Welche Aufgaben hat die Stiftungsaufsicht?
Wer den Begriff „Aufsicht“ hört, denkt dabei schnell an eine Behörde, die ein strenges Regiment führt. Tatsächlich stehen einer Stiftungsaufsicht auch etliche Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten zu. Ihre Mitarbeiter verstehen sich aber vor allem als Dienstleister für bürgerschaftliches Engagement und begleiten die Stiftungsarbeit bereits ab der ersten Idee.
Von Gregor Jungheim
Wer nach den Mitgliedern oder Gesellschaftern einer Stiftung fragt, erhält eine ernüchternde Antwort: Es gibt sie nicht, die Stiftung gehört sich selbst. Entsprechend können weder eine Mitgliederversammlung noch eine Eintragung ins Handelsregister eine Stiftung entstehen lassen. Dazu braucht es eine öffentliche Instanz, die befugt ist, aus einem Aktienpaket, einem Immobilienvermögen oder auch einfach einem Sack voll Geld eine juristische Person zu machen.
Stiftung anerkannt, los geht’s mit der Aufsicht
Dies ist eine der Aufgaben der Stiftungsaufsicht, in etlichen Bundesländern auch schlicht Stiftungsbehörde genannt. Sobald die Aufsicht die Stiftung anerkennt und dem Stifter die Anerkennungsurkunde überreicht, kann die Organisation ihre Arbeit aufnehmen. Der Begriff „Anerkennung“ soll deutlich machen, dass die Mitwirkung der Behörde zwar nötig ist, es jedoch nicht in ihrem Ermessen liegt, ob eine Stiftung das Licht der Welt erblickt. Vielmehr hat der Stifter einen Rechtsanspruch darauf, wenn die in den Paragrafen 80 und 81 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) genannten Voraussetzungen für eine Stiftungserrichtung vorliegen.
In aller Regel hatte der Stifter bereits lange im Vorfeld Kontakt zur Stiftungsaufsicht. Denn sie versteht sich inzwischen weniger als Kontrollbehörde denn vielmehr als Dienstleister für alle Stiftungsinteressierten. So wird bereits das Stiftungsvorhaben mit der Behörde besprochen, die ihrerseits Empfehlungen für die Stiftungskonstruktion und die Gremienbesetzung ausspricht. Die Stiftungsaufsicht hat dabei darauf zu achten, dass die Vorgaben des § 81 BGB für die Stiftungssatzung eingehalten werden, der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet sowie die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert ist (§ 80 BGB).
Wie hoch soll eine Stiftung dotiert sein?
Gerade was den letzten Punkt betrifft, kommt es hin und wieder auch zu Meinungsverschiedenheiten. Soll eine Stiftung beispielsweise nur mit einem niedrigen fünfstelligen Betrag ausgestattet werden, kann es sein, dass der Stifter umfassend darlegen muss, wie die Erfüllung des Stiftungszwecks durch intensives ehrenamtliches Engagement oder die strukturierte Bemühung um Spenden oder Zustiftungen sichergestellt werden soll. Auch haben sich Stiftungsaufsichten schon daran gestört, dass das Stiftungsvermögen hauptsächlich aus wertvollen, aber nicht zinsbringenden Antiquitäten bestand. Oder die Behörde erachtete eine 100%ige Aktienanlage als zu riskant.
In den meisten Fällen ließen sich jedoch eine Einigung erzielen, notfalls lösten die Stifter die Auseinandersetzung durch Verlegung des Stiftungssitzes in ein anderes Bundesland. Gerichtliche Urteile zum Kompetenzumfang der Stiftungsaufsicht sind daher selten.
Soll die Stiftung auch gemeinnützig sein, was in etwa 95% aller Fälle beabsichtigt ist, liegt es dagegen am Finanzamt, dieses Steuerprivileg zu überprüfen. Mitunter berät aber auch die Stiftungsaufsicht schon ihre Klienten, mit welchen Formulierungen in der Stiftungssatzung dieser Status zu erreichen ist und gibt eine entsprechende Stellungnahme gegenüber der Finanzbehörde ab.
Stiftungsaufsicht stellt Vertretungsbescheinigung aus
Hat die Stiftung nun die Arbeit aufgenommen, stellen ihre Besonderheiten alle Beteiligten vor ein weiteres Problem: Wie soll der Stiftungsvorstand bloß belegen, dass er Stiftungsvorstand ist? Der Geschäftsführer einer GmbH und der Vorstand eines e.V. können auf das Handels- beziehungsweise Vereinsregister verweisen, aus dem hervorgeht, wer für das Unternehmen und die Organisation handeln darf. Ein Stiftungsregister mit vergleichbarer Aussagekraft gibt es dagegen nicht. Auch hier hilft die Stiftungsaufsicht, indem sie Vertretungsbescheinigungen für die Stiftungsorgane ausstellt.
In der täglichen Geschäftsführung ist ein Stiftungskonstrukt für den Missbrauch durch seine Organe anfälliger als jede andere juristische Person. Schließlich gibt es weder eine Mitgliederversammlung wie bei einem Verein noch gesetzlich vorgeschriebene Kontrollorgane und Publizitätspflichten wie bei einer Aktiengesellschaft. Vielmehr ist nur ein einzelner Stiftungsvorstand zwingend gesetzlich vorgeschrieben, der mehr Macht hat als sein Kollege in einer Aktiengesellschaft. Viele Stifter und Stiftungen haben dies erkannt und freiwillige Kontroll- oder Beratungsgremien eingerichtet. Darüber hinaus haben zahlreiche Organisationen Selbstverpflichtungen unterzeichnet, in denen sie sich z.B. bereiterklären, die Satzung allgemein zugänglich zu machen, die Namen ihrer Vorstände und Geschäftsführer zu veröffentlichen, die Herkunft ihres Vermögens offenzulegen oder auch die wichtigsten Destinatäre zu benennen.
Ordnungsgemäße Geschäftsführung wird geprüft
Da all dies jedoch nicht obligatorisch ist, überprüft auch die Stiftungsaufsicht die ordnungsgemäße Geschäftsführung, die Einhaltung des Stifterwillens, die Verwaltung und Erhaltung des Vermögens sowie die satzungsgemäße Verwendung der Erträge. Zudem ist für Rechtsgeschäfte von großer Tragweite – wie z.B. die Aufnahme eines Darlehens – in einigen Bundesländern eine Genehmigung durch die Behörde erforderlich. Auch eine Satzungsänderung, die Umwandlung der Organisation in eine Verbrauchsstiftung, die Fusion mit einer anderen Stiftung oder deren gänzliche Auflösung sind nicht durch einen Beschluss des Vorstands zu bekommen, sondern bedürfen der Erlaubnis durch die Stiftungsaufsicht. Und diese wird sie – wenn überhaupt – nur erteilen, sofern hierfür gewichtige Argumente vorgetragen werden.
Wer die Behörde nun fragt, welchen Handlungsspielraum sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeit hat, bekommt immer wieder einen Satz zu hören: „Wir sind die Rechtsaufsicht, aber nicht die Fachaufsicht.“ Das heißt: Die Stiftungsaufsicht hat nur die Einhaltung der einschlägigen Gesetze und der Stiftungssatzung zu überwachen. Ob man dies auch zweckmäßiger, effizienter, ertragbringender oder mit größerem Wert für die Gesellschaft tun könnte, geht sie nichts an.
Stiftungsaufsicht kann bestimmte Dinge untersagen
So kann die Stiftungsaufsicht die Nachbesserung eines zu risikoreichen Portfolios verlangen, wenn es vom Zufall abhängt, ob mit dieser Vermögensverwaltung Erträge erzielt werden oder nicht. Ob eine Stiftung für ihr Portfolio mit 20% Aktienanteil Wertpapiere von Banken, Chemie- oder Automobilunternehmen zeichnen soll, hat die Behörde nicht zu bestimmen. Ebenso kann die Stiftungsaufsicht untersagen, dass eine Stiftung, die sich laut Satzung ausschließlich der Literaturförderung verschrieben hat, ein gesellschaftskritisches Dokumentarfilm-Projekt unterstützt. Ob diese Stiftung dagegen eine Tagung zu Dichtern der Romantik ausrichtet, eine Lesungsreihe mit Nachwuchsschriftstellern organisiert oder lieber ein Treffen mit Science-Fiction-Autoren und ihren Fans veranstalten soll, liegt nicht mehr im Ermessen der Behörde.
Trotz dieser Einschränkungen sind die Kontrollfunktionen der Stiftungsaufsicht kein stumpfes Schwert. Vielmehr stehen ihr eine Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, um auf Verstöße gegen Satzung und Gesetz zu reagieren.
Das mildeste dieser Mittel ist die Beanstandung. Hierbei rügt die Aufsicht in schriftlicher Form ein bestimmtes Verhalten und fordert die Stiftung auf, dieses zu korrigieren. Steht die Organisation bereits vor vollendeten Tatsachen, ist also z.B. das Darlehen schon aufgenommen, weist die Behörde ausdrücklich darauf hin, dass solche Vorgänge der Genehmigung bedürfen und diese künftig im Vorfeld einzuholen ist. In einigen Bundesländern hat die Stiftungsaufsicht auch das Recht, einzelne Maßnahmen selbst aufzuheben.
Die Anordnung der Ersatzvornahme
Schwerere Geschütze sind da schon die Anordnung und die Ersatzvornahme. Mit der Anordnung wird ein Stiftungsorgan verpflichtet, eine bestimmte Handlung innerhalb einer vorgegebenen Frist vorzunehmen. Kommt das Organ dem nicht nach, ist die Stiftungsaufsicht befugt, die Maßnahme auf Kosten der Stiftung selbst durchzuführen oder durchführen lassen.
In schwerwiegenden Fällen hat die Aufsicht sogar das Recht, Organe abzuberufen, eine Ersatzbestellung zu fordern und bei Untätigkeit der Stiftung sogar selbst vorübergehend ein Stiftungsorgan zu bestellen. Da dies die härteste Maßnahme der Behörde ist, setzt sie entsprechend grobe Pflichtverletzungen oder gänzliche Unfähigkeit zur Geschäftsführung (auch aus gesundheitlichen Gründen) voraus. Hinzu kommt in der Regel auch die mangelnde Bereitschaft oder Kompetenz der Stiftungsorgane, die Missstände eigenständig zu beheben.
Entspricht die Verwirklichung des Stiftungszwecks dem Willen des Stifters?
Doch warum eine schlecht gemanagte Stiftung nicht einfach sich selbst überlassen? Schließlich hat sie ja keine Aktionäre, die einen steigenden Unternehmenswert und jährliche Dividenden erwarten. Die Stiftungsaufsicht wird dem entgegenhalten, dass sie als Hüterin des Stifterwillens eingesetzt wurde. Deshalb hat sie darauf zu achten, dass die Verfolgung der Stiftungszwecke und die Geschäftsführung der Organisation so weit wie möglich dem Willen ihres Gründers entspricht – natürlich unter Beachtung zeithistorischer Entwicklungen, die niemand voraussehen konnte.
Diese Aufgabe wird verständlich, wenn man berücksichtigt, dass das gegenwärtige Stiftungsrecht immer noch auf die früher sehr verbreitete Stiftung von Todes wegen ausgerichtet ist. Für einen Stifter, der die Entstehung und Arbeitsaufnahme seiner Organisation nicht mehr erleben würde, gewährte eine Behörde, die eine Stiftungsgeschäftsführung in seinem Sinne gewährleistete, ein hohes Maß an Planungssicherheit.
Mittlerweile ist jedoch die Stiftungserrichtung zu Lebzeiten zum Regelfall geworden. Dies führt mitunter zu grotesken Situationen. Errichtet ein Stifter beispielsweise mit 70 Jahren eine Stiftung, so bilden den Stifterwillen alle Vorkehrungen, die er im Moment der Gründung getroffen hat. Stellt ein hochbetagter 90-jähriger Stifter nun fest, dass gewisse Veränderungen in jüngerer Zeit eine Satzungsänderung erforderlich machen, ist dies nicht so einfach möglich. Die Aufsicht könnte ihm nämlich entgegenhalten, dass sie den Stifterwillen, also den Willen seines jüngeren Ichs, auch vor ihm selbst schützen müsse. Und dieses jüngere Ich habe nun mal eine Satzungsänderung nicht vorgesehen. Einwände, dass es sich immer noch um denselben Stifter handelt, der nun dazugelernt hat, und dass das jüngere Ich sicher mit Änderungen durch ein späteres Selbst einverstanden wäre, müssen nicht zwingend Gehör finden.
Reform des Stiftungsrechts ante portas
Auch wenn ein solches Vorgehen juristisch korrekt sein mag, ist es fachfremden Menschen kaum noch vermittelbar. Entsprechend gibt es bereits intensive Bemühungen um eine weitgehende Reform des Stiftungsrechts, in dem unter anderem die lebenslange Möglichkeit zur Satzungsänderung durch den Stifter vorgesehen ist.
Bis es soweit ist, werden sich die Behörden gerade in der beschriebenen Situation sicher bemühen, mit dem Stifter eine einvernehmliche Lösung zu finden. Natürlich stets mit dem Hinweis, dass eine Satzungsänderung die absolute Ausnahme ist und auch bleiben muss.
Zusammengefasst
Wer die Stiftungsaufsicht kontaktiert, kann sich also eines sicher sein: es mit einer Behörde zu tun zu haben, der es nicht wie in vielen anderen Fällen nur darum geht, ob sie von einem Einwohner Geld verlangen kann oder er von ihr. Vielmehr verstehen sich die „Aufseher“ als Förderer bürgerschaftlichen Engagements, die lediglich darauf achten, dass auch Non-Profit-Organisationen funktionierende Geschäftsmodelle haben und ambitioniert angegangene Stiftungsgründungen halten, was sie versprechen.