Über den Tellerrand…
„In welchem Europa wollen wir leben?“
„Wir brauchen den Dialog mit den deutschen Stiftungen, um vor allem auf strategischer Ebene Lösungen für aktuelle Probleme zu finden.“ Gleich mit einem der ersten Sätze bringt Pascale Joannin, General Manager der französischen, nach einem der Gründungsväter der Europäischen Union (EU) Robert Schuman Stiftung, ihre Mission auf den Punkt. Im Gespräch verrät sie, was sie im aktuellen politischen Kontext umtreibt und noch ein wenig dazu, wie die Stiftung ihr Vermögen streut. Ein Blick über den Tellerrand, aber nicht nur das.
Zunächst einmal, worin unterscheiden sich französische und deutsche Stiftungen?
Pascale Joannin: Die Französische Stiftungen sind viel jünger als ihre deutschen Kollegen, die in gewisser Weise ältere Schwestern sind. Wir sind kleiner, doch können dafür schneller entscheiden. In Frankreich, wir haben privat, öffentlich oder privat-öffentlich finanzierten Stiftungen. Unsere Stiftung erhält privat- und öffentlich Finanzierung. Aus meiner Sicht ist das aber auch egal, denn wir teilen dieselbe Idee. Jedes Stiftungshandeln ist eine Win-Win-Situation. Wir wie auch unsere deutschen Kollegen haben verstanden, dass die europäische Idee von einst eine gute war und ist, sich aber der globale Rahmen geändert hat. Wir müssen Europa sozusagen neu kalibrieren.
Aber da sind wir ja mitten drin, angesichts von Brexit & Co.?
Joannin: Natürlich sind wir pragmatisch und wissen, dass nicht alle Dinge sich sofort realisieren lassen. Aber wenn die EU ein Stärke Punkt ausmacht dann sind es Errungenschaften etwa den Frieden seit dem Zweiten Weltkrieg betreffend. Entsprechend beschäftigen wir uns momentan mit der europäischen Verteidigungspolitik, auch hier brauchen wir eine europäische Lösung, denn nicht alle Mitgliedstaaten in der Europäischen Union sind in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Dazu gehört auch, die Grenzsicherungsagentur Frontex zu stärken, etwa über Fonds, die den Mitgliedstaaten helfen, die Stärkung der Sicherheit der Außengrenzen verbessern. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es heute und in Zukunft mit Akteuren wie Russland oder China zu tun haben werden in Verteidigungsfragen, und hier braucht es eine gesamteuropäische Antwort.
Verhagelt hier nicht der Brexit einige Pläne?
Joannin: Ja, in der Tat, bei vielen Vorhaben und Entscheidungen die Verteidigungspolitik betreffend war Großbritannien mit dabei. Sie waren hier in, aber in den bilateralen Kooperationen insbesondere mit Frankreich. Es wird daher interessant sein zu sehen, wie sich derlei nach dem Brexit verhält. Aber das ist ja nur ein Thema. Uns beschäftigt auch der Klimawandel stark, weil dies viel mit den künftigen Lebensverhältnissen zu tun hat. In welchem Europa wollen wir leben, diese Frage diskutieren wir derzeit unter Hochdruck. Die Wirtschaft muss klimafreundlicher werden, das Konsummodell nachhaltiger, und hier kann Europa zum Vorbild werden. Womit wir beim dritten großen Block wären, der Wirtschaft als solcher.
Die Europäische Union wurde ja vor allem als Wirtschaftsgemeinschaft geboren.
Joannin: Völlig richtig, aber jetzt merken wir, dass wir die Eurozone stärken müssen, was wiederum positive Effekte auf den Euro und die EZB haben dürfte. Dies würde auch bedeuten, die Kräfte der europäischen Wirtschaft wieder aufs Neue zu wecken und zu stärken, denn auch hier sind wir als Europäische Union nur ein Akteur, neben den USA, Russland oder China, wir müssen das in die Köpfe bekommen. Wir Europäer müssen uns fragen lassen, ob wir künftig eine starke EU haben wollen oder ob wir die USA oder China in der Zukunft für uns entscheiden lassen wollen.
Was meint stärken?
Joannin: Die EU ist keine Supermacht, wir leben von der Vielfalt der Mitgliedstaaten aber auch von der Vielfalt der Kompetenzen. Die EU verfügt über die Fähigkeiten, die die Mitgliedstaaten bereit sind, sie zu vermitteln. Wollen wir aber mit am Tisch bei der Kräftiger oder bei den Großmächten sitzen, dann als Akteur und nicht als Beobachter. Doch dafür müssen wir mit einer Stimme sprechen, als Europäische Union, und dafür müssen wir die EU tiefer integrieren bzw. zusammenführen. Wir brauchen europäische Lösungen, und nicht mehr nationale Lösungen, denn das was für Europa gut ist, ist auch gut für die Mitgliedstaaten. Diesen Gedanken müssen wir verstärken.
Die genannten Punkte klingen nach sehr viel Aufwand. Diesen müssen Sie finanzieren. Wie macht das eine Stiftung heute, wie legen Sie also die etwas mehr als 1 Mrd. EUR Stiftungsvermögen an?
Joannin: Der Reservefonds der Robert Schuman Stiftung hat ein Volumen von rund 1 Mrd. EUR. Dieses Kapital ist in Aktien, Obligationen und kollektiven Anlagefonds veranlagt. Die Verwaltung des Portfolios obliegt dem Sektor „Privatbank“ eines Bankeninstituts. In der Praxis ist es so, dass die Stiftung keine Anordnungen bezüglich der Verwaltung an die Bank gibt, jedoch wählt die Stiftung das Risikoprofil. Oberste Priorität hat der Erhalt des Kapitals. Die Stiftung hat zudem den Kapitalverwaltern keine bestimmten Indikationen zur Auswahl der Wertpapiere, welche im Portfolio aufscheinen sollen, gegeben.
Ein breiter Mix also, das klingt plausibel. Wir danken Ihnen sehr, für Ihre Sicht auf Europa, und dass Sie sich Zeit für das Gespräch genommen haben.
Das Gespräch mit Pascale Joannin führte Tobias Karow auf einer Konferenz Mitte Januar in Paris.