften, was mit der Komplexität der Systeme gut zu erklären ist. Vielleicht entwickeln Stiftungen ja, analog zum Ibbenbürener Kohlehobel, ihren ganz individuellen Risikohobel.

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